Der Einsatz von erneuerbaren Energien ist auch in Herdwangen-Schönach auf dem Vormarsch. Das wurde beim Jahresbericht 2022 der Netze BW, dem Strombetreiber der Gemeinde, deutlich. Dieser wurde von den Netze-BW-Mitarbeitern Thomas Schlegel (Regionalmanager Verteilnetz) und Rico Goede (Kommunalberater) bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderats am Dienstagabend vorgetragen. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 381 Photovoltaikanlagen, fünf Biomasse-Anlagen und zwei Kraft-Wärme-Koppelung-Anlagen in Herdwangen-Schönach.
Photovoltaik ist die beherrschende Erzeugungsform
Die Anzahl dieser Anlagen ist damit insgesamt um 14,5 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 gestiegen. „Man sieht deutlich, dass die Photovoltaik die beherrschende Erzeugungsform ist“, sagte Schlegel. Insgesamt sei eine Leistung von sechs Megawatt durch die PV-Anlagen in der Gemeinde erzeugt worden. „Das ist ordentlich“, lobte Schlegel.
Anfragewelle bezüglich der Einspeisung von Strom
„Das Thema Energiewende hat Fahrt aufgenommen“, sagte er und schilderte, dass derzeit über das gesamte Wirkungsgebiet der Netze BW eine Anfragewelle bezüglich der Einspeisung von Strom und Lade-Einrichtungen rolle. So seien die Anfragen von Bürgern, die Strom einspeisen wollen, im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr um satte 80 Prozent gestiegen. Bei den Ladeeinrichtungen gab es 40 Prozent mehr Anfragen als im Vorjahr. Auch in Herdwangen-Schönach werden immer mehr Ladestandorte eingerichtet. Derzeit seien 48 solcher Standorte gemeldet.
Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt waren am 1. Oktober dieses Jahres 120 elektrifizierte Fahrzeuge in Herdwangen-Schönach verzeichnet, davon 78 Elektroautos und 42 Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge. „Die Elektrifizierungsquote des Gesamtfahrzeugbestands in der Gemeinde liegt damit bei 4,9 Prozent. Das ist leicht über dem Durchschnitt, der bei vier Prozent liegt“, berichtete Thomas Schlegel. Die derzeitige Entwicklung hat auch eine Kehrseite. Die neuen Lasten – zum einen durch den zusätzlichen Stromverbrauch durch E-Mobilität, zum andern durch die zunehmende Einspeisung – führen laut dem Fachmann dazu, dass die lokalen Verteilnetze sukzessive ausgebaut werden müssen. Sie seien nicht für diese zusätzliche Belastung konzipiert worden, erläuterte Schlegel. Damit seien natürlich Kosten verbunden.
E-Autos als Stromspeicher nutzen?
Gemeinderat Patrick Blender (Freie Wähler) wollte wissen, ob es mittlerweile möglich sei, über die Wandladestation, die so genannte „Wallbox“, das E-Auto als Stromspeicher zu nutzen und den Strom anschließend wieder einzuspeisen. „Das ist technisch durchaus möglich“, sagte Schlegel. Man könne einen tagsüber produzierten Stromüberschuss theoretisch ins Auto einspeisen und am Abend wieder aus der Batterie entnehmen. „Darüber würden wir uns als Netzbetreiber freuen, weil dies das Netz entlasten würde“, meinte der Fachmann. Bislang sei ein solches Verfahren aber aufgrund von gesetzlichen Hürden noch nicht erlaubt. Er sei aber überzeugt davon, so Schlegel, dass dies in der Zukunft möglich sein wird.
