Am selben Tag, an dem auch im SÜDKURIER eine Stellungnahme von Ärzten aus der Raumschaft Bad Saulgau veröffentlicht wurde, in der 36 Mediziner massive Kritik an der geplanten Schließung des Krankenhauses Bad Saulgau und die Umnutzung des Krankenhauses Pfullendorf übten, fand im Landratsamt ein kurzfristig anberaumtes Pressegespräch statt. In ihrem Statement erklären die Ärzte, dass sich große Sorgen um die Zukunft der medizinischen Versorgung in der Raumschaft machen, denn es gebe keine konkreten, praxistauglichen Vorstellungen, wie nach der Umsetzung der Zentralisierungspläne der Kliniken GmbH die Grundversorgung gewährleistet werden könne. Angesichts der ohnehin schon sehr angespannten Versorgungssituation in Bad Saulgau sei es völlig ausgeschlossen, dass die wenigen Hausärzte auch nur kleine Anteile der chirurgischen Behandlungen, die aktuell in der chirurgischen Ambulanz des Krankenhauses durchgeführt würden, übernehmen könnten.
Klare Botschaft von Landrätin
Beim Pressegespräch waren auch Dr. Stefanie Ullrich-Colaiacomo als Vertreterin der Kassenärztlichen Vereinigung und Dr. Bettina Boellaard, Vorsitzende der Kreisärzteschaft. Sie hatte die Stellungnahme auch unterzeichnet.
Das Podium komplettierten SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust und Landrätin Stefanie Bürkle. Eine klare Botschaft richtete die Kreischefin an die Bürger des Landkreises: „Die stationäre Versorgung ist gesichert. Alle Behandlungen können angeboten werden.“ Nach den Untersuchungen der Gutachter zum medizinischen Konzept der Kliniken GmbH können alle Patienten, die bislang Pfullendorf und Bad Saulgau behandelt wurden, in Sigmaringen aufgenommen werden.
Altersstruktur der Hausärzte verschärft Versorgungsproblem
Uneingeschränkte Zustimmung gab es von dem Quartett zum Befund, dass die Hausarztversorgung im Landkreis unzureichend ist, obwohl man mit 64,2 Ärzten je 100 000 Einwohnern knapp über dem Landesdurchschnitt liege, aber angesichts der Altersstruktur der heimischen Mediziner, würde das Problem größer. Konkret sind im Landkreis Sigmaringen derzeit 20 Hausarztstellen unbesetzt, erklärte KV-Vertreterin Ullrich-Colaiacomo. In den Mittelzentren Pfullendorf, Bad Saulgau und Sigmaringen könnten sich sechs, vier und zehn Hausärzte niederlassen. Bei den Fachärzten gebe es hingegen teilweise sogar eine Überversorgung, sodass es für Bereiche wie Radiologie, Gynäkologie oder Innere Medizin eine Niederlassungssperre für den Landkreis gebe.
Problematische Hausarztversorgung seit vielen Jahren bekannt
Demonstrativ beschwor das Quartett während des Gesprächs mehrfach seinen Willen, durch Zusammenarbeit und Kooperation, den Notstand bei der Hausarztversorgung im gesamten Landkreis Sigmaringen zu bekämpfen. Dass man dieses seit vielen Jahren bekannte Problem, wie Boellaard erklärte, nun gemeinsam angehe, sei ein enormer Fortschritt gegenüber früheren Bemühungen.
Man habe sich seitens der Ärzteschaft schon vor acht, zehn Jahren Gedanken über die Zukunft gemacht. „Wir haben gesehen, dass wir zu wenig Nachwuchs bekommen“, berichtete die Ärztin, dass es damals seitens der Politik keine Unterstützung gab.
Keine Unterstützung durch die Politik
Ein Bürgermeister habe ihr vor einem Jahrzehnt gesagt, dass ihm das egal sei. Angesichts der geplanten Veränderungen in der stationären Versorgung werde man nun gezwungen, sich mit der ambulanten Versorgungsstruktur zu beschäftigen, mahnte Bettina Boellaard zugleich, dass diese Aufgabe nur gemeinsam bewältigt werden könne und keine Partikularinteressen verfolgt werden sollten. Die Ärztin machte auch deutlich, dass die Patienten sich auf Veränderungen einstellen müssten und nicht in jedem Ort eine Arztpraxis oder Medizinisches Versorgungszentrum sein wird.
