Eine immer größer werdende Herde Mufflons (Wildschafe) ist rund um den Hohenstoffel bei Weiterdingen heimisch geworden. Waldbesitzern und Landwirten sind sie ein Dorn im Auge, weil sie erhebliche Fraßschäden verursachen. Bei der Frage, woher die Tiere kommen, scheiden sich die Geister. Der Weiterdinger Karlheinz Hug ist der Meinung, dass die Tiere aus einem Gehege stammen, zu Jagdzwecken ausgesetzt wurden und sich dann vermehrt hätten. Die Tiere hätten sich 2017 in einem Gehege am Binninger Schloss beobachten lassen. Mufflons seien standorttreu, so Hug, sie wanderten seines Wissens nach nicht einfach von einer fernen Alpenregion an den Hohenstoffel.
Woher kommen die Tiere?
Dem widerspricht Freiherr Josef von Hornstein, Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen und Wald am Hohenstoffel. Es handle sich bei der Herde nicht um ausgewilderte, sondern um zugewanderte Tiere. Er sieht sich durch den Wildtierbericht Baden-Württemberg des Ministeriums ländlicher Raum (MLR) von 2018 bestätigt. In ihm sind fünf Vorkommen in Baden-Württemberg verzeichnet: Das am Hohenstoffel ist laut diesem Bericht durch Zuwanderung in den 2000er Jahren entstanden.
Die untere Naturschutzbehörde des Landratsamts sieht in einer Stellungnahme ebenfalls „kein bewusstes Überführen von Muffelwild in die freie Landschaft“. Deshalb liege auch kein Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz vor, denn ein solches Ausbringen hätte einer Genehmigung bedurft.
Die Mufflons fühlten sich laut von Hornstein am Hohenstoffel deshalb wohl, weil sie im Naturschutzgebiet genügend Nahrung fänden und bei Gefahr in die Steilhänge und Felspartien des Basaltsteinbruchs fliehen könnten. Das Muffelwild sei aber kein ausgesprochenes Bergwild und brauche neben Felspartien auch offene Flächen und Waldbereiche. Diese Voraussetzungen biete der Hegau. Von Hornstein sieht in seiner schriftlichen Stellungnahme auch das Potential der Einwanderer: „Als Mischäser hat es das ökologische Potential, in Zukunft im Rahmen des Flächenmanagements großer Schutzgebiete in gewissem Umfang die bei uns fehlenden Wildrinder oder die stattdessen derzeit eingesetzten Haustiere zu ersetzen.“
Landwirte melden Schäden
Ihm seien auf seinen landwirtschaftlich genutzten Flächen keine Schäden bekannt, die ausschließlich dem Muffelwild zuzuordnen seien. Es gebe aus seiner Sicht „keinerlei dokumentierte oder nachgewiesene Verbiss- oder Schälschäden im Wald durch die Mufflons“, erklärt Josef von Hornstein.
Landwirte, Waldbesitzer in den Ortschaften rund um den Hohenstoffel und der Leiter des Forstreviers sehen das anders und wollen, dass der Bestand eingedämmt wird. So berichtet Landwirtin Doris Buhl vom Hofgut Homboll von abgefressenen Wiesen. Junge Maispflanzen und Triebe neu gepflanzter Bäume würden von der rund 100 Tiere umfassenden Herde gefressen. Hilzingens Bürgermeister Holger Mayer ist ebenfalls dafür, dass die Jagdbehörde tätig wird: „Der jetzige Zustand ist für alle unbefriedigend.“ Für die Weiterdinger Bürger sind die scheuen Wildschafe dagegen kein Thema und auch kein Problem. „Ich habe noch kein einziges Mufflons gesehen und ich laufe oft den Berg hinauf“, erklärt Ortsvorsteher Egon Schmieder.
Das Land ist grundsätzlich gegen die Ausbreitung des Bestands: „Eine Ausweitung der wenigen aktuellen, relativ kleinen Vorkommensgebiete oder die Neugründung von Beständen ist beim Muffelwild nicht erwünscht, da dies zu Konflikten mit der Forstwirtschaft führen kann. Daher sollte Muffelwild in Zukunft außerhalb der Verbreitungsgebiete erlegt werden“, heißt es im Wildbericht. Es werde angenommen, dass der Bestand weiter steige und sich neue Verbreitungsgebiete entwickeln, deshalb solle eine klare Zielsetzung zur Bestandsentwicklung erarbeitet werden.
Jagdbehörde beobachtet seit 2007
Die Jagdbehörde des Landratsamts Konstanz beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit der ersten Sichtung 2007 mit dem Muffelwild und stimmt sich mit Regierungspräsidium und MLR ab. In der Folgezeit seien mehrere Gehegeausbrüche erfolgt. „Um den Bestand einzudämmen, kann die unteren Jagdbehörde im Rahmen von Abschussplänen einen Mindestabschuss festsetzen, eine Abschussfreigabe erteilen, die Schonzeit auf das gesetzliche Mindestmaß verkürzen oder einen Totalabschuss anordnen“, schreibt Pressesprecherin Marlene Pellhammer.
Seit 2008 gebe es bereits einen behördlich festgelegten Jahresplan, wann wie viele Tiere zu erlegen sind. Außerdem sei die Schonzeit verkürzt worden, leider mit geringem Erfolg. Wie der Leiter des Forstreviers Hegau Werner Hornstein berichtete, seien die Tiere extrem scheu und ihr Fleisch schwer zu vermarkten.
Widerspruch gegen Abschussfreigabe
Eine Anordnung eines Totalabschusses sei im Jahr 2019 in Abstimmung sämtlicher beteiligter Behörden auch aus rechtlichen Gründen abgelehnt worden. Als jüngste Maßnahme sei eine Abschussfreigabe im Juli 2021 ergangen, welche auf drei Jahre befristet sei. Im Anschluss an diese Zeit solle geprüft werden, ob weitere Maßnahmen erforderlich seien und wenn ja, welche. Gegen diese Freigabe sei Widerspruch eingelegt worden, wobei das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.