Herr Gerster, zum letzten Mal können Sie auf ein Jahr zurückblicken, in dem Sie als Bürgermeister die Geschicke von Herdwangen-Schönach mitbestimmt haben. Was waren Ihre Highlights im Jahr 2022?
Da gab es einige Dinge, wie etwa den Spatenstich für unsere Seniorenwohnanlage. Das ist das Projekt, das die Gemeinderäte und mich am meisten bewegt hat im Jahr 2022. Auch die Fertigstellung des Dorfplatzes in Großschönach mit der anstehenden Ansiedlung des Tante-M-Ladens ist ein Highlight für die Gemeinde. Jetzt hoffe ich, dass der Laden von den Bürgern, die ihn sich so sehr gewünscht haben, auch genutzt wird. Zu den Höhepunkten des Jahres gehörte für mich ebenfalls, dass ich Lothar Riebsamen beim sehr schönen und würdigen Sommerempfang zum Ehrenbürger ernennen durfte sowie die großzügige Spende von Engelbert Sittler in Höhe von 300 000 Euro für unsere ambulante Hausgemeinschaft.

Wie geht es weiter mit der Seniorenwohnanlage am Voglerhof?
Derzeit läuft der Bauantrag für die Gemeinschaftseinrichtung. Hier hat der Gemeinderat ja die veranschlagten Baukosten, die von 1,5 Millionen Euro auf 2,5 Millionen Euro geklettert waren, durch eine Reduzierung auf ein Stockwerk sowie ein neues Raumkonzept wieder auf die ursprüngliche Summe reduzieren können. Derzeit laufen die Bauarbeiten für die Tiefgarage für die Seniorenwohnungen, danach sollen im Laufe des Jahres 2023 die beiden weiteren Gebäude entstehen. Diese werden das Ortsbild von Herdwangen verändern und prägen.
Wie laufen die Vorbereitungen für die Organisation der ambulanten Wohngemeinschaft?
Wir sind jetzt sehr intensiv bei der vertraglichen Ausgestaltung, den finanziellen und organisatorischen Themen. Dabei geht es unter anderem darum, wer Generalvermieter sein wird und weitere Details. Ich bin guter Dinge, dass alles sehr gut funktionieren wird mit unserem Nachbarschaftshilfeverein als Träger der Hausgemeinschaft in Zusammenarbeit mit einem ambulanten Dienst. Der Verein hat sich außerordentlich engagiert für das Projekt und es über mehrere Jahre begleitet.
Herdwangen-Schönach ist als zweite Reihe am Bodenseeufer sehr beliebt bei privaten Häuslebauern. Gibt es noch Möglichkeiten, den Traum vom Eigenheim in der Gemeinde zu verwirklichen?
Im Baugebiet „Nachtweide“ in Großschönach werden neue Bauplätze entstehen. Hier wurden uns im ersten Verfahren von zwei Anwohnern rechtliche Schritte gegen das Baugebiet angedroht. Deshalb sind wir gerade besonders bemüht, sämtliche Verfahrensvorschriften ganz genau einzuhalten.
Und wie ist der aktuelle Stand beim Baugebiet „Öschle“ in Herdwangen?
Dort müssen wir das Problem lösen, dass es ein etwas verzwicktes Eigentumsverhältnis bei einem einzelnen Grundstück gibt. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir 2023 mit der Erschließung beginnen können. Es gibt zwei Erschließungsvarianten – je nachdem, wie die Grundstückverhandlungen geklärt werden können. Darüber wird der Gemeinderat dann beschließen.
Die Ansiedlung von Unternehmen läuft gut in der Gemeinde. Das Gewerbegebiet „Branden“ wächst und wächst.
