Sie haben vor 100 Tagen das Kommando übernommen – Wie haben Sie sich eingelebt?
Oberst Schoebel: Hervorragend, wobei ein Kommandeur leider keine 100 Tage Zeit hat, um sich einzuarbeiten. Vom Tag 1 gilt es, Entscheidungen zu treffen. Aber es wurde und wird mir leicht gemacht, denn ich habe ein eingespieltes Team mit fundierter Expertise vorgefunden. Es war selbstverständlich sehr arbeitsreich, mit vielen neuen Themen, mit denen ich mich rasch vertraut machen musste.
Die Staufer-Kaserne wird häufig als modernster Bundeswehrstandort bezeichnet – ist das Lob gerechtfertigt?
Oberst Schoebel: Absolut. Ich habe während meiner rund 38-jährigen Dienstzeit viele Kasernen im In- und Ausland kennengelernt und Pfullendorf ist tatsächlich deutschlandweit eine der modernsten Kasernen mit einer einmaligen Ausbildungs- und Unterkunftsinfrastruktur. Aber wir entwickeln unseren Standort immer weiter, sanieren Gebäude und ab 2026 beginnen wir mit dem Bau einer Indoor-Schießanlage.
Was ist das Besondere an dieser Anlage?
Oberst Schoebel: Wir nutzen zum einen Truppenübungsplätze, wo wir mit Gefechtsmunition schießen können, und hier am Standort haben wir das sogenante Maze-House, wo wir Farbgebungsmunition nutzen können. Es fehlt ein Platz, an dem wir leistungsstarke Übungsmunition verwenden können. Deshalb wird die neue Schießhalle gebaut, wo man auch Effekte wie Nebel, Geräusche oder das Schießen bei völliger Dunkelheit trainieren kann.
Können Sie nochmals die Besonderheit des Ausbildungszentrums Spezielle Operationen für militärische Laien erläutern?
Oberst Schoebel: Wir bilden hier keinen, nennen wir es Querschnittssoldaten, aus, sondern Spezialkräfte und spezialisierte Kräfte, die eine ganz besondere Ausbildung brauchen, da sie in Hochrisikoeinsätze geschickt werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass wir hier in einer Inspektion zusammen mit acht weiteren Nationen Soldaten der Spezialkräfte aus eine Vielzahl von NATO-Staaten ausbilden und von deren Erfahrungen profitieren und diese in die Ausbildung integrieren können. Und wir entwickeln uns dabei auch immer weiter, beispielsweise in der taktisch-medizinischen Ausbildung. Die Spezialkräfte absolvieren bei uns extrem hochwertige Lehrgänge, die bis zu einem Jahr dauern. Bei unseren höchstausgebildeten Einsatzsanitätern lautet der Auftrag lautet, auch in isolierten Lagen ohne ärztliche Versorgung Verwundete bis zu drei Tage am Leben zu erhalten. Notfallsanitäter, die unsere Ausbildung kennenlernen, attestieren uns immer wieder das Top-Niveau, das unsere Soldaten in der Ausbildung erhalten.
Seit dem Krieg in der Ukraine findet in der deutschen Gesellschaft ein Umdenken statt, was die Rolle des Militärs angeht – wie erleben Sie diese Veränderungen?
Oberst Schoebel: Ich habe zu Beginn meiner Laufbahn in den 90er Jahren, nach dem Ende des Kalten Krieges, quasi die gesellschaftliche Sinnkrise der Bundeswehr miterlebt. Damals wurde auch diskutiert, ob man überhaupt noch eine Bundeswehr benötigt. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine erleben wir eine elementare Veränderung. Es gibt ein deutlich gesteigertes Interesse an der Bundeswehr und immer mehr Menschen beschäftigen sich mit der Frage, was sie selbst für die Verteidigung des Landes leisten können. Der Rückhalt in der Gesellschaft für uns Soldaten hat sich deutlich verbessert und das ist auch wichtig, denn wir sollen im Ernstfall diese Gesellschaft mit unserem Leben verteidigen.
