Die Zeiten ändern sich: Das Wort-Ungetüm Freiflächenphotovoltaikanlage hat vor einigen Jahren bei vielen Menschen noch ein Achselzucken ausgelöst. Inzwischen haben viele ein Bild vor ihrem inneren Auge, wenn sie davon hören. In Tengen sicher das Bild von der Anlage oberhalb des Berghofs an der Kreisstraße. Seit anderthalb Jahren ist sie in Betrieb und trägt dazu bei, dass Tengen mehr Strom produziert als es verbraucht.

Zwei weitere Anlagen könnten bald dazu kommen. Bene Müller, Vorstand der Firma Solarcomplex, erläuterte im Tengener Bürgersaal, wie aufwändig die Suche sich dafür gestaltet hat. Von elf untersuchten Standorten seien nur zwei übrig geblieben. Auf den anderen Flächen sei es nicht möglich, Solarparks zu errichten. Zum Beispiel, weil die Fläche landwirtschaftlich zu hochwertig oder der Netzverknüpfungspunkt zu weit weg sei.

Diese Flächen oder keine anderen?

Wenn auf den zwei übrigen Flächen nun der Bau von Anlagen nicht ermöglicht würde, würde die Firma Solarcomplex bei weiteren Anfragen davon absehen, in Tengen weitere Flächen zu prüfen, so Müller. Diese Aussage erhöhe den Druck zur Zustimmung bei den anwesenden Gemeinderäten, äußerte danach ein Teilnehmer.

Denn was könnte jetzt noch den Bau hindern? Ein Veto aus dem Gemeinderat. Bereits im Dezember 2022 gab es dazu hitzige Diskussionen im Gremium. Damals hat man bereits über die Fläche am Ortsrand von Tengen diskutiert. Im Rückblick erinnert sich Thomas Wezstein (FWV), damals Folgendes vorgebracht zu haben: „Ich bin absolut für erneuerbare Energien, möchte aber geprüft haben, ob nicht noch andere Flächen für eine weitere Anlage infrage kommen könnten. Wir werben mit dem Prädikat Luftkurort und errichten an einem unserer schönsten Aussichtsplätze eine weitere Anlage im Abstand von nicht einmal 500 Meter zu der ersten Anlage.“ Auch Renate Hönscher (CDU) äußerte sich damals kritisch. Die Fläche sei, verglichen mit der Fläche auf dem Berghof, landwirtschaftlich zu hochwertig.

Rund 50 Besucher informierten sich im Bürgersaal über die beiden Solarparks, über deren Bau der Gemeinderat bald abstimmen wird. Damit ...
Rund 50 Besucher informierten sich im Bürgersaal über die beiden Solarparks, über deren Bau der Gemeinderat bald abstimmen wird. Damit folgte rund ein Prozent der Tengener Bevölkerung der Einladung zur Bürgerinformation. | Bild: Uli Zeller

Bevor der Gemeinderat nun darüber abstimmt, ob die Flächen bei Tengen und im Teilort Wiechs in Richtung Schlauch für eine solche Anlage genutzt werden dürfen, sollten die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zweimal wurden die Pläne im Amtsblatt veröffentlicht und nun gab es den Termin im Bürgersaal. Mit rund 50 Besuchern sind rund ein Prozent der Tengener Einwohner der Einladung gefolgt. Sie erkundigten sich, in welche Himmelsrichtungen die beiden Anlagen ausgerichtet sein sollten. Wie Tengen im Vergleich zu anderen Kommunen in Bezug auf die Energiewende dastehe, wurde gefragt. Und ob es möglich wäre, dass der produzierte Strom an die Gemeinde verkauft werden kann.

Solarcomplex-Vorstand Bene Müller und Bürgermeister Selcuk Gök informieren in Tengen über zwei Solarparks, die am Rande des Kernorts und ...
Solarcomplex-Vorstand Bene Müller und Bürgermeister Selcuk Gök informieren in Tengen über zwei Solarparks, die am Rande des Kernorts und in Tengen-Wiechs gebaut werden können, falls der Gemeinderat zustimmt. | Bild: Uli Zeller

Kritische Fragen kamen auch auf. Doch die Stimmung aus der Bevölkerung war positiver als vor zwei Jahren, als das Projekt im Dezember 2022 vom Gemeinderat hinterfragt wurde. Kritisch wurde aus der Bevölkerung etwa nach dem Blendschutz gefragt. Oder warum nicht zuerst Dächer mit Solarpanelen bestückt werden, bevor man diese in die Landschaft baut. Auch die Art des Blendschutzzaunes, wie er beim Solarpark Berghof zu sehen ist, wurde kritisiert.

