Kreis Sigmaringen – So spannend war die Kreistagswahl selten. Wie würde sich der bundesweite Negativtrend der CDU niederschlagen? Die Christdemokraten hatten bislang mit 22 Sitzen die absolute Mehrheit im 42-köpfigen Kreisparlament. Würde die SPD ihre fünf Sitze halten können und welchen Zuwachs würde es bei den Grünen geben? Sie waren bislang, wie die SPD, mit fünf Sitzen im Kreistag vertreten. Zweitgrößte Fraktion waren bislang die Freien Wähler mit neun Sitzen. Würden sie zulegen können?
Es war eine Wahl mit vielen Fragezeichen und mit so mancher Überraschung. Sicher ist: Im neuen Gremium wird nicht nur die AfD mit zwei Sitzen vertreten sein. Zudem werden bisherige Mitglieder fehlen. Gleich drei CDU-Bürgermeister haben es nicht mehr in den Kreistag geschafft. Holger Jerg aus Gammertingen kann sich zukünftig die Fahrten zu den Sitzungen sparen, sein Kollege Wolfgang Sigrist darf in Sauldorf bleiben. Auch nicht geschafft hat es Bürgermeister Peter Rainer aus Hohentengen. Dafür gibt es einige neue Bürgermeister im Kreistag. Marcus Ehm (Sigmaringen), Magnus Hoppe (Herbertingen) Philip Schwaiger (Sigmaringendorf) und Maik Lehn (Stetten a.k.M.) werden für die CDU im Gremium sitzen.
Sabine Hug ist Stimmenkönigin bei den Grünen
Nicht mehr dabei sind auch Rita Hafner aus Meßkirch (CDU) und Viktoria Gombold-Diels aus Vilsingen (CDU). Dafür haben die Grünen jetzt mit Hermann Brodmann aus Sigmaringendorf einen Pastoralreferenten in ihren Reihen, der auch noch „Fasnet“ kann. Ihre Stimmenkönigin ist Sabine Hug aus Illmensee, die ebenfalls die nun auf acht Köpfe angewachsene Fraktion verstärken wird. Neun Frauen werden im neuen Kreistag sitzen, davon alleine vier von den Grünen.
Absolute Mehrheit der CDU ist verloren
„Der Mainstream hat voll zugeschlagen“, machte Thomas Kugler deutlich. Er ist nicht nur Bürgermeister von Pfullendorf, sondern auch der Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kreistag. Und die hat nun ihre absolute Mehrheit verloren. Man habe diese aber nie ausgenutzt, ist der Kommunalpolitiker überzeugt. „Die Grünen haben manchmal gegen uns geschossen, aber da ging es wohl mehr um die Bürgermeister“, ist seine Einschätzung. Die meisten Beschlüsse habe man mit großer Mehrheit gefasst. Deshalb ist er auch überzeugt, dass sich die Arbeit im Kreisparlament nicht grundlegend ändern oder gar verschlechtern werde.

