Schon seit Jahrzehnten wohnt Familie Knoll in Oberndorf. Der idyllisch gelegene Ort in Herdwangen-Schönach ist ländlich geprägt: „Früher gab es hier noch mehrere Landwirtschaften, natürlich hatten alle Tiere“, schildert Klaus Knoll. Deswegen sei er Zeit seines Lebens an Geräusche von Rind, Schwein, Huhn & Co. gewohnt.

Pfauen-Männchen schreien gellend laut in der Nacht

„Das hat uns nie etwas ausgemacht“, sagen Klaus und Hannelore Knoll einmütig. Doch die tierische Geräuschkulisse, die das Ehepaar jetzt auf der Terrasse und auch im Haus erdulden musste, sprengte die Toleranz der alteingesessenen Oberndorfer. Die Schreie von zwei Pfauen-Männchen – gellend-laut und schrill – tönen seit über einem Jahr vom Nachbargrundstück aus durch die Stille im Ort.

Kleine und große Anwohner beklagen Schlafentzug

Ein Bekannter habe die Schreie gemessen und dabei eine Lautstärke von stolzen 70 bis 80 Dezibel festgestellt, schildert Familie Knoll. Vor allem in der Nacht würden sich die Pfauen wahre Schrei-Duelle liefern und die Nachbarn damit auf schmerzhafte Weise wachhalten. „Meine Töchter können nicht mehr schlafen“, berichtet Sohn Patrick Knoll, der mit seiner Familie neben den Eltern wohnt, verärgert.

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Und auch anderen großen und kleinen Nachbarn geht die nächtliche Ruhestörung auf die Nerven. „Heute Nacht um 4 Uhr gingen die Schreie wieder los. Auch bei geschlossenen Fenstern war kein Schlaf möglich“, schildert Thomas Stadler. Deshalb hatte Einwohnerin Johanna Warnke im Namen der Bürgerschaft bei der jüngsten Sitzung des Gemeinderats noch einmal an die Sammelbeschwerde erinnert, welche die Oberndorfer bereits im April bei der Gemeinde eingereicht hatten.

22 Bürger unterschreiben Sammelbeschwerde

22 Oberndorfer Bürger hatten gegen die Geruchs- und Lärmbelästigung, die von der Tierhaltung im Haus ausgehen soll, unterschrieben. Nicht nur die Pfauen, sondern auch das weitere Geflügel, wie Gänse, Enten und Hühner sowie auch die Ziegen, die dort gehalten werden, stören die Nachbarn. „Immer wieder gibt es nachts ein Gezeter und Geschrei, das die Leute im Bett stehen lässt“, erläuterte Johanna Warnke den Gemeinderäten.

Polizei sei mehrfach vergeblich gerufen worden

„Das ist nicht mehr lustig, so etwas aushalten zu müssen. Die Lärmbelästigung hat Schlafentzug zur Folge, das ist schädlich, das ist Körperverletzung“, erläuterte sie. Die Oberndorfer Bürger haben nach eigenen Angaben mehrfach die Polizei geholt. Doch diese habe nichts getan.

Keine Festsetzung in der Polizeiverordnung zu Tierlärm

Auch an die Gemeinde hatten sich die Oberndorfer gewandt. Bürgermeister Ralph Gerster schilderte in der Gemeinderatssitzung, dass die Verwaltung nicht untätig geblieben sei. Allerdings könne sie nur dann regulierend einschreiten, wenn es dafür eine rechtliche Grundlage gebe. „In der Polizeiverordnung unserer Gemeinde ist nichts festgehalten bezüglich der Lautstärke von Tieren“, stellte er klar. Im ländlichen Raum seien Tiergeräusche nichts Besonderes, sodass kleinere Gemeinden meist nichts dazu in ihrer Verordnung vermerken würde. „Meine Hände sind gebunden“, sagte Gerster.