Erfolgreiche Gründungen von Medizinischen Versorgungszentren im Kreis Sigmaringen
Mit Hinweis auf die erfolgreiche Zusammenarbeit der Bekämpfung der Corona-Pandemie oder der Etablierung sogenannter Familiengesundheitszentren in Bad Saulgau, Pfullendorf und Sigmaringen sind die Kommunalpolitiker und die Medizinvertreter optimistisch, dass man gemeinsam Lösungen finden wird, zu dem auch die Einrichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Pfullendorf gehören soll. In den vergangenen Jahren habe die SRH Kliniken GmbH bereits mehrere MVZ eröffnet und nach Angaben von SRH-Geschäftsführer Jan-Ove Faust ist man bereit, dies auch in Pfullendorf zu tun: „Aber, das kann auch jemand anderes machen.“
Gesetzgeber schreibt Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung vor
Er erläuterte nochmals die Rechtslage, die den Kliniken quasi verbietet, ambulante Versorgungen anzubieten, was Faust als „organisierte Trennung“ bezeichnete. Tatsächlich ist der Auftrag des Gesetzgebers an die Krankenhäuser, sich auf die stationäre Versorgung zu beschränken, während die ambulante Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte erfolgen soll. Wenn eine Klinik, so wie SRH in den vergangenen Jahren, dennoch ambulante Fälle behandelt, wird diese Leistung nicht vergütet und erhöht somit das Defizit. Faust ist überzeugt, dass man mit MVZs jungen Ärzten ein attraktives Angebot machen könne, wobei auch eine Anstellung an Klinik und MVZ denkbar sei.
Junge Ärzte wollen häufig in ein Angestelltenverhältnis
Die Gewinnung von Ärzten für den Ländlichen Raum hat sich nach Angaben von Stefanie Ullrich-Colaiacomo auch die Kassenärztliche Vereinigung auf die Fahnen geschrieben und Förderprogramme aufgelegt.

Man müsse den veränderten Interessen junger Mediziner Rechnung tragen, die, anders als Landärzte der Vergangenheit, keine Rund-um-die-Uhr-Arbeit mehr akzeptierten. Dazu favorisierten viele Jungärzte ein Anstellungsverhältnis und wollten das Risiko einer eigenen Praxis nicht mehr tragen.
Zur Behebung des Ärztemangels müsse man die Zahl der Medizinstudienplätze erhöhen, ergänzte Ullrich-Colaiacomo, dass man sich in Deutschland auch fragen müsse, warum so viele Ärzte später in anderen Ländern ihren Beruf ausübten.
Es gibt konkrete Gespräche mit Ärzten
Auf die Frage, welche Maßnahmen denn schon unternommen wurden, berichtete Landrätin Bürkle von konkreten Gesprächen mit Ärzten bezüglich der geplanten Medizinischen Versorgungszentren. Und es gebe auch Gespräche mit potenziellen Trägern der möglichen Kurzzeitpflegeeinrichtung, die im Krankenhaus Bad Saulgau eingerichtet werden soll. Die Kreischefin machte deutlich, dass das Thema medizinische Versorgung den gesamten Landkreis betreffe und deshalb sollen auch in anderen Regionen entsprechende Gespräche stattfinden. Und um alle Protagonisten einzubeziehen, soll 2022 wieder die Gesundheitskonferenz einberufen werden. „Wir haben mehrere Bewerber“, antwortete SRH-Geschäftsführer Faust auf die Frage, ob die vakante Augenarztstelle am MVZ Bad Saulgau wieder besetzt wird. Er wolle keine Versprechungen machen, hoffe aber, dass man bis Jahresende wieder einen Augenarzt habe. Auch SRH will nach seinen Angaben einen runden Tisch mit den niedergelassenen Ärzten, denn für Faust ist klar: „Es braucht neue Lösungen für die hausärztliche Versorgung.“