AfD erringt zwei Sitze
Dass die AfD zwei Sitze errungen hat, das kann Kugler nicht verstehen. „Man hat kein Bild von denen, die haben sich nirgends in der Kommunalpolitik profiliert. Da werden Namen in die Landschaft gesetzt und dann bekommen die ein paar Tausend Stimmen.“ Die Frustration ist unüberhörbar. Mit null Aufwand und ohne Konzept sei die AfD jetzt im Kreistag. Niemand kenne die Kandidaten. Aber er will sich jetzt erst mal überraschen lassen, sagt der Pfullendorfer Bürgermeister. „Wir sind nicht so parteitaktisch unterwegs wie in Stuttgart oder Berlin“, macht der Christdemokrat deutlich. Im Kreistag gehe es mehr um Sachfragen. Einfacher werde es aber sicher nicht. Man dürfe die AfD aber nicht einfach wegstecken, sondern müsse sich mit ihr auseinandersetzen.
Selbstkritisch stellte Kugler fest: „Wir als CDU haben zu vielen Fragen keine Antwort und keine Position, wenn es um große politische Zusammenhänge geht.“ Die Meinungsführerschaft sei der CDU abhandengekommen. Als Beispiel nennt er die Debatte um den Klimaschutz. Hier rede man nicht wie in Stuttgart und Berlin „aus dem Fenster hinaus“, sondern setzte durchaus Dinge auch um.
Als letzte Kommune meldete Sigmaringen ihr Ergebnis. Die Hoffnung von Thomas Kugler, dass die CDU doch noch 18 Sitze bekommen könne, erfüllte sich dann kurz vor 17 Uhr. Und das noch besser als erhofft: Mit 19 Sitzen ist zwar die absolute Mehrheit weg, aber der Verlust hält sich in Grenzen. Mit einem Minus von 9,6 Prozent ist die Kreis-CDU besser dran als viele Parteifreunde in anderen Regionen.
Freie Wähler erreichen ihr Ziel
Doris Schröter ist Bürgermeisterin von Bad Saulgau, der größten Stadt im Landkreis. Als Fraktionssprecherin der Freien Wähler ist sie mit dem Wahlergebnis nicht unzufrieden. „Unser Ziel war, mindestens das gleiche Ergebnis wie vor fünf Jahren zu erreichen – und das haben wir geschafft.“ Allerdings habe sie gehofft, dass das Ergebnis einen Tick besser werden würde. Immerhin habe man nicht den Abwärtstrend von CDU und SPD mitmachen müssen, weil man eben keine Partei sei.

Größeres Gewicht für ökologische Ausrichtung der Kreispolitik
Wird es Auswirkungen haben, dass die CDU ihre absolute Mehrheit verloren hat? Die Frage sei nicht leicht zu beantworten, sagt Schröter. Man habe schon sehr viele Weichen für Zukunftsprojekte gestellt. Der Spielraum für Neues sei relativ klein. Durch den Zuspruch, den die Grünen erhalten haben, geht sie davon aus, dass die ökologische Ausrichtung der Kreispolitik ein größeres Gewicht bekommen werde. Die fehlende absolute Mehrheit der CDU habe durchaus einen Charme, den man nicht von sich weisen könne.
Wie es die AfD in den Kreistag geschafft hat, ist für Schröter ein Rätsel. Die sei nirgends aufgetreten und man wisse eigentlich nicht, was für Ziele verfolgt werden. Sie hat Zweifel, ob es alleine Protestwählern zuzuschreiben ist, dass die Rechtspopulisten jetzt mit zwei Sitzen im Kreisparlament vertreten sind. „Ich finde es schade, dass jemand gewählt wird, der nur sagt, dass er alles anders macht und die, die sich Gedanken um Konzepte und Programme machen, ins Hintertreffen geraten. Nur dagegen zu sein, das ist ja kein Programm.“ Die Wahlbeteiligung findet Schröter gut. Mit über 50 Prozent müsse man heutzutage eigentlich zufrieden sein.
Zwei Sitze mehr wären besser
Richard Gruber aus Bad Saulgau ist seit 25 Jahren im Kreistag. Für den Sozialdemokraten ist es nicht erfreulich, dass die SPD in Zukunft nur noch vier Sitze im Kreistag haben wird. Dass die CDU ihre absolute Mehrheit verloren hat, das kommentiert er mit: „Gott sei Dank.“ Der Einzug der AfD in den Kreistag das ist für ihn „unglaublich“. Gruber hat selbst nicht mehr kandidiert. Vermutlich wird er eine Ehrung bekommen für 25 Jahre Kreistag. „Mir wären aber zwei Sitze mehr für die SPD viel lieber“, sagt er. Bundesweit sehe es für die SPD allerdings erschreckend aus.

Trotz intensiver Bemühungen war es am Montag nicht möglich, von den Grünen oder der FDP telefonisch eine Stellungnahme zum Abschneiden bei der Kreistagswahl zu bekommen. Von der AfD gibt es keine öffentlich zugänglichen Telefonnummern.