Die Aufarbeitung des Vorwurfs der Vergewaltigung gegen einen 45-Jährigen vor dem Schöffengericht, der in einer Februarnacht die Nichte seiner Lebenspartnerin sexuell missbraucht haben soll, entwickelt sich zu einer juristischen Fortsetzungsstory, wobei am 12. Januar wohl ein Urteil gesprochen wird. An diesem vierten Verhandlungstag soll die Mutter des mutmaßlichen Opfers gehört werden. Bei der jüngsten Sitzung wurden die Lebenspartnerin des vermeintlichen Täters, der Ex-Freund des Opfers, deren Schwester sowie die Polizistin gehört, die einen Tag nach der mutmaßlichen Vergewaltigung mit Mutter und Tochter am Telefon gesprochen hat.

Beschuldigter hat neue Erklärung, warum seine DNA an der Unterhose des vermeintlichen Opfers entdeckt wurde

„Wie kommt ihre DNA an die Unterhose des Opfers?“ Diese Frage des Staatsanwaltsvertreters vom ersten Verhandlungstag bleibt weiter unbeantwortet. Die kriminaltechnische Auswertung hatte Spuren des 45-Jährigen an der Unterhose der jungen Frau entdeckt. Dies sei wohl beim Tanzen passiert, hatte der Beschuldigte damals als Erklärungsversuch vorgetragen. Denn am Tattag wurde der Geburtstag der Lebenspartnerin gefeiert, und ziemlich Alkohol getrunken. Bei der zweiten Sitzung hatte der Mann erzählt, dass ihn die junge Frau nachts mehrmals via Chatnachrichten in ihr Zimmer gelockt, seine Hand genommen und an ihre Scheide geführt habe. Dabei habe die Schlafende mehrfach den Namen ihres Ex-Freundes gerufen. Das sei ihm peinlich gewesen, deshalb habe er dies dem Gericht nicht erzählt, gab der Beschuldigte nun zu Protokoll.

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Lebenspartnerin hat in der Tatnacht nichts gehört

Vollkommen sicher ist die Lebenspartnerin, dass ihr Freund ihre Nichte nicht vergewaltigt hat. Sie habe in der Tatnacht nichts gehört und am nächsten Morgen habe es von ihrer Nichte keine Reaktion oder Andeutung auf den nächtlichen Vorfall gegeben und alles sei normal gewesen. Die 47-Jährige vermutet, dass die damalige Anzeige womöglich eine Reaktion auf einen vorangegangenen Streit zwischen ihr und der Heranwachsenden war, bei der es um Schule, Arbeit und die gesamte Lebenseinstellung der jungen Frau ging, die seit drei Jahren quasi in ihrem Haushalt lebte. Während die leibliche Mutter diesen Extravaganzen teilnahmslos zuschaue, habe sie zum Ärger ihrer Nichte klare Regeln, was immer wieder zu Auseinandersetzungen führe.

Staatsanwalt fragt Lebenspartnerin: „Warum hat er die Hand nicht zurückgezogen?“

Mit den Worten: „Es ist etwas passiert“, sei sie zwei Tage nach dem Vorfall von der Mutter informiert worden, berichtete die Zeugin. Als sie ihre Nichte mit dem Vorwurf konfrontierte, habe diesen einen „so abgebrühten Gesichtsausdruck“ gemacht. Immer wieder habe die junge Frau Stress gemacht, und beispielsweise ihrem Reitlehrer sexuelle Belästigung vorgeworfen: „Und dann war nix.“ „Warum hat er die Hand nicht zurückgezogen?“, konfrontierte der Staatsanwalt die Zeugin mit der Erklärung ihres Lebenspartners, wie dessen DNA an die Unterhose der jungen Frau gekommen sei. Womöglich war der Alkohol schuld, erklärte die 47-Jährige, dass ihr Partner von dem Geschehen total überrascht wurde und nachher sei ihm die Angelegenheit peinlich gewesen.

„Ich sehe das nicht als Geständnis“

Der Staatsanwalt konfrontierte sie auch mit dem Chatverlauf eines Kontakts zwischen dem Opfer und dem Beschuldigten, wo dieser erklärte, dass ihm alles leid tue. „Was soll ihm denn leid tun, wenn nichts war?“, insistierte der Staatsanwalt und Richter Dorner las weitere Passagen vor: „Bitte, bitte. Ich wollte das nicht.“. „Fahr zur Hölle.“ „Das war keine Absicht.“ Die Zeugin erklärte: „Ich sehe das nicht als Geständnis.“

Schwester bezweifelt in einem Brief die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers

Ihre Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vergewaltigungsvorwurfs hat die Schwester gar in einem Brief formuliert, den sie der Verteidigung übergab, die das Schriftstück an das Gericht weiterreichte. Die 25-Jährige berichtete als Zeugin von einem Telefonat zwischen ihrer Schwester und dem Beschuldigten, in dem sie diesen um „Entschuldigung für das Ganze“ gebeten habe. „Hat ihre Schwester gelogen?“, fragte sie der Staatsanwalt. „Ich kann nicht in ihren Kopf schauen“, beteuerte die Zeugin die Unschuld des Mannes, den sie seit ihrer Kindheit kennt.

Familie ist aufgrund des Vorfalls am Boden zerstört

Vielleicht habe ihre Schwester auch Angst vor einer Strafe, falls sie ihre Aussage widerrufe. Denn ihr Anwalt habe erklärt, dass eine Falschaussage eine sehr hohe Strafe nach sich ziehen würde. Dass ihre Schwester nach der vermeintlichen Tat mit einem bauchfreien Top Fasnet feiere, während die Familie aufgrund des Vorfalls am Boden zerstört sei, spreche doch gegen die Tat, ebenso, dass sie sich weiter in der Familie und Gesellschaft des mutmaßlichen Vergewaltigers aufhielt.

Ex-Freund: „Ich habe keine gemeinsame Zukunft gesehen“

Ihrem damaligen Freund hatte das Opfer nichts von der Tag erzählt, berichtete der als Zeuge geladene 22-Jährige, der sich einige Wochen später von ihr trennte: „Ich habe keine gemeinsame Zukunft gesehen.“ Erzählt habe ihm die Ex-Freundin indessen mehrfach von sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz, die aber nie angezeigt wurden. Erst, als er via Telefon die Trennung vollzog, habe sie ihm von der Tat berichtet.

Polizistin: „Sie hat das Geschehen minimalst geschildert“

Als vierte Zeugin war die Polizistin geladen, die einen Tag nach der vermeintlichen Tat den Anruf von Mutter und Tochter entgegennahm, um die Vergewaltigung zu melden beziehungsweise sich zu erkunden, was zu tun ist. „Sie hat das Geschehen minimalst geschildert“, erklärte die Beamtin, „ansonsten aber nichts zum Tathergang gesagt.“ Außer, dass noch eine Person im Zimmer gewesen sei, die „aber tief wie ein Stein geschlafen hat.“ Angesichts dieser überraschenden Wendungen stand die Frage im Raum, ob das Opfer nochmals aussagen muss, was nach kurzer Besprechung von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht verworfen wurde.

Pflichtverteidiger und Staatsanwalt wollen Mutter des Opfers hören

„Aber, wir müssen die Mutter hören“, beantragte Pflichtverteidiger Karl Abt, dass die krankheitsbedingt nicht erschienene Zeugin nochmals vorgeladen wird. Richter Dorner und seine zwei Schöffen waren anderer Meinung: „Aus Sicht des Gerichts muss man die Mutter nicht hören.“ Es komme in diesem besonderen Fall auf Feinheiten an, pflichtete der Staatsanwaltsvertreter aber dem Verteidiger bei und so wurde beschlossen, die Verhandlung am 12. Januar 2021 fortzusetzen und die Mutter erneut vorzuladen.