Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart bei der juristischen Aufarbeitung der Alno-Pleite im Jahr 2017 gegen neun Personen Anklage erhebt, unter anderem wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung bis hin zu Betrug. Das Landgericht Stuttgart prüft nun in einem so genannten „Zwischenverfahren“, ob tatsächlich ein Hauptverfahren eröffnet wird, wie der Matthias Merz, Vorsitzender Richter am Landgericht der Landeshauptstadt, auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte.
Prüfung verläuft in einem nicht öffentlichen Zwischenverfahren
„Weitere Einzelheiten, insbesondere zu den angeschuldigten Personen und dem Verfahrensgegenstand, kann ich Ihnen derzeit nicht nennen, da sich das Verfahren im nichtöffentlichen Zwischenverfahren befindet“, erläutert Merz. Eine Einschätzung über den voraussichtlichen zeitlichen Verlauf des Strafverfahrens sei gleichfalls nicht möglich, da im Zwischenverfahren auch geprüft werde, ob und in welchem Umfang die Anklage zur öffentlichen Hauptverhandlung zugelassen werde. Für diese Eröffnungsentscheidung gibt keine feste Frist, und deshalb könne er auch zu möglichen Terminen für eine öffentliche Hauptverhandlung nichts sagen.
Unternehmensgruppe Hastor hat Ex-Alno-Vorstandsduo schon verklagt
Bekanntlich hat die Unternehmensgruppe Hastor als ehemaliger Mehrheitseigner der Alno AG vor drei Jahren eine Schadenersatzklage gegen das damalige Vorstandsduo Max Müller und Ipek Demirtas erhoben, bei der eine Schadenssumme von 60 Millionen Euro beziffert wurde. Auf die SÜDKURIER-Frage, ob diese Klage auch Bestandteil des Prüfverfahrens am Landgericht Stuttgart sei, macht Richter Merz deutlich, dass es sich hierbei um ein Strafverfahren handele, in dem es in der Regel nicht um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gehe. Eine vor Jahren erhobene Zivilklage werde im Strafprozess nicht mit verhandelt oder entschieden: „Ob eventuell identische oder ähnliche Sachverhalte in beiden Verfahren eine Rolle spielen, entzieht sich meiner Kenntnis und muss gegebenenfalls einer eventuellen Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.“ Er könne auch keine Aussage zu möglichen Verdachtsmomenten für die Anklage und deren Herkunft treffen, da sich das Verfahren im nichtöffentlichen Zwischenverfahren befinde. „Auch über den Stand möglicherweise laufender Insolvenzverfahren und die Chancen potenzieller Gläubiger/Geschädigter, mögliche Forderungen durchzusetzen, kann ich keine Aussage treffen.“
Insolvenzverwalter arbeitet seit sechs Jahren die Vergangenheit auf
Als Insolvenzverwalter wurde 2017 vom zuständigen Gericht in Hechingen der Anwalt Professor Martin Hörmann von der Anchor Rechtsanwaltsgesellschaft mbH eingesetzt. Anchor ist ein Hybrid aus Anwaltskanzlei und Unternehmensberatung. Mit 15 Standorten und rund 150 Mitarbeitern in den Bereichen Insolvenz und Sanierung ist das Unternehmen deutschlandweit eine der großen Restrukturierungseinheiten.
Insolvenzverfahren bei der Pino Küchentechnik erfolgreich
Auf Anfrage des SÜDKURIER erläutert Julia Range, Leiterin Marketing und Kommunikation, den Sachstand des Insolvenzverfahrens der Alno AG, die vorab darauf hinweist, dass sich auch hierbei um ein nicht nichtöffentliches Verfahren handele, und man nur eingeschränkt Auskünfte erteilen könne. Ein Schwerpunkt dieses Insolvenzverfahrens lag demnach bei der Aufarbeitung der Vorgänge aus der Vergangenheit: „Hier wurden zu Gunsten der Insolvenzgläubiger bislang zahlreiche Haftungs- und Rückgewähransprüche erfolgreich geltend gemacht.“ Keine Antwort gibt es auf die SÜDKURIER-Frage, wie hoch denn diese Schadenssumme ist. Der Insolvenzverwalter verfolgt nach Angaben der Anchor-Sprecherin auch Ansprüche gegenüber früheren Organen der Alno-Gruppe, wie Vorstand und Geschäftsführer. Nachdem diese zivilprozessualen Verfahren noch nicht abgeschlossen seien und weiter andauerten, könne man aktuell leider keine weiteren Informationen erteilen. Die Insolvenzgläubiger der Alno können mit einer quotalen Befriedigung rechnen, deren Höhe allerdings noch nicht feststehe. In der Insolvenz der Alno-Tochtergesellschaft Pino Küchentechnik GmbH konnte der Insolvenzverwalter nach Angaben von Julia Range an die Insolvenzgläubiger eine Quote von 100 Prozent auskehren, sprich Forderungen der Gläubiger erfüllen.
Durchsuchungen bei Personen und in der früheren Firmenzentrale
Vor fünf Jahren hatte „econo – das Portal für den Mittelstand“ darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen 17 Beschuldigte wegen der möglichen Insolvenzverschleppung im Zuge der Pleite der Alno AG ermittle, und zwar gegen ehemalige Mitglieder des Vorstandes der AG sowie gegen Geschäftsführer der Töchter Pino Küchen, Casawell Service und Alno Logistik & Service. Zudem habe es bereits Durchsuchungen gegeben: Im März seien auch die Firmenzentrale in Pfullendorf gesichtet und dabei seien 1200 Ordner sowie 50 Terabyte elektronische Daten sichergestellt worden. Zudem habe es im Juni Durchsuchungen von zwei Privatwohnungen in der Schweiz gegeben, wo der ehemalige Vorstandschef Max Müller sowie Ex-Finanzchefin Ipek Demirtas ihren Wohnsitz haben.