Selbstbewusst, mit klarem Blick und einem gewinnenden Lächeln sitzt Nele Schmidt (28) im Café. Vor sich hat sie eine Tasse Cappuccino. Offen erzählt sie ihre Geschichte und warum sie in die Arbeitslosigkeit rutschte. Aus dieser Situation möchte sie raus, so bald als möglich. Judy Fleischer, Berufsberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit in Waldshut, hat ihr in einem sehr persönlichen Gespräch aufgezeigt, welche Möglichkeiten ihr mit abgeschlossenem BWL-Studium auch außerhalb dieses Bachelor-Abschlusses offenstehen. „Brüche in Biografien sind heute keine Ausnahme mehr“, erklärt die Berufsberaterin, die selbst über Umwege zum Arbeitsamt kam.
Plötzlich verspürt sie starken Druck
Nele Schmidt war nach ihrem Studium fünf Jahre in der Immobilienbranche tätig. Die Beratung von Kunden, das direkte Gespräch, das war genau das, was sie wollte. „Dass ich krank werde, deutete sich schon 2024 an. Im privaten Umfeld gab es Veränderungen, was sich auf meine Leistung bei der Arbeit negativ auswirkte, ich spürte plötzlich den Druck“, erzählt die junge Frau.
Sie war ausgelaugt, erschöpft, ging freiwillig in eine Klinik, um sich behandeln zu lassen. Ihr Arbeitgeber musste sich durch ihren längeren Ausfall neu aufstellen und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Nele Schmidt. „Das war keine Schocknachricht für mich, ich war sogar erleichtert“, erzählt sie. Nun hatte sie Zeit, sich zu reflektieren. Eine Sozialberaterin gab ihr in der Klinik den Tipp, sich an das Arbeitsamt zu wenden. „Ich bin dann zu einem dieser offenen Angebote gegangen, habe aber schnell festgestellt, dass ich hier falsch bin.“
In Klinik gewinnt sie Vertrauen in eigene Stärken
Der Klinikaufenthalt hatte ihr gezeigt, dass sie Vertrauen in die eigenen Stärken haben kann. „Ich erkannte, welche Werte mir wichtig sind, welche Rahmenbedingungen zu mir passen müssen.“ Für sie ist klar, dass sie mehr Unabhängigkeit möchte, deshalb auch aus der Wohnung bei ihren Eltern ausziehen will. Auch beruflich möchte sie nicht mehr ortsgebunden sein. Sie hat klare Vorstellungen, was beim künftigen Arbeitgeber passen muss: „Weil ich einen kleinen Hund habe, ist mir ein hundefreundliches Büro oder die Möglichkeit für Homeoffice wichtig.“
Neue Perspektiven, aber auch Rückschläge
Wo der berufliche Weg sie hinführen soll, dafür war sie immer offen – spätestens aber nach dem intensiven und sehr individuellen Beratungsgespräch bei Judy Fleischer sieht sie klarer, wohin er sie führen soll. Plötzlich taten sich für Nele Schmidt neue Perspektiven auf. Sie konnte ihr Profil auf eine Onlineplattform der Arbeitsagentur stellen. So können Unternehmen ohne Umwege mit ihr Kontakt aufnehmen, ohne dass sie Bewerbungen schreiben muss. Aber sie erlebte auch Rückschläge: Immer, wenn sie bisher selbst aktiv wurde, kamen Absagen.
„Ich kann gut mit Menschen umgehen, arbeite gern in einem Team und bin ein Organisationstalent“, diese Rückmeldung über ihre Stärken bekommt sie auch aus ihrer Familie und von Freunden. Also machte sie ein Praktikum in einer Praxis für Ergotherapie. Dort hatte sie zwar Kontakt mit Menschen, Beziehungen zu den Patienten konnte sie in den kurzen Behandlungszeiten aber nie aufbauen. „Das war für mich wie am Fließband, jede halbe Stunde ein neuer Patient.“
Melanie Payer, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Lörrach, erklärt dazu, Praktika seien eine gute Möglichkeit, in eine Sparte Einblick zu erhalten. Selbst wenn das Praktikum zeige, dass es nicht die passende Sparte ist. „Es gehört schon Mut dazu, sich beruflich umzuorientieren.“
Für Nele Schmidt ist die Neuorientierung eine Chance: „Die sehr persönliche Beratung bei Judy Fleischer hat mir gezeigt, wie man zum Ziel kommen kann. Ich will wieder arbeiten, traue mir jetzt viel mehr zu, aber es muss für mich passen.“ Sie ist ungebunden, was ihre künftige Tätigkeit und die Branche betreffen. Auf diesen Weg hat sie die spezialisierte Beratungsstelle in Waldshut geführt. Das Coaching und der Klinikaufenthalt haben ihr neues Selbstbewusstsein und neuen Mut gegeben: „Auch meine Eltern wissen jetzt, dass ich meinen Weg gehen werde!“
Rat: Man soll sich etwas zutrauen
Anderen Menschen, die in eine ähnliche Situation geraten, aus der sie selbst gerade einen Weg zurück ins Arbeitsleben sucht, rät sie, sich erst einmal zu reflektieren, sich Gedanken zu machen, welches Berufsfeld zu einem passe und man sollte sich etwas zutrauen. Eine Beratung bei der Agentur für Arbeit könne hier eine wertvolle Hilfe bei der Neuorientierung sein.
Nun liege es an ihr selbst, den nächsten Schritt zu gehen. Das nötige Selbstvertrauen und die Motivation, sich neuen Herausforderungen zu stellen, hat sie jedenfalls, davon ist auch die Berufsberaterin überzeugt. Noch ist die junge Frau mit abgeschlossenem Studium ohne Arbeit. Das könnte sich aber schon bald ändern. Sie wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. „Ich fand es richtig gut, dass ich mich mit einem Video vorstellen konnte. Meinen kleinen Hund habe ich gleich mit ins Bild gesetzt.“ Diese Art der Bewerbung passe sehr gut zu ihr. Hier könne sie sich authentisch und persönlich präsentieren – anders als bei einer schriftlichen Bewerbung, die wenig über die Persönlichkeit eines Bewerbers aussage.
Sie blickt nun wieder mit großer Zuversicht in die Zukunft, ist sich aber auch klar: „Wenn die Kündigung nicht gekommen wäre, hätte ich sicher nicht den Mut gehabt, mich beruflich neu zu orientieren!“
Berufsberatung im Erwerbsleben
Die Agentur für Arbeit bietet Beschäftigten professionelle, neutrale Beratung zur beruflichen Entwicklung an. Die Themen sind so vielfältig wie die Menschen, heißt es auf der Internetseite der Agentur. Es gehe um Meschen, die sich beruflich weiterentwickeln oder nach einer Veränderung suchen.
- Die Kunden: Das Beratungsangebot gilt für Erwerbstätige und Arbeitssuchende auch ohne Berufsausbildung oder geringer Qualifikation. An solche Menschen, die sich neu oder umorientieren möchten, solche, die sich beruflich weiterentwickeln wollen oder Personen, die neu in einen Beruf einsteigen oder Wiedereinsteigen möchten.
- Die Beratung: „Diese Möglichkeit gibt es schon seit einigen Jahren, ist bisher aber weniger bekannt“, sagt Melanie Payer, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Lörrach. Dieses Angebot wende sich an alle, die sich in einem sich stetig verändernden Arbeitsmarkt neu orientieren möchten. Bei der etwa einstündigen Beratung werden Wege für eine Umorientierung, Weiterbildung oder Qualifizierung im persönlichen Gespräch gemeinsam erarbeitet. Anschlussberatungen sind möglich, sagt Beraterin Judy Fleischer, die in der Außenstelle Waldshut tätig ist. Die Beratungszeiten und Orte sind flexibel und richten sich nach den Bedürfnissen der Menschen.
- Die Vorteile: Die persönliche Beratung bietet einen Überblick über den Arbeitsmarkt und aktuelle Entwicklungen, zu Weiterbildung, den beruflichen Aufstieg, Neu- oder die Umorientierung. Sie gibt Hilfe und Unterstützung bei der Wahl einer geförderten Weiterbildung über Qualifizierungsangebote, bei denen der Arbeitgeber einbezogen werden kann. Kontakt: Telefon 0721 / 823 2555. E-Mail: (oberrhein.bbie@arbeitsagentur.de).