Wiechs hat schon viel beigetragen

Am Rande der Veranstaltung waren weitere kritische Stimmen zu hören. Teilnehmer betonten gegenüber dem SÜDKURIER, die Fläche bei Tengen sei für die Bodenverhältnisse am Randen eindeutig hochwertiges Ackerland. Ihrer Meinung nach sollte ein minderwertigeres Grundstück gesucht werden, da auf diesem Grundstück derzeit ja regelmäßig Getreide angebaut werde.

Und zu der geplanten Anlage in Wiechs war zu hören, Wiechs habe mit den Windrädern ja schon einen überproportionalen Anteil zur Energiewende beigetragen – nun seien doch erstmal die anderen Dörfer am Zug.

Tengens Bürgermeister Selcuk Gök sagte in Bezug auf das Geleistete zur Energiewende: „Wir stehen gut da. Wir dürfen uns aber nicht auf dem Erreichten ausruhen. Ich würde mich freuen, wenn es in diese Richtung weiter geht und der Gemeinderat zustimmt.“

So beantwortet Bene Müller die Fragen

Was Tengen von den Anlagen habe, wollten einige wissen: „Durch Pachteinnahmen, Kommunalabgabe und Gewerbesteuer kommt durch die Solarparks sowie den Windpark Verenafohren eine sechsstellige Summe pro Jahr zusammen, die nach Tengen fließt. Wir können der Firma Stihl in Wiechs außerdem den Strom aus dem angrenzenden Solarpark auf jeden Fall günstiger anbieten, als sie ihn derzeit bekommen. Das ist natürlich interessant für den Wirtschaftsstandort“, so Müller.

Wie Tengen in Bezug auf die Energiewende verglichen mit anderen Hegau-Gemeinden dastehe? „Planungen für Solarparks gibt es inzwischen in fast allen Gemeinden im Hegau. In Bezug auf Windenergie ist Tengen mit dem ersten und einzigen Windpark im Landkreis ohnehin schon Vorreiter, mit dem zweiten geplanten Windpark erst recht“, erklärt Müller.

Der Mond ist am Ortsrand von Tengen aufgegangen. Im hinteren Teil des Bildes könnte bald ein neuer Solarpark entstehen. Dahinter ...
Der Mond ist am Ortsrand von Tengen aufgegangen. Im hinteren Teil des Bildes könnte bald ein neuer Solarpark entstehen. Dahinter befindet sich die Kreisstraße, die zum Berghof führt. Auf der anderen Seite der Kreisstraße befindet sich der Wannenberg mit dem Premium-Wanderweg. | Bild: Uli Zeller

Kann der Gemeinderat auch nur einen Standort beschließen? „Ja. Der Gemeinderat kann sagen null, einer oder zwei. Wir warten demütig auf die Entscheidung des Rates“, lautet Müllers Antwort.

Wie Blendung vermieden werden soll

Ein Gutachten zur Blendwirkung sei noch nicht gemacht: „Das Gutachten ist kostenaufwendig und wird erst gemacht, wenn der Gemeinderat das Vorhaben grundsätzlich befürwortet. Wir verwenden allerdings blendarme Module. Außerdem stehen nach einer Zusage des Gemeinderats auch noch weitere Gutachten an wie etwa ein Boden- und ein Umweltgutachten.“ Zudem komme ein Blendschutzzaun.

Eine reine Bepflanzung reiche laut Müller nicht aus. Der Zaun müsse aber nicht grün sein. „Wir könnten in Tengen auch mal einen Modellversuch machen und es in beige probieren“, so Müller. Generell werde versucht, die Module so auszurichten, dass möglichst geringe oder idealerweise keine Blendschutzmaßnahmen nötig werden.

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Warum nicht zuerst Solaranlagen auf Dächer gebaut werden, wollten Bürger wissen: „Oft geht es aufgrund des Denkmalschutzes oder der Statik nicht. Oder bei Firmen wie der Firma Stihl, weil sich technische Anlagen auf dem Dach befinden. Neue Häuser oder die Erweiterung der Firma Stihl werden heute selbstverständlich mit Photovoltaikanlagen geplant. Wenn in 25 Jahren alle Dächer mit Solarzellen belegt sind, können wir die Solarparks einfach wieder abbauen, da die Unterkonstruktion ohne Fundament in den Boden gerammt ist und keine Flächenversiegelung entsteht“, erläutert der Solarcomplex-Vorstand.