Wir haben den dritten Bauabschnitt fertiggestellt und sind damit so weit, dass wir die Schlussabnahme machen konnten. Wenn alle Kosten vorliegen, können wir die Grundstückspreiskalkulation durchführen und in den Verkauf gehen. Wir konnten zwei zusätzliche Grundstücke erwerben und planen eine Erweiterung an zwei Stellen: zum einen die Erweiterung der Firma Prinoth, die auf einem Privatgelände stattfindet, zum anderen eine Erweiterung auf den beiden Grundstücken der Gemeinde. Hier sprechen wir von einer zusätzlichen gewerblichen Entwicklung auf einer Fläche von drei Hektar. Wenn wir den neuen Bebauungsplan ausweisen und den dritten Bauabschnitt herannehmen, haben wir vier bis viereinhalb Hektar Gewerbefläche, die wir zur Verfügung haben für die kommenden Jahre. Dass sich Firmen aus dem Überlinger Bereich, wie die Firma Styyl, und aus dem Stockacher Gebiet, wie etwa die Media Werkstatt Bodensee, in Herdwangen angesiedelt haben, zeigt uns, dass der Standort sehr attraktiv ist und dass es uns als Gemeinde möglich ist, interessante Firmen anzuziehen. Wir haben eine breite Mischung an verschiedenen Gewerben. Bei der Vergabe achtet der Gemeinderat darauf, dass das Verhältnis zwischen Arbeitsplätzen und der verbrauchten Fläche passt. Wir wollen nicht Gewerbeflächen als Unterstellflächen anbieten, sondern Handwerks- und Gewerbebetriebe ansiedeln, die hier auch produzieren und somit Arbeitsplätze schaffen.
Auch in Aftholderberg gibt es eine positive Entwicklung im Gewerbebereich. Die Firma LT Ultra wächst und hat im vergangenen Jahr den Betrieb erweitert.
Die Firma hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der größten Arbeitgeber in unserer Gemeinde entwickelt. Hier sprechen wir von einem Betrieb, in dem auch fachlich anspruchsvolle Arbeitsplätze entstanden sind – Ingenieurskunst und das Wissen von Facharbeitern sind bei der LT Ultra gefragt. Nicht vergessen werden darf das interkommunale Gewerbegebiet Egelsee, das Herdwangen-Schönach gemeinsam mit Hohenfels betreibt. Dort sind die Erschließungsarbeiten beendet und wir sind guter Dinge, dass wir die ersten Verkäufe abschließen können.
In Pfullendorf berichtet der Kämmerer von sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen im laufenden Jahr. Wie sieht es damit in Herdwangen-Schönach aus?
Ich gehe nicht von übermäßigen, sprudelnden Einnahmen aus. Wir haben aber erfreulicherweise bei der Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren immer wieder kontinuierliche Steigerungen verzeichnet. Hintergrund war die schon beschriebene Möglichkeit für die Betriebe, sich am Standort erweitern zu können. Zum Haushalt kann ich generell nichts Konkretes sagen, da der Haushaltsplan noch nicht aufgestellt worden ist. Es wäre verfrüht, jetzt etwas zu Einnahmen oder Ausgaben zu sagen. Ich bin aber guter Dinge, dass das Jahr 2023 wieder ein ordentliches Ergebnis für uns bereit halten wird, auch wenn die Lage aufgrund der steigenden Preise schwieriger wird.
War es schwierig, angesichts der internationalen Krisen im vergangenen Jahr öfter als sonst den Rotstift ansetzen zu müssen?