Wie hat sich Soldatenalltag beziehungsweise die Ausbildung seit Beginn des Ukraine-Krieges verändert?
Oberst Schoebel: Wir haben deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, sodass etwa die früher durchaus vorhandenen Defizite in der persönlichen Ausstattung beseitigt werden konnten.
Wir erleben, dass Drohnen, die für 1000 Euro produziert werden, hochmodernes und teures Militärgerät zerstört. Benötigt man überhaupt noch Großgerät wie Panzer?
Oberst Schoebel: Ich bin kein Drohnen- oder Panzerexperte, aber klar ist, dass wir diese aktuellen Erfahrungen in unsere Ausbildung integrieren. Für die militärische Operationsführung ist es nach meiner Überzeugung wichtig, von allem etwas zu haben. Klar ist, dass Drohnen den Krieg verändern, aber der Soldat mit seiner Handwaffe ist durch nichts ersetzbar. Eine Drohne kann beispielsweise kein Gelände nehmen oder halten.
Ihr Vorgänger, Oberst Schmand, hat stets vor der Bedrohung durch Russland gewarnt – wie ist Ihre Einschätzung?
Oberst Schoebel: Die Nato ist, militärisch gesehen, klar überlegen, was die Qualität der Ausrüstung und den Ausbildungsstand der Soldaten angeht. Die Frage ist, ob wir politisch und gesellschaftlich der Entschlossenheit eines Wladimir Putin etwas entgegensetzen können. Und hier ist die jahrzehntelange Sicherheit, dass uns die USA im Bündnisfall beistehen, stark erschüttert worden. Möglicherweise wird Putin die Verteidigungsbereitschaft der NATO im Baltikum irgendwann antesten. Deshalb müssen wir unsere Stärke nach außen unmissverständlich darstellen. Diesem Mann muss man mit Entschiedenheit und mit Stärke begegnet werden.
Welche Veränderungen meinen Sie?
Oberst Schoebel: Deutschland ist schon jetzt tagtäglich mit der hybriden Kriegsführung konfrontiert, aus Russland oder China, um nur zwei Länder zu nennen. Deshalb bin ich immer noch erstaunt, mit wieviel Naivität viele Menschen bei uns diese realen Gefahren als Vorstufe militärischer Maßnahmen ignorieren, verneinen oder unterschätzen.
Wie kann das Bewusstsein für die militärischen Zwänge verbessert werden?
Oberst Schoebel: Das Militär hat in Deutschland generell einen schwereren Stand als in Nachbarländern wie Frankreich oder Großbritannien, was sich eindeutig aus der Vergangenheit erklärt. Angesichts der Herausforderungen muss das Militärische bei uns aber wieder Normalität werden. Dazu könnte unter anderem gehören, dass Unternehmen ihre Mitarbeiten, die an Reserveübungen teilnehmen wollen, weniger Steine in den Weg legen.
Was kann die Staufer-Kaserne hier beitragen?
Oberst Schoebel: Wir haben die Verpflichtung, die Bevölkerung über unsere Arbeit zu informieren und einen authentischen Einblick zu gewähren, als einen Auftrag erkannt. Deshalb halten wir auch Kontakt mit gesellschaftlichen Gruppen und laden Sie zu uns in die Kaserne ein. Ich war jüngst im Besucherzentrum der Kaserne in Calw, das jeden Monat von rund 1000 Menschen besucht wird. Wir planen vor unserer Kaserne im Haus Linzgau eine ähnliche Ausstellung, in der wir unsere Kaserne, ihre Geschichte, den Soldatenalltag und die Leistungsfähigkeit der Menschen hier am Ausbildungszentrum zum Anfassen präsentieren wollen. Ich bin optimistisch, dass wir in 2026 diese Ausstellung für die Öffentlichkeit einweihen können.