Die Heckklappen der sechs Autos auf dem Parkplatz unterhalb des Meßkircher Schlosses sind weit geöffnet. Bei jedem sieht man die silbernen Stäbe eines Hunde-Sicherheitskäfigs. Ihre Besitzerinnen stehen in der Mitte planend zusammen, während Flat-Coated-Retriever-Hündin Jule von einer Frau zur nächsten läuft, sie stolz mit ihrem Futterbeutel anstupst und gelobt werden will. Dies war die Belohnung für ihren erfolgreichen Einsatz: Sie verfolgte die Spur einer Person und entdeckte sie in der Stadt. Dies gehört zum Trainingsprogramm der DRK-Rettungshunde. Im Ernstfall gilt es, eine vermisste Person zu finden.

Spurensuche wird geübt

Wie jeden Samstagnachmittag trifft sich das Team der DRK-Rettungshundebereitschaft des Kreisverbands Sigmaringen, um die Spurensuche sowie das Suchen in der Fläche zu üben. Der Ort wechselt von Mal zu Mal, da die Hundeführerinnen in verschiedenen Gemeinden und auch Landkreisen wohnen. Fast alle Hunde, die an diesem Tag in Meßkirch trainiert werden, haben bereits die Prüfung zum Rettungshund absolviert, die alle zwei Jahre wiederholt wird. Zwei der Vierbeiner sind noch in der Ausbildung, die äußerst anspruchsvoll sowohl für das Tier als auch für den Mensch ist. Man muss körperlich fit sein, sich sicher in unterschiedlichstem Gelände bewegen können, mit Kompass, GPS und Plänen vertraut sein, einen guten Orientierungssinn und natürlich für die Erstversorgung eine Sanitätsausbildung haben.

Leiterin ist 15 Jahre alt

Nun ist Zola, ebenso ein Flat-Coated-Retriever, von Bereitschaftsleiterin Michaela Dengler an der Reihe. Die Leiterin ist bereits 15 Jahre bei der DRK-Rettungshundebereitschaft und leitet das Training. Im Auto ist Jule ganz ruhig. Kaum ist sie draußen und hat das Glas entdeckt, in dem die Geruchsprobe der zu suchenden Person liegt, steigt der Drang des Hundes loszulaufen.

Die Suche nach Personen führt die Hundeführerin oft durch unwegsames Gelände. Im Ernstfall sind sie meistens nachts unterwegs. Foto: ...
Die Suche nach Personen führt die Hundeführerin oft durch unwegsames Gelände. Im Ernstfall sind sie meistens nachts unterwegs. Foto: Isabell Michelberger | Bild: Michelberger, Isabell

Doch zuerst muss die Hündin stillstehen, um sich das Brustgeschirr und die Kenndecke mit dem roten Kreuz anlegen zu lassen. Mit diesem Schritt weiß sie, was ihre Aufgabe ist. Jetzt packt Zola das Glas vorsichtig mit der Schnauze an, stellt es an einer anderen Stelle ab und ist dann bereit, die Spur aufzunehmen.

Hunde bekommen Lieblingsbelohnung

„Jeder Hund hat ein eigenes Ritual. Manche möchten die Geruchsprobe beispielsweise in einer Tüte. Da gibt es kein Schema F“, erklärt die Teamleiterin. Darüber hinaus wird jeder Hund einzeln trainiert und erhält bei erfüllter Aufgabe seine Lieblingsbelohnung.

Jule sucht beim Hofgarten nach der Spur, die zu einer bestimmten Person führen soll. Führerin Michaela Dengler beobachtet ihre Hündin ...
Jule sucht beim Hofgarten nach der Spur, die zu einer bestimmten Person führen soll. Führerin Michaela Dengler beobachtet ihre Hündin dabei genau und Helferin Patricia Quecke vergleicht das Bewegungsprofil des Hundes mit der vorab gelegten Spur. Foto: Isabell Michelberger | Bild: Michelberger, Isabell

Beim einen ist es eine Kordel, beim anderen eine Frisbee-Scheibe aus weichem Plastik oder ein Ball – doch ganz gleich, was es ist, es bildet für die Rettungshunde die alleinige Motivation, jemanden zu suchen – entweder als Mantrailer eine Spur zu verfolgen oder in der Flächensuche eine menschliche Witterung aufzunehmen und damit eine vermisste Person zu entdecken.

Hundeführerin muss sich auf Signale des Hundes trainieren

Zola will losrennen, sie hat die Spur schon auf dem Parkplatz unterhalb des Schlosses aufgenommen, welche Teamkollegin Magdalena Hangarter gelegt hat. Ziel ist es, ihren Weg zu verfolgen und sie zu suchen. Die Hundeführerin weiß nicht, wo die Spur verläuft, denn sie soll sich ausschließlich auf die Signale ihres Hundes konzentrieren. Zola läuft zunächst in Richtung Kirche und kommt dann wieder zurück. „Mantrailer arbeiten im Ausschlussverfahren“, erklärt Sonja Binder aus Menningen, die mit ihren Hunden Sia und Ylvi seit sechs Jahren zum Team gehört. Wenn sich die Spur verliere, kehren sie um. Die Hunde seien dazu ausgebildet, immer die aktuellste Spur zu suchen, die sogar vom Vortrag stammen kann. Auch das gehört zum Ausbildungsprogramm.

Auf ältere Spuren werden erfahrene Hunde angesetzt

