Mit „40 + 1“ betitelte der Landfrauenverband Württemberg-Hohenzollern seine Veranstaltung in der Sigmaringer Stadthalle am Samstag. Corona-bedingt war die Feier zum 40-jährigen Bestehen um ein Jahr verschoben worden, wie Verbandspräsidentin Juliane Vees bei der Eröffnung sagte. Unter den Gästen waren auch die EU-Abgeordnete Marlene Mortler, die die Festansprache hielt, Agrarminister Peter Hauk sowie Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes und des Landesverbandes Baden-Württemberg. Eigens aus Berlin angereist war die Präsidentin des deutschen Landfrauenverbandes, Petra Bentkämper, die sich mit Sigmaringens Landrätin Stefanie Bürkle, Juliane Vees und Professorin Dr. Ute Mackenstedt, Vorsitzende des Landesfrauenrats BW, am Nachmittag in einer Talkrunde den Fragen von Moderatorin Stephanie Lange stellte.

Volles Haus beim Verbandsjubiläum des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern in der Stadthalle Sigmaringen.
Volles Haus beim Verbandsjubiläum des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern in der Stadthalle Sigmaringen. | Bild: Susanne Grimm

Bundesverdienstkreuz für Juliane Vees

Auch der Hausherr, Bürgermeister Dr. Marcus Ehm, hieß die Gäste willkommen, sowie die „Hausherrin“ des Kreisfrauenverbandes Biberach-Sigmaringen, Doris Härle, die auch Stellvertreterin des Landfrauen-Verbandes ist. Ein besonderer Höhepunkt der Veranstaltung war zweifellos die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande durch Minister Peter Hauk an Juliane Vees. Dass die Landfrauen wirklich Grund zum Feiern haben und stets „am Puls der Zeit sind“, hob nicht nur Vees hervor. Das betonte auch Rukwied, der ihre Mitarbeit im Bauernverband als „kritisch-konstruktiv“ bezeichnete. Er befand, dass die Frauen Mitunternehmerinnen in ihren Betrieben seien, was sich auch in der Rechtsform widerspiegeln sollte. Er ermunterte die Frauen, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit ihren Männern einzugehen, um gleichberechtigte Partnerin zu werden.

Juliane Vees, Präsidentin des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern, erhielt das Bundesverdienstkreuz.
Juliane Vees, Präsidentin des Landfrauenverbandes Württemberg-Hohenzollern, erhielt das Bundesverdienstkreuz. | Bild: Susanne Grimm

Ideenfindung nicht aus „urbanen Blasen“

„Die Landfrauen sind das Rückgrat der landwirtschaftlichen Betriebe, das ohne sie zerbrechen würde“. Er rief auf, alles dafür zu tun, dass der ländliche Raum wieder mehr Gewicht bekommt und sich die Ideenfindung „nicht ständig aus urbanen Blasen speist“. Gemeinsamkeit und das Besinnen auf eigene Ressourcen sei das Gebot der Stunde, was die Landfrauen schon immer praktiziert hätten. Mit Blick auf den Krieg und die drohende Hungerskatastrophe appellierte er an die EU, die vorhandenen Möglichkeiten zum Getreideanbau zu nutzen „und den kaufkräftigen Markt vor der eigenen Haustür zu fördern“.

Mortel listet Versäumnisse auf

Festrednerin Marlene Mortler, Mitglied des Europaparlaments und Präsidentin des Bayerischen Bäuerinnenverbandes, zitierte Goethe: ...
Festrednerin Marlene Mortler, Mitglied des Europaparlaments und Präsidentin des Bayerischen Bäuerinnenverbandes, zitierte Goethe: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll!“ | Bild: Susanne Grimm

Auch Festrednerin Marlene Mortler fand treffende Worte. „Die Folgen des brutalen, terroristischen Angriffskriegs auf die Ukraine dürfen wir ausbaden!“, deshalb sei die Verleihung des Kandidatenstatus an die Ukraine „mehr als eine symbolische Geste“, sagte die EU-Politikerin. Die fünf großen Herausforderungen, vor der die Welt nun steht, seien die Folgen der Pandemie-Krise, die mit abstruser Meinungsmache die ohnehin verunsicherte Gesellschaft weiter gespalten habe. Zum zweiten habe der Krieg die nationale Verteidigung bloßgestellt: „Wir können uns im Falle eines Falles gerade mal zwei Stunden verteidigen!“ Eine weitere Schwachstelle sei die Cybersicherheit – „da sind wir sehr schlecht aufgestellt“. Die vierte Baustelle sei die Energieversorgung: „Die Energiekrise hat uns kalt erwischt, deshalb darf es hier keine Denkverbote geben“. Ein Baustein könnte die Optimierung und Flexibilisierung des Biogassektors sein, beispielsweise mit kleinen dezentralen Lösungen und dem Verwerten der Rückstände, die bei der Futter- und Lebensmittelherstellung anfallen. „Ich will mich nicht abfinden mit dem Spruch: Geht nicht“.

Gegen Stilllegung von Flächen

Womit sie zum fünften Punkt, der Nahrungsmittelsicherheit kam, ein Thema, das sie sichtlich bewegte. „Wir versündigen uns, wenn wir nicht alles tun, um den von den ukrainischen Getreidelieferungen abhängigen Menschen zu helfen“. Und weiter: „Es ist unsere Aufgabe, die Nahrungsproduktion zu optimieren“. Sie sprach sich vehement gegen die Vorgaben aus, vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen aus Naturschutzgründen stillzulegen.

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Mortler stammt ebenso wie Vees aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und ist Präsidentin des Bayerischen Bäuerinnenverbands. „Vieles von dem, was jetzt neu propagiert wird, gehören bereits zum Alltag der Höfe, manches stammt sogar aus deren täglicher Arbeit“, so der Tenor beider Rednerinnen. Verantwortung für Mensch und Tier, Regionalität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Ehrenamt, Netzwerk, Teamwork, Bildung, Alltags- und Sozialkompetenz, Zusammenhalt – das seien nur einige der Fähigkeiten und Eigenschaften, die zum täglichen Tun der Landfrauen gehören und die sie immer schon gepflegt hätten.

Intelligente und humorvolle Beiträge

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Toller Vortrag von Denise Maurer zum Thema „Starke Frauen im ländlichen Raum. Sie sagt: „Die Erziehung zum Veilchen im Moose und der Warnung zu sein wie die Rose, die immer bewundert will sein, ist Bullshit!!“ | Bild: Susanne Grimm

Mit intelligent-humorvollen Beiträgen nahm die Keynote-Speakerin Denise Maurer das Thema starke Frauen und Gleichheit aufs Korn, während Marlies Blume alias Heike Sauter sich des Themas auf kabarettistische Weise annahm. Für musikalische Glanzpunkte sorgte die Allgäuer Laienmusikerin Johanna Endres mit der Gitarre und einer außergewöhnlichen Stimme.

Laienmusikerin Johanna Endres aus Eglosz im Allgäu begeisterte mit ihrer grandiosen Stimme.
Laienmusikerin Johanna Endres aus Eglosz im Allgäu begeisterte mit ihrer grandiosen Stimme. | Bild: Susanne Grimm