Anni hat am meisten Spaß. Die sechs Monate junge Jagdhündin, eine Steirische Rauhaarbracke, schnüffelt am Boden und rennt immer wieder aufgeregt hin und her. Sie begleitet ihre Besitzerin, Försterin Rebecca Göttel, an diesem Morgen in einen Teil des Büßlinger Waldes namens Fuchsenföhrle.

Das Waldstück hat eine Fläche, die bald so groß ist wie 15 Fußballfelder. Försterin Rebecca Göttel kennt diesen Teil des Waldes in der Nähe des Körbeltals wohl besser als jeder andere Mensch. „Siebzehn Jahre war hier niemand drin“, erläutert sie. Und damit meint sie: In diesem Bereich wurden seit 2005 keine Bäume raus geschnitten.

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Wald drohte die Stabilität zu verlieren

Die Folge davon: Die Baumkronen standen dicht beieinander, Äste starben ab, durch die kleiner werdenden Kronen fand weniger Fotosynthese statt. Das Fazit der Försterin: „Würde in diesem Wald weiterhin kein Baum gefällt werden, würde er gerade im Hinblick auf den Klimawandel an Stabilität verlieren.“

Idealerweise würden in einem Wald alle fünf bis zehn Jahre Bäume zugunsten von anderen Bäumen herausgeschnitten, erläutert die Försterin. Das Waldstück bei Büßlingen war also ideal für das umfangreiche Trainee-Projekt der Jungförsterin, in der sie schriftlich und praktisch zeigte, das man bei einem solchen Hieb alles beachten muss.

Im Tengener Stadtwald gibt es verhältnismäßig wenig Eichen und viel Nadelholz. Im Bestand des Büßlinger Waldstücks kämen viele Eichen vor, jedoch seien es nur wenige mit riesiger Krone und kurzem astfreien Stammstück. Diese wenigen ließen auf eine frühere Mittelwaldbewirtschaftung schließen, erläutert Göttel.

„Man findet hier sehr viele Tierarten“

Das bedeutet: Alle zehn bis 20 Jahre wurde hier alles gefällt – außer den Eichen. „Man findet hier sehr viele Tierarten“, betont die Försterin und zählt verschiedene Arten von Spechten und Käfern auf. Sie spricht in diesem Zusammenhang auch von Mikrohabitat-Strukturen. Kleine Lebensräume also wie Totholz, Spechtlöcher und Baumhöhlen.

Diese Eiche ist ein Zukunftsbaum, der stehen blieb. Försterin Gebecca Göttel erklärte dem Gemeinderat, was bei einem Hieb im Wald alles ...
Diese Eiche ist ein Zukunftsbaum, der stehen blieb. Försterin Gebecca Göttel erklärte dem Gemeinderat, was bei einem Hieb im Wald alles zu beachten ist. | Bild: Uli Zeller

Beim Fällen gibt es nun verschiedene Aspekte zu beachten. Der eine Aspekt ist der wirtschaftliche: Wofür gibt es finanzielle Förderungen für die Stadt und wie erreicht der Baum eine möglichst hohe Qualität? „Optimal ist zum Beispiel, wenn am unteren Bereich des Eichenstammes keine Äste wachsen“, erläutert Göttel. Denn aus Eichenholz könne man Fässer herstellen. Rindenstücke im Holz würden zu einer geschmacklichen Veränderung des gelagerten Weins führen.

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„Ich habe um so manchen Baum lange gerungen“

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt gibt es aber auch den Aspekt der Nachhaltigkeit: „Ich habe um so manchen Baum lange gerungen“, räumt Göttel ein. Es sei ihr schwer gefallen, sich von einigen Bäumen dauerhaft zu verabschieden. Denn die Entscheidungen hätten Auswirkungen für mehrere Förstergenerationen: 135 Habitatbäume – Bäume also, die Lebensraum bieten – wurden bewusst erhalten. Das waren je zur Hälfte Eichen und Buchen.

Försterin Rebecca Göttel zeigt den roten Punkt an der Eiche, der den Baum als Lebensbaum ausweist. In einem Teil des Waldes von ...
Försterin Rebecca Göttel zeigt den roten Punkt an der Eiche, der den Baum als Lebensbaum ausweist. In einem Teil des Waldes von Tengen-Büßlingen hat sie bei einem Hieb 135 Habitatbäume erhalten, die einen Lebensraum für viele Arten bieten. | Bild: Uli Zeller

Ein Punkt auf dem Baum bedeute, dass es ein Lebensbaum sei. Dieser Zukunftsbaum werde gefördert. Andere werden gefällt – oder geerntet, wie die Försterin sagt. Dies sei dann der Fall, wenn der Baum einem der Zukunftsbäume helfe, indem er Platz und Licht freigibt. Oder wenn er hiebsreif ist, also in Brusthöhe einen Durchmesser von 70 Zentimeter hat. Dann sei er reif wie ein Apfel, der gepflückt werden kann.

Mit der Försterin in den Wald

Der Rundgang durch den Wald kam zustande, nachdem die Försterin einen Vortrag im Gemeinderat gehalten hatte. Büßlingens Ortsvorsteher Josef Ritzi hatte daraufhin die Führung für die Ratsmitglieder initiiert. „Das war ein richtig interessanter Waldbegang mit jemandem, der sich tiefgehend mit dem Thema auseinandergesetzt hat und es auch gut erklären kann“, fasste Ritzi danach zusammen. So werde auch dem Laien deutlich, dass große Freiflächen kein Raubbau an der Natur sind – sondern eine Investition in die nächsten Generationen.

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Försterin Rebecca Göttel bietet eine weitere Führung für die Bevölkerung in diesem Waldstück an. Sie findet am Dienstag, 28. Juni, von 18 bis 20 Uhr statt. Treffpunkt ist an der Körbeltalhalle Büßlingen. Festes Schuhwerk und lange Kleidung zum Schutz vor Zecken sind empfohlen. Kontakt und Anmeldung bei Josef Ritzi unter: (0160) 360 26 39 oder (0 77 36) 77 85.