Es ist wichtig, zu verstehen, dass es bei den Sparmaßnahmen nicht ums Geld geht. Es geht darum, Strom zu sparen und mit unserer Energie so zu haushalten, dass ein Blackout vermieden werden kann. Die Gasreserven müssen geschont werden. Das kommt leider bei den Leuten oft nicht richtig an. Wir hatten immer drei beleuchtete Christbäume – einen am Rathaus, einen vor der Ramsbergschule und einen an der Kirche in Aftholderberg. So ist das auch in diesem Jahr geblieben. Diese Christbäume sind für mich Zeichen unserer Kultur und gehören zur Weihnachtszeit deshalb für mich dazu. Wir haben schon Jahre vor der Krise unsere Straßenbeleuchtung auf stromsparende Technik umgestellt. Das hat sich bereits amortisiert und uns eine ganze Menge an Energie eingespart. In den Bereichen, wo wir neue Straßenbeleuchtung schaffen, wird jetzt immer LED-Technik eingesetzt. Die Beleuchtung wurde schon immer ab 0.30 Uhr abgeschaltet. Wir sind in der Gemeinde auf Nahwärme umgestiegen, die das Rathaus, die Schule und die Bundschuhhalle versorgt – und in Zukunft auch die Seniorenwohnanlage und den Dorfladen. Das soll heißen, dass die Gemeinde Herdwangen-Schönach auch als kleine Gemeinde immer ihrer Zeit voraus war, was sich dann auch finanziell in der Rücklage niedergeschlagen hat.
In den Schulen war die Umsetzung des Digitalpakts ein Thema. Wie sieht es damit in den beiden Grundschulen der Gemeinde aus?
Wir haben einiges an Ausrüstung angeschafft. In den beiden Grundschulen gibt es derzeit kein vollständiges Netzwerk innerhalb der Klassenzimmer und übrigen Räume. Das W-Lan lässt keinen geordneten Betrieb zu. Deshalb soll eine Netzwerkverkabelung vorgenommen werden. Neben der Digitalisierung wird in den kommenden Jahren der Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an Grundschulen ein wichtiges Thema sein. Hier muss überlegt werden, wie das in Herdwangen-Schönach bis 2026/2027 umgesetzt werden kann. Das werden sicher spannende Diskussionen im Gemeinderat werden.
Ein wichtiges Thema in den vergangenen Wochen war Ihre Kandidatur und der Wahlsieg in Pfullendorf. Wie wurde Ihre Ankündigung, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, aufgenommen?
Das wurde wertschätzend und verständnisvoll im Gemeinderat, von den Rathausmitarbeitern und auch Bürgern aufgenommen. Es gab auch Äußerungen des Bedauerns – etwa beim Sommerempfang – was für mich ja bedeutet, dass man gerne mit mir weiter gearbeitet hätte.
Was empfinden Sie selbst wenige Wochen vor Beginn Ihrer neuen Aufgabe?
Ich gehe nicht mit Pauken und Trompeten. Es sind gemischte Gefühle: Wenn die Gedanken bei der Gemeinde sind, dann empfinde ich Wehmut; wenn ich an die Stadt Pfullendorf denke, dann ist es Vorfreude. Es geht mir derzeit darum, diesen Stuhl hier im Rathaus so zu übergeben, wie ich ihn übernommen habe. Ich möchte ein gut bestelltes Feld hinterlassen. Mit den Amtsleitern und den beiden Bürgermeister-Stellvertretern wird es eine ordentliche Übergabe geben.
Bleiben Sie Herdwangen-Schönach verbunden?
Das Bürgermeisteramt war eine Station meines Lebens, auf die ich mit Stolz und Dankbarkeit zurückblicke. Diese Station mit all ihren Menschen wird ein stückweit immer in meinem Herzen sein. Gleichzeitig werde ich mich mit vollem Engagement und Freude in meine neue Aufgabe in Pfullendorf stürzen.
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin?
Ich wünsche ihm oder ihr die gleiche Unterstützung vom Gemeinderat, den Bürgern und Rathausmitarbeitern, die ich hatte. Ich wünsche ihm oder ihr allzeit ein gutes Händchen und dass er oder sie so gut aufgenommen wird in der Gemeinde, wie meine Familie es wurde.
Was ist Ihr persönlicher Wunsch fürs neue Jahr?
Ich wünsche mir, dass ich in Pfullendorf schnell ankommen und mich im neuen Amt einfinden werde. Ich hoffe, dass sich das Ergebnis der Wahl auch in der Unterstützung bei Projekten widerspiegeln wird. Das, was ich meinem Nachfolger wünsche, soll auch für mich in Erfüllung gehen.
Fragen: Stefanie Lorenz