Zahlen sind heute obsolet
Die Herausforderung für alle Netzbetreiber sei, dass die Zahlen, die man noch vor drei Jahren erfasst hat, um sie weiteren Planungen bezüglich der Stromerzeugung und des Stromverbrauchs zugrunde zu legen, heute vollkommen veraltet seien, schilderte Rico Goede. „Wärmepumpen waren vor drei Jahren zum Beispiel überhaupt kein Thema. Heute explodiert das Geschäft mit den Wärmepumpen, in fast jeden Neubau werden sie eingebaut und auch im Altbau werden sie immer mehr verwendet“, sagte er. In Herdwangen waren zum 31. Dezember 2022 insgesamt 95 Wärmepumpen verzeichnet. Sie haben einen Anteil am Gesamtstromverbrauch von 4,7 Prozent.
49 Prozent der Wohnungen werden mit Gas beheizt
Anhand einer Grafik über die Beheizungsstruktur in ganz Deutschland im Jahr 2022 erfuhren die Gemeinderäte, dass im Vorjahr deutschlandweit rund 49 Prozent der Wohnungen mit Gas, rund 25 Prozent mit Heizöl, 14 Prozent mit Fernwärme und drei Prozent mit Wärmepumpen beheizt wurden. Diese Zahlen werden sich für das laufende Jahr aufgrund des Wärmepumpen-Aufschwungs verändern. Zum Jahresbeginn 2024 tritt zudem das neue „Gesetz zum Erneuerbaren Heizen“ in Kraft, in dessen Rahmen der Einbau von Wärmepumpen staatlich gefördert wird.
Immer wieder gibt es Stromausfälle in Herdwangen-Schönach. Sie werden laut Thomas Schlegel vor allem durch Sturm, Gewitter, Eis und Schnee verursacht. Hier wirke sich der Klimawandel aus. So war die Gemeinde zum Beispiel am 26. August eine gute Stunde lang ohne Strom, weil ein Gewitter tobte. Ein weiterer Grund dafür, dass aus der Steckdose kein Strom mehr fließt, können Erd- und Baggerarbeiten sein. Auch davon war Herdwangen-Schönach betroffen: Am 16. Oktober dieses Jahres kam es zu einem solchen Vorfall. Auch Flugobjekte, wie Drachen, Ballone, Flugzeuge sorgen hin und wieder für Stromausfälle. Das war am 18. Juni dieses Jahres in Herdwangen-Schönach der Fall, wie Thomas Schlegel Revue passieren ließ. Insgesamt listete er acht Stromausfälle in den Jahren 2022 und 2023 in der Gemeinde auf; der jüngste war am 1. Dezember durch die starken Schneefälle ausgelöst worden.
Blick in die Zukunft
Beim Ausblick in die Zukunft skizzierte Thomas Schlegel den Investitionsplan. Für die Zeit seit 2022 bis 2024 sind in Herdwangen-Schönach Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen von rund 2,3 Millionen Euro vorgesehen. Darunter sind zum Beispiel Erschließungsarbeiten im Gewerbegebiet „Branden“ sowie Verkabelung in Oberndorf, Großschönach und Herdwangen. Spannende Entwicklungen schilderte Thomas Schlegel in Bezug auf die Digitalisierung. Entwickelt werden unter anderem innovative Technologien für ferngemeldete und ferngesteuerte Umspannstationen. Diese sollen eine sekundenschnelle Wiederversorgung bei Störungen im Stromnetz bewirken. Erfolgreiche Testversuche gibt es laut Thomas Schlegel bezüglich des Einsatzes von Drohnen. Sie sollen defekte Teile an Leitungen und Bauteilen aus der Luft erkennen.
Netze BW
Die Netze BW GmbH ist nach eigenen Angaben das größte Netzunternehmen für Strom, Gas und Wasser in Baden-Württemberg. Von 93 Standorten aus betreibt und koordiniert die Firma ein 95.379 Kilometer langes Stromnetz, 5268 Kilometer langes Gasnetz und das Wassernetz der Landeshauptstadt Stuttgart. Sie ist zuständig 2,34 Millionen Kunden im Stromnetz.
Quelle: Homepage des Unternehmens unter www.netze-bw.de