Für die Enten hat Rudolf Horlacher einen Teich angelegt. Das Veterinäramt habe keinerlei Beanstandungen an der Unterbringung seiner ...
Für die Enten hat Rudolf Horlacher einen Teich angelegt. Das Veterinäramt habe keinerlei Beanstandungen an der Unterbringung seiner Tiere gehabt, erklärt er. | Bild: Stefanie Lorenz

Mehrfach erwähnt wurde, dass der Bauantrag für die Voliere der Tiere vom Gemeinderat seinerzeit abgelehnt worden sei. Trotzdem habe der Eigentümer das Bauvorhaben umgesetzt. Hier stehe nun die Baurechtsbehörde in Pfullendorf in der Pflicht, dagegen einzugreifen, sagte Ralph Gerster. Klaus Knoll und seine Familie sind als direkte Nachbarn der Ansicht, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten werden. Statt grüner Weide und viel Auslauf hätten die Gänse und Enten nur einen steinigen Untergrund in ihren Gehegen.

Veterinäramt habe keine Beanstandungen gehabt

Wie Bürgermeister Ralph Gerster erläuterte, habe das Veterinäramt bei seinem Besuch jedoch keinerlei Beanstandungen gehabt. Die Bürger von Oberndorf sind allerdings der Meinung, dass der Besuch des Veterinäramts schon längere Zeit her sei und sich auf dem Anwesen einiges geändert habe.

Mieter hat seine Wohnung gekündigt

Zermürbt vom nächtlichen Lärm zeigt sich nicht nur die Familie Knoll, sondern auch ihr Mieter. „Nach dreizehn Jahren bei uns hat er seine Wohnung gekündigt“, schildert Hannelore Knoll traurig. Familie Stadler hat die Pfauenschreie aufgenommen, wollte sie auch den Gemeinderäten vorspielen. Das verhinderte Ralph Gerster jedoch, da es sich um eine Bürgerfragestunde handelte, nicht um eine Präsentation.

Nachbar zeigt sich gegenüber dem SÜDKURIER gesprächsbereit

Die Anwohner berichten, dass ein Gespräch mit Nachbar Rudolf Horlacher nicht möglich gewesen sei; ein Anwaltsbrief sei unbeantwortet geblieben. Gegenüber dem SÜDKURIER zeigte sich Rudolf Horlacher jedoch gesprächsbereit. Das Haus in Oberndorf und die Tiere gehören seiner Frau Nicole Meerlender. Sie leben aber nicht selbst dort, sondern in der Schweiz.

Immer wieder seien Beschwerden gekommen, aber nicht über die Pfauen

Er habe sich gewundert, dass ausgerechnet Klaus Knoll, der früher selbst Geflügel – und das in viel größerer Zahl als er selbst – gehalten habe, sich über seine Tiere beschwere, sagt Horlacher. Nach mehreren Monaten seien vom Nachbarn immer wieder Beschwerden gekommen, zum Beispiel über Ziegen und den Hahn. Dieser Mensch brauche immer jemanden zum Streiten, habe er auch von Dritten gehört. Über die Pfauen habe zunächst kein Nachbar mit ihm gesprochen, das Thema sei auch nicht im Anwaltsbrief von Klaus Knoll erwähnt worden.

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„Da wir nicht hier wohnen, wussten wir gar nicht, dass die Pfauen derartig laut sind“, betonte Rudolf Horlacher. Erst als ein weiterer Nachbar, Thomas Warnke, ihn vor Kurzem in einem „ruhigen, freundlichen und sachlichen Ton“ angesprochen habe, sei ihm klargeworden, wie sehr seine stolzen Tiere die Nachtruhe stören.

Beide Tiere sollen abgeschafft werden

„Wenn das so ist, dann werden wir die Tiere abschaffen“, habe er dem Nachbarn versichert. Und das werde er auch umsetzen, einer der Pfauen sei bereits abgeholt worden, der zweite sei ebenfalls verkauft worden und stand beim Gespräch mit dem SÜDKURIER vor Ort kurz vor dem Abtransport, wie der Besitzer versicherte.

„Wollen keinen Streit mit Nachbarn“

Freimütig führte Horlacher die SÜDKURIER-Mitarbeiterin durch seine Gehege und berichtete von gleich mehreren Besuchen des Veterinäramts, das keinerlei Beanstandungen gehabt habe. „Wir wollen keinen Streit mit Nachbarn“, betont Rudolf Horlacher abschließend. Ob der Nachbarschaftsstreit durch den Verkauf der Pfauen beigelegt ist, bleibt abzuwarten.

Behörden nehmen Stellung zum Fall in Oberndorf

Der SÜDKURIER hat bei der Polizei, dem Landratsamt Sigmaringen und beim Baurechtsamt in Pfullendorf nachgefragt, wie diese im konkreten Fall und generell in solchen Fällen aktiv werden können. Hier die Antworten, die uns erreichten:

Die Presseabteilung der Polizei Ravensburg bestätigte, dass „im polizeilichen Tätigkeitsbericht in jüngster Vergangenheit mehrere Einsätze an der genannten Adresse dokumentiert sind“. Bei den genannten Einsätzen habe stets ein und derselbe Anwohner die Polizei gerufen, beziehungsweise in einem Fall eine weitere Person. „Eine konkrete und länger anhaltende Ruhestörung konnte in Anwesenheit der Polizei zwar nicht festgestellt werden, wohl aber die Tatsache, dass einzelne Schreie der Tiere sehr laut und somit durchaus geeignet sein können, die Nachtruhe zu beeinträchtigen“, stellt die Presseabteilung fest. Der Sachverhalt sei daher den zuständigen Behörden – Gemeinde, Baurechtsbehörde, Landratsamt – zur Kenntnis gebracht worden, welche nun über weitere Maßnahmen entscheiden müssten. Entscheidungen über die Tiere könne die Polizei vor Ort in einem solchen Fall nicht treffen. „Sie fallen in die Zuständigkeit der genannten Behörden“, heißt es abschließend.

Der SÜDKURIER hat auch beim Baurechtsamt der Stadt Pfullendorf nachgefragt. Von der Stadt Pfullendorf kam folgende Antwort: „Die Baurechtsbehörde befindet sich derzeit in der in Rede stehenden Angelegenheit in einem baurechtlichen Verfahren, in dessen Zusammenhang eine mögliche baurechtliche Abbruch- beziehungsweise Beseitigungsanordnung geprüft wird. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir zum genauen Verfahrensstand keine Auskünfte erteilen.“ Die Baurechtsbehörde weise aber in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch darauf hin, dass die Behörde lediglich für die Überprüfung der baurechtlichen Zulässigkeit von baulichen Anlagen zuständig sei. „Die Lärmproblematik, ausgehend von der Hobbytierhaltung an sich, liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der unteren Baurechtsbehörde“, informiert die Behörde. Vielmehr sei die Gemeinde Herdwangen-Schönach als Ortspolizeibehörde im Rahmen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts für die Prüfung und gegebenenfalls die Anordnung von ordnungsrechtlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit der Lärmproblematik zuständig.

Auch beim Landratsamt Sigmaringen haben wir nach dem Fall gefragt. Von der Pressestelle des Landratsamts erhielten wir die Antwort, dass sich eine Bürgerin wegen einer Pfauenhaltung in Oberndorf an das Landratsamt gewandt habe. Sie habe geschildert, dass die Pfauen sehr laut sind, und bat um Abhilfe. „Es ist allerdings so, dass für Ruhestörungen aller Art die Ortspolizeibehörde, also das Rathaus, die richtige Anlaufstelle ist. Dies gilt sowohl für Lärm, als auch für Geruchsbelästigungen, die durch Tiere verursacht werden“, heißt es in der Antwort.

Aufgabe des Landratsamtes, beziehungsweise des Veterinäramtes, sei es, die artgerechte und tierschutzkonforme Haltung sicher zu stellen. „Hinweise darauf, dass die Haltung nicht artgerecht oder tierschutzwidrig sein könnte, gab uns die Bürgerin allerdings keine“, so die Pressestelle weiter. Dass Pfauen gerade jetzt, wo es lange hell ist, oft laut und sehr aktiv sind, sei nicht ungewöhnlich, sondern liege in der Natur der Tiere. Man habe die Bürgerin gebeten, sich mit der Gemeinde in Verbindung zu setzen.

Sollten von der Bürgerin oder auch vonseiten der Gemeinde Hinweise auf eine nicht artgerechte Haltung der Pfauen an das Landratsamt herangetragen werden, werde man selbstverständlich Kontakt zum Tierhalter aufnehmen und sich die die Haltung vor Ort anschauen. Dies sei aber bislang nicht der Fall gewesen.