Vor mehr als 20 Jahren haben sich die Kommunalverantwortlichen der Gemeinde angesichts der demografischen Entwicklung bereits mit einer zentralen Zukunftsfrage beschäftigt: „Wie wollen wir im Alter leben?“ Als Sinnbild der Antwort nun mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt in der Bundschuhhalle die Senioren-WG „Am Voglerhof“ eingeweiht.
Minister bezeichnet Projekt als „Leuchturm“
Mit dabei war auch Sozialminister Manne Lucha, der Herdwangen-Schönach als „sorgende Gemeinde“ lobte und bekannte, dass die Politik die Pflege-Wohngemeinschaften nicht auf der Agenda hatte und es keine rechtliche Absicherung dieser Wohnform gebe. Auf Bundesebene hat nach seinen Angaben Ex-Minister Christian Lindner die geforderte finanzielle Gleichstellung von stationären Pflegeeinrichtungen und Wohngemeinschaften verhindert.
Klar sei, dass solche Einrichtungen nicht nur mit Fachpersonal betrieben werden können, sondern auch unqualifizierte Kräfte eingesetzt werden müssen. Als „Leuchtturm“ bezeichnete Lucha die Senioren-WG in Herdwangen-Schönach, wobei in 600 von 1101 Kommunen in Baden-Württemberg bereits solche Quartiersprojekte entstanden seien. Er bescheinigte den Verantwortlichen einen langen Atem, um ihr Vorhaben letztlich doch noch umzusetzen.
Sozialdezernent bemängelt fehlende Regeln im Leistungsrecht
Die Wichtigkeit des Projekts verdeutlichte Torsten Schillinger, Sozialdezernent des Landkreises, denn bis 2035 werde sich der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen im Landkreis auf 48 Prozent erhöhen. Als große Stärke von Herdwangen-Schönach bezeichnete er den Nachbarschaftshilfeverein, wobei er Engelbert Sittler als Denker und Lenker des Vereins und der Senioren-WG bezeichnete. Auch Schillinger bemängelte die fehlenden Regeln im Leistungsrecht, was die Unterstützung von WG-Bewohnern angeht.
Talkrunde mit Ex-Bürgermeisterin und Nachbarschaftshilfeverein

Dann bat Bürgermeisterin Alexandra Kipp ihre Amtsvorgänger Lothar Riebsamen und Ralph Gerster sowie Sittler zu einer Talkrunde auf die Bühne. Ihr Vorvorgänger berichtete über die Anfänge der Seniorenkonzeption und benannte Maria Hensler und Peter Beck als wichtige Impulsgeber. Nachhaltig beeindruckt war Engelbert Sittler von einem Besuch in der Gemeinde Aichstetten, wo man eine Senioren-WG mitten im Dorf eröffnete.
Als Vorstufe der Senioren-WG betrachtet er übrigens die 2014 gegründete Betreuungsgruppe, die sich heute noch dienstags im ehemaligen Rathaus in Großschönach trifft. Die Verankerung der Senioren in der Gemeinschaft wurde auch in Herdwangen-Schönach zum entscheidenden Faktor. Hier galt der Dank aller Beteiligten der Familie Vogler, die das Areal im Jahr 2012 an die Gemeinde verkaufte. „Das Konzept war da, das Geld fehlte“, brachte Gerster die folgende Herausforderung auf den Punkt. Im Juni 2022 war Spatenstich für den Gebäudekomplex, wobei die zwölf Zimmer der Senioren-WG sich im Eigentum der Bürgerstiftung befinden, die als Vermieter für den Nachbarschaftshilfeverein fungiert.
Ein halbes Dutzend Interessenten für zwölf WG-Zimmer
Als „Ort der Gemeinschaft und Individualität“ bezeichnete Bauunternehmer Frank Dreher bei der Übergabe eines überdimensionalen Schlüssels das Projekt, das die in Vilsingen ansässige Firma Dreher Bau gemeinsam mit der Hohentengener Firma Löffler umgesetzt hat. Nach dem Festakt mitsamt Mittagessen nutzten viele Besucher die Gelegenheit, den Gebäudetrakt zu besichtigen.

Für die zwölf Zimmer der Senioren-WG gibt es nach Angaben von Engelbert Sittler schon ein halbes Dutzend Interessenten. Den Bewohnern stehen etwa 20 Quadratmeter inklusive großzügigen Sanitärbereich zur Verfügung. Dazu gibt es einen großen gemeinschaftlichen Wohn- und Küchenbereich. Sollte es zu wenig Bewerber aus der Gemeinde geben, werden die Zimmer auch an Personen aus der Region vermietet.
Bürgermeisterin hebt Engagement von Engelbert Sittler hervor
Abschließend war es Bürgermeisterin Kipp ein Anliegen, Sittler nochmals für sein Engagement zu danken, nicht zuletzt auch für hunderttausende Euro, die das Ehepaar Renate und Engelbert Sittler an die Bürgerstiftung gestiftet hat.
„Du bist ein Vorbild“, würdigte die Ratshauschefin ihren Mitbürger, was die Besucher mit lang anhaltendem Applaus bestätigten. Für eine tolle musikalische Unterhaltung beim Festakt hatte Annika Endres gesorgt.
Pfarrer erteilen den Segen

Zum Auftakt der feierlichen Einweihung hatte in der Kirche ein ökumenischer Gottesdienst stattgefunden, der vom evangelischen Pfarrer Sebastian Degen aus Pfullendorf und dem katholischen Pfarrer Thomas Stricker aus Wald gestaltet wurde. Sie baten um Gottes Segen für die künftigen Bewohner, dass sie segensreich zusammenleben mögen. Die Kirchenbesucher gingen anschließend zur Anlage „Am Voglerhof“, wo die beiden Geistlichen den Segen erteilten.