Krause Glucke oder Spitzgebuckelter Raukopf sind keine kreativen Schimpfwörter, es handelt sich um Pilze. Der eine ist ein beliebter Speise-, der andere ein gefährlicher Giftpilz. Vereinfacht gesagt: Wer sich auskennt, lebt länger. Was auf den ersten Blick wie ein leckerer Champignon aussieht, kann sich als Carbol-Egerling entpuppen. Eine Familie musste nach dem Verzehr des giftigen Doppelgängers vor Kurzem mit heftigen Bauchkrämpfen ins Sigmaringer Krankenhaus eingeliefert werden.

Beratung im Umweltzentrum

„Der Carbol-Egerling wird nach dem Abschneiden am Fuß sofort schwefelgelb“, weiß der Pilzsachverständige Siegfried Franz. Wer auf Nummer sicher gehen will, der kann ihm montags von 16.30 bis 17.30 Uhr im Umweltzentrum der BUND-Ortsgruppe Sigmaringen seine Fundstücke zeigen. Wichtig: Den ganzen Pilz mitbringen. Auch ist es hilfreich, dem Pilzberater mitzuteilen, an welchem Standort der Pilz gefunden wurde.

Der nicht essbare Sparrige Schüppling gilt als Doppelgänger einiger Hallimasche.
Der nicht essbare Sparrige Schüppling gilt als Doppelgänger einiger Hallimasche. | Bild: Johanson, Kirsten

So hat es Martin Binder aus Göggingen gemacht. In seinem Korb liegen lauter Perlpilze. „Der Perlpilz ist essbar, aber kein Anfängerpilz“, erklärt Pilzexperte Siegfried Franz. Verwechslungsgefahr besteht nämlich mit dem giftigen Pantherpilz. Beim leicht kenntlichen und wohlschmeckenden Semmelstoppelpilz oder der Krausen Glucke sind Verwechslungen so gut wie ausgeschlossen.

Klimawandel macht sich bemerkbar

Jetzt im Herbst ist die perfekte Zeit zum Pilze sammeln. Aber: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Pilzsaison 2023 eher mäßig und das Angebot an Pilzen in den Wäldern des Landkreises Sigmaringen lange nicht so üppig. „Wir hatten Ende August eine Regenperiode, es war feucht und warm – eigentlich gute Bedingungen, so ganz erklären kann ich mir das auch nicht“, sagt der Pilzsachverständige Siegfried Franz.

Eine Sammlerin brachte diese Exemplare ins Umweltzentrum in die Burgstraße in Sigmaringen: Grauer Wulstling, Perlpilz und ...
Eine Sammlerin brachte diese Exemplare ins Umweltzentrum in die Burgstraße in Sigmaringen: Grauer Wulstling, Perlpilz und Schmetterlingstramete (von links) | Bild: Johanson, Kirsten

Nach Pfifferlingen brauche man im Landkreis nicht wirklich suchen, denn der Boden ist in der Region nicht sauer genug. Der vergleichbare Goldstielige Leistling bevorzugt Kalkboden, doch auch hier hält man vergeblich Ausschau. „Bis 2018 kam er bei uns massenhaft vor, doch jetzt wächst nichts mehr. Ich vermute, die Pilzgeflechte sind aufgrund der Klimaveränderung vertrocknet“, so Franz.

Steinpilze wachsen nahe Sigmaringen

Dennoch lohnt es sich, Messer und Körbchen zu schnappen und loszuziehen. Mit etwas Glück entdeckt man Parasolpilze, Maronen oder Schopf-Tintlinge. „Wir haben viel Wald und artenreiche Waldbiotope, Steinpilze wachsen sogar in der Nähe der Stadt Sigmaringen“, berichtet Franz.

Der Schwefelporling ist jung genießbar und erinnert geschmacklich an Hühnchenfleisch. AKtuell fotografiert in Ludwighafen am Bodensee, ...
Der Schwefelporling ist jung genießbar und erinnert geschmacklich an Hühnchenfleisch. AKtuell fotografiert in Ludwighafen am Bodensee, aber auch schon in der Fuchshalde in Pfullendorf gesichtet. | Bild: Johanson, Kirsten

Nachtfröste reduzieren die Anzahl an Pilzen, doch auch im November und Dezember gibt es durchaus noch Arten, die man sammeln kann, darunter Austernseitlinge oder Samtfußrüblinge, so der Pilzsachverständige.

Eine aktuelle Aufnahme aus einem Waldstück bei Denkingen: Die Krause Glucke ist ein hervorragender Speisepilz und wächst gerne am Fuß ...
Eine aktuelle Aufnahme aus einem Waldstück bei Denkingen: Die Krause Glucke ist ein hervorragender Speisepilz und wächst gerne am Fuß von Kiefern. | Bild: Johanson, Kirsten

Tipps und Informationen für Pilzsucher

  • 10.000 Pilzarten gibt es in Mitteleuropa, von denen 200 Arten essbar und 150 giftig sind. Tödlich giftig sind zwischen zehn und 20 Arten. Hinter mehr als 90 Prozent der Todesfälle steckt der Grüne Knollenblätterpilz. Sein Gift zerstört die Leber. Im Landkreis Sigmaringen kommt er nicht so häufig vor, eher im Hegau und am Bodensee.
  • Bei Verdacht, giftige Pilze gegessen zu haben, gleich zum Arzt. Kein Erbrechen herbeiführen. Die meisten Giftpilze sind Magen-Darm-giftig und verursachen Brechdurchfall. Der Spitzgebuckelte Raukopf ist Nieren-giftig. Hier kann es passieren, dass die Symptome erst bis zu drei Wochen nach Verzehr auftreten und man diese nicht mehr mit der Pilzmahlzeit in Verbindung bringt. Der Pantherpilz kann neurologische Symptome wie verwaschene Sprache, Gleichgewichts- und Gehstörungen verursachen.
  • Im Wald besteht freies Betretungsrecht, allerdings nicht nach Einbruch der Dunkelheit.
  • Die Erfolgschancen für Pilzsammler sind höher, wenn der Waldboden moosreich ist. Nicht so ideal: stark verkrautete, mit Brombeerhecken überwucherte Bereiche.
  • Pilze herausdrehen oder abschneiden. Wer sich sicher ist, kann den Pilz gleich im Wald putzen, dann verbleiben die Sporen dort.
  • Der Pilzschutz sieht vor: Pro Person und Tag nicht mehr als ein Kilogramm sammeln. In den Nachbarländern gelten zum Teil andere Regeln.
  • Orientierung behalten, damit man auch wieder aus dem Wald herausfindet; nach den heftigen Stürmen in diesem Jahr auf Astbruch achten.
  • Wer sich weiterbilden will: Die Volkshochschule Inzigkofen bietet Bestimmungskurse für Anfänger und Fortgeschrittene an, die Kurse sind immer schnell ausgebucht.