24. Februar 2022! Krieg! Sie können es nicht glauben, dass ihre Heimat von Russland angegriffen wird. Bomben, Flieger, Zerstörung und Tod. Schon am nächsten Tag flüchtet Maria Vasylenko aus ihrem Haus in Bila Tserkva, 70 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt Kiew, mit ihren Söhnen Illia und Tymur und Mutter Alla. Der Vater bleibt in der Ukraine. Niemand weiß, ob die Ukraine dem Aggressor standhält und die Familie flieht weiter nach Westen, Ungarn, erreicht Deutschland und bleibt zwei Wochen in Bonn.
Rasche Hilfe in Großschönach
Wohin soll es gehen und wann können sie zurück in die Heimat? Es gibt einen Geschäftskontakt mit Martin Schmid aus Großschönach. Sie rufen an und ohne zu zögern, begibt er sich auf Wohnungssuche. Das Ehepaar Möhrle bietet eine Wohnung an. Die ersten Möbel werden gespendet und als die zwei Frauen und zwei Buben in Großschönach ankommen, ist auch der Kühlschrank gefüllt. Knapp 2,5 Jahre nach ihrer Ankunft ist Maria Vasylenko von dieser Hilfsbereitschaft immer noch überwältigt. Die 38-Jährige spricht hervorragend Englisch, so wie die meisten Ukrainer und hatte zu Hause ein eigenes Business im Personalbereich. Sie, ihre beiden Kinder und die 60-jährige Mutter sind in Sicherheit.
Schwieriger Beginn und das lange Warten
„Wir waren am Anfang total niedergeschlagen“, erzählt Maria Vasylenka, denn nie hätten sie gedacht, ihre Heimat verlassen zu müssen. Der jüngere Sohn besucht den Kindergarten in Aftholderberg, der Ältere die Ramsbergschule. Die Jungs spielen gern Fußball, finden schnell Anschluss und der heute zehnjährige Illia spricht „perfekt Deutsch“, wie Mutter Maria berichtet. Sie nimmt am ersten Sprachkurs an der VHS in Pfullendorf teil, lernt Deutsch, erhält das B1-Zertifikat. Dann wird es schwierig, denn es gibt keinen Platz in einem B2-Kurs. „Es gibt lange Listen. Sie müssen warten“, gibt es monatelang vom Jobcenter als gleichlautende Auskunft.
„Wir sind Patrioten“
Die Zeit vergeht und immer stellt sich dieselbe Frage: Wie lange noch? Die kleine Familie ist in Sicherheit und in der Heimat warten fast keine Angehörigen und dennoch ist die Sehnsucht groß: „Die Ukraine ist unsere Heimat. Wir wollen dort leben, denn wir sind Patrioten.“ Dass sie solange in Deutschland, in Großschönach bleiben würden, war nie geplant. Maria Vasylenka macht auch klar, welche Belastung das Leben in der Fremde für ihre Kinder bedeutet. Die Jungs gehen in die Schule, müssen mit dem deutschen Unterricht klar kommen und nachmittags absolvieren sie via Online-Unterricht das Schulprogramm ihrer ukrainischen Heimat. Dabei werden sie von ihrer Großmutter Alla unterstützt, deren Alltag sich ansonsten auf Kochen, Putzen und Warten beschränkt. Sie kann sich mangels Sprachkenntnissen im Prinzip nur mit ihren drei Familienangehörigen unterhalten.
Großer Dank an alle Unterstützer
Familie Vasylenko ist es ein Bedürfnis, den Einwohnern von Großschönach für ihre Unterstützung zu danken, ebenso allen Menschen, die ihnen geholfen haben. Auf einem Zettel hat Maria Vasylenko die Namen von Menschen notiert, denen sie besonders dankbar ist, darunter die Rektorin der Ramsbergschule, Maria Baader, Hanne Berkler vom Kindergarten Märchenland in Aftholderberg, die Vermieterfamilie Möhrle sowie das Ehepaar Christina und Martin Schmid. „Was sie für uns, für meine Kinder getan haben, werden wir nie vergessen.“
Familie kehrt in den Kriegsalltag zurück
„Wir führen kein normales gesellschaftliches Leben“, macht Tochter Maria deutlich. Nie habe man gedacht, so viele Monate, ja Jahre außerhalb der Ukraine leben zu müssen. Wichtig war, dass die Kinder in Sicherheit waren, wobei in den vergangenen Monaten dennoch der Entschluss reifte, dass Familie Vasylenko zurückkehrt, in ihre Heimat, in ihr Haus und in den Krieg. Mutter und Großmutter wissen, dass sie in der Ukraine ein von Krieg geprägter Alltag erwartet: Schulen, die im U-Bahn-Schächten eröffnet wurden, nur wenige Stunden Strom, defekte Wasser- und Abwassersysteme bis hin zu Bombenalarm und Raketenangriffen.
Bei russischem Sieg droht enorme Flüchtlingswelle
Dennoch will die Familie am 1. August abreisen. Die zwei Frauen und zwei Jungs werden die Koffer packen und ihre sichere zweite Heimat verlassen, um zurückzukehren in ihr kriegsgeplagtes Land. „Wir wissen nicht, was morgen ist“, ist Maria Vasylenko hoffnungsvoll und überzeugt, dass die Ukraine den Krieg nicht verlieren und Russland keine Gebiete annektieren wird. Auf die SÜDKURIER-Frage, wenn das Undenkbare doch passiert, ist sie überzeugt, dass es eine große Fluchtwelle ihrer Landsleute gibt: „Denn kein Ukrainer will unter russischer Herrschaft leben.“