Mariaberg ist ein diakonischer Träger für soziale Dienste mit Angeboten für Menschen mit Behinderung und sozialer Benachteiligung vom Kindes- bis zum Seniorenalter. Diese Aussage im Jahresbericht 2022 spiegelt das Selbstverständnis und den Auftrag wider, dem die Einrichtung mit 1750 Beschäftigten in vielen Projekten nachkommt. Hauptstandort und Verwaltungssitz befindet sich in Mariaberg – auf einem Felsen hoch oben über der Lauchert. Das Vorstandsduo Rüdiger Böhm und Michael Sachs nutzt den Jahresbericht, um auf die enormen Herausforderungen hinzuweisen, mit denen auch das Sozialunternehmen konfrontiert wird – die Preissteigerungen, die schwierigen Liefersituationen durch die Corona-Pandemie und die explodierenden Energiepreise.
Impfpflicht führt zu Unruhe
Die Corona-Pandemie hatte auch die Einrichtung auf dem Felsen und darüber hinaus auch ihre Außenposten im Griff. Die staatlich verordnete Impflicht hat nach Angaben von Betriebsratschef Stefan Thiergärtner zu zusätzlicher Unruhe geführt. In Mariaberg haben die Verantwortlichen eine eigene Strategie entwickelt und letztendlich sei es gelungen, dass keinem der Mitarbeitenden ein Betreuungsverbot ausgesprochen wurde. „Dies wäre beim aktuellen Personalmangel auch verheerend gewesen“, macht der Arbeitnehmervertreter klar.
Umfangreiche Maßnahmen zum Energiesparen verwirklicht
„Das besonders schwierige an dieser schwierigen Situation ist, dass unsere Möglichkeiten, hier wirksam und nachhaltig gegenzusteuern, leider sehr begrenzt sind“, machen Rüdiger Böhm und Michael Sachs klar. Man habe umfangreiche Energiesparmaßnahmen umgesetzt und sei dankbar für die staatlichen Soforthilfen und Unterstützungspakete, aber letztlich kompensierten diese Gelder die erhöhten Storm- und Gaspreise nur zu einem kleinen Teil. Für 2023 und 2024 werden deutliche Mehrkosten erwartet, wobei die Kostenträger, mit denen man in Verhandlungen stehe, bislang nicht bereits seien, diese Unternehmensbelastungen durch entsprechende Refinanzierungen aufzufangen.
Enormer Aufwand für Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes
Auch die Umsetzung des so genannten Bundesteilhabegesetzes, das die Eingliederungshilfe betreffe, sei mit enormem Aufwand verbunden. Unklar sei, ob man bei einem Start 2024 auch das benötigte Geld auf dem Konto haben werde: „Es ist nur zu hoffen, dass die Umstellung zum Stichtag gelingt und funktioniert.“

Wie viele Unternehmen kämpft Mariaberg auch mit dem Fachkräftemangel. In Mariaberg hat die Personalknappheit dazu geführt, dass zwei Angebote im Bereich Jugendwohnen eingestellt werden mussten. Besonders schwierig ist die Situation bei der medizinischen Versorgung der Bewohner. So scheitert die Suche nach einem Allgemeinmediziner für das Medizinische Versorgungszentrum seit Jahren und Hilfe von staatlicher Seite sind zum Bedauern der Verantwortlichen bislang Fehlanzeige.
Aber auch in Bereichen wie Wäscherei oder Fahrdienst fehle es an Personal. Man versuche viel, aber ohne entsprechende staatliche Initiativen und Unterstützung werde man keine nachhaltige Verbesserung erreichen. „Unser Land muss eine passende Antwort auf die Frage finden, was uns ein solches soziales System wert ist und auf was wir im Gegenzug dafür zu verzichten bereit sind“, formulieren Rüdiger Böhm und Michael Sachs zum Ende ihres Jahresberichts.
Einrichtung besteht seit 176 Jahren
- Der Ortsteil von Gammertingen hat rund 500 Bewohner. Das zentrale ehemalige Klostergebäude ist heute der Verwaltungssitz der ursprünglich von Rösch gegründeten, 1966 in „Mariaberger Heime“ umbenannten Einrichtung für ambulante und stationäre Hilfen für Menschen mit unterschiedlichen geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderungen aller Altersgruppen. Nach 1945 wurde die Einrichtung Mitglied des Diakonischen Werkes Württemberg.
- Am 1. Mai 1847 hatte der Uracher Oberamtsarzt Carl Heinrich Rösch mit einer Gruppe von als geistig behindert geltenden jungen Menschen und Betreuungspersonal das vormalige Kloster Mariaberg bezogen und die „Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg“ gegründet. Als Anhänger der demokratischen Bewegung verlor Rösch nach der Niederschlagung der bürgerlichen Revolution von 1848/1849 seine Reputation bei seinem formellen Auftraggeber, dem württembergischen Königshaus, und emigrierte 1853 in die Vereinigten Staaten. Die Behinderteneinrichtung in Mariaberg blieb jedoch bestehen und wurde von seinen Nachfolgern ausgebaut.
- Mariaberg gilt als älteste Komplexeinrichtung der Behindertenhilfe in Deutschland, die von Beginn an einen über eine bloße „Verwahranstalt“ hinausgehenden Ansatz hatte. Dieser Ansatz beinhaltete bei der Gründung im 19. Jahrhundert einen damals revolutionären Anspruch der Behindertenbetreuung und -Förderung auf medizinisch-wissenschaftlicher Grundlage – mit Angeboten der Beschulung, der Beschäftigung und des Wohnens.
- Mariaberg 2022: In den einzelnen Geschäftsfeldern, wie Fachkrankenhaus, Hilfen nach Maß, Textilservice, Ausbildung & Service GmbH oder Mariaberg e.V., waren zum Jahresende 2022 rund 1750 Mitarbeiter beschäftigt. Der Jahresumsatz erhöhte sich um fünf Millionen auf 108,81 Millionen Euro. Die Personalkosten schlugen mit 73,73 Millionen Euro zu Buche; vier Millionen Euro mehr als 2021. In der Eingliederungs- und Jugendhilfe gab es 635 Wohnplätze, dazu 366 Plätze in Werkstätten. 466 Patienten wurden in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie betreut, dazu gab es 2351 ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungen sowie 8451 Behandlungen in Praxen für Ergotherapie und Logopädie. 161 Mal waren Familien mit Kindern in der Frühförderung; es wurden 182 Schulplätze im sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum angeboten.