Herdwangen-Schönach – Mehrere Dutzend Zuhörer erlebten einen Zeitzeugen mit einer außergewöhnlichen Biografie, einem wachen und wissenden Geist und dessen aufrechte Haltung seinen Kampf gegen diktatorische Regime veranschaulicht. „Widerstand erinnern – Widerstand leisten“, lautete sein Thema, das auch sein Leben widerspiegelt. Die Nazis haben seinen Vater umgebracht, der aus einer jüdischen Familie stammt. Der Halbwüchsige wurde wie andere Klassenkameraden zum Ende des Krieges in seiner Heimatstadt Dresden zur Heimatflak eingezogen, wo die Schüler in ihren Stellungen stundenweise von Lehrern in Latein oder Griechisch unterrichtet wurden. Er überlebt, wird politisch und ist im Juni 1945 Mitbegründer der CDU im sowjetisch besetzten Sachsen. Der junge Mann kritisiert in einem Zeitungsartikel das kommunistische Regime, wird verhaftet und von einem russischen Oberst des Geheimdienstes NKWD verhört: „Das war vielleicht der 18. oder 25 Vorvorgänger von Putin.“ Ihm gelingt die Flucht in den Westen, wo er studiert und 30 Jahre an der Hochschule Weingarten Philosophie lehrt. Im Jahr des Mauerfalls wird er pensioniert und kehrt für 15 Jahre nach Dresden zurück. Er etabliert an Universitäten Lehrstühle, sitzt für die SPD im Landtag und als er in den Westen zurückkehrt, hat er sich dem präventiven Kampf gegen Neo-Nazis verschrieben.
Gebannt lauschte die Besucherschar dem Leben dieses aufrechten Mannes, der den Deutschen attestierte, dass sie kein "Volk von Widerständlern" seien. Umso wichtiger sei die Würdigung derjenigen, die damals wie heute die Kraft aufbringen, sich gegen die Tyrannis zu wehren. Dazu sei ein Verhalten notwendig, die Kraft aufzubringen, nicht jeglichem Mainstream zu erliegen. Die Erinnerung an die Widerständler gegen die Nazi-Diktatur ist nach Überzeugung des Zeitzeugen keine abgeschlossene Sache und so ist es ihm eine besondere Genugtuung, dass die Stauffenberg-Ausstellung im kommenden Jahr in seiner Heimatstadt Dresden gezeigt wird. Dabei wird auch eine "Galerie der Aufrechten" präsentiert – eine Kunstgalerie mit 45 Exponaten, die Bilder von Widerständlern zeigen. Neben Stauffenberg, den Geschwistern Scholl sind auch Bilder von schier vergessenen Helden zu sehen, wie die des Schweizer Grenzbeamten Paul Grüninger, der rund 300 Juden die Flucht aus Deutschland ermöglichte. In seiner Heimat wurde er dafür geächtet und erst nach seinem Tod rehabiliiert, während er in Israel in der Holocoust-Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter geehrt wird.
Als Lohn für seinen eindrucksvollen Vortrag gab es für Professor Marcus vom Publikum viel Applaus und von Frieder Kammerer von der Reservistenkameradschaft ein Bild von Werner von Haeften, den dieser als guten deutschen Patrioten bezeichnete. Bruder Jakobus Kaffanke, der als Mönch auf dem Ramsberg lebt, schlug im Anschluss den Bogen vom Widerstand zur aktuellen Flüchtlingskrise, jeweils verursacht durch den Krieg. Bei der wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Attentätern um Stauffenberg sei man von der Phase der Heroisierung zur Historisierung übergegangen, ist für Kaffanke der Widerstand als "Haltepunkt für künftige Generationen" wichtig. Er machte deutlich, dass diese Widerständler keine lupenreinen Demokraten waren, sondern neben dem Rechtsstaat auch die Natürlichkeit der Ränge bejahten. Entscheidend für die Beurteilung ihres Tuns ist nach Überzeugung des Benediktinermönches deren Wertehaltung von Demut, Wahrheit und Aufrichtigkeit geprägt wurde, was er als "spirituelle Kraft der Barmherzigkeit" definierte.
Sonderausstellung "Stauffenberg" in Großschönach
Dass die Sonderausstellung "Stauffenberg" der Gedenkstätte Deutscher Widerstand aus dem Berliner Bendlerblock vier Wochen im Ramsbergsaal in Großschönach zu sehen ist, hat eine besondere Vorgeschichte.
Agnes von Haeften: Anlass ist das Grab von Agnes von Haeften, das sich seit 1945 auf dem Großschönacher Friedhof befindet. Von Haeften ist die Mutter zweier Söhnen, die in das Attentat auf Adolf Hitler am 20.Juli 1944 verwickelt waren. Werner von Haeften war Adjutant von Oberst von Stauffenberg und wurde mit ihm nach dem missglückten Attentat erschossen. Die Familien beider Familien wurden in Sippenhaft genommen und kamen erst nach Kriegsende frei. Auf Einladung von Kurt Hahn, Gründer und Leiter der Schlossschule Salem, lebten sie einige Zeit auf dem Hermannsberg, wo Agnes von Haeften starb. Auf Betreiben der Reservistenkameradschaft Oberer Linzgau, der Gemeinde Herdwangen-Schönach und der Klause St. Benedikt wurde das Grab zu einem Denkmal erklärt, so dass auch die Söhne einen Gedenkort haben.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg: Seit Herbst 1943 rückt der schwerverwundete Oberst in das Zentrum einer militärisch-bürgerlichen Konspiration im Kampf gegen Adolf Hitler, die am 20. Juli 1944 in das Attentat auf Hitler und den Versuch mündet, das NS-Regime durch einen Staatsstreich zu stürzen. Hitler überlebt und noch in der Nacht werden Stauffenberg und drei Mitverschwörer erschossen. Mehr als 150 Menschen fallen im Zusammenhang mit dem Attentatsversuch der Rache des NS-Regime zum Opfer.
Ausstellung: Auf 21 Tafeln ist das Leben von Stauffenberg zu sehen. Seine Jugend, militärische Ausbildung, seinen Weg in den Widerstand. Die Ausstellung beschreibt die Vorbereitungen des Attentats, den Ablauf und den misslungenen Staatsstreich. Speziell für die Ausstellung in Großschönach werden drei zusätzliche Tafeln über Agnes von Haeften und ihre beiden Söhne gezeigt, gestiftet von der Familie von Haeften. Die Ausstellung ist bis 21. Mai im kleinen Saal der Ramsberghalle zu sehen.
Am heutigen Freitag, 30. April, 19.30 Uhr, findet im kleinen Saal ein Vortrag von Dr. Ekkehard Klausa über "Die kirchliche Prägung der Widerstandsfamilien" statt. Am Sonntag, 8. Mai, spricht dann der Leiter der Schlossschule Salem, Bernd Westermeyer, über das Thema "Erziehung zur Verantwortung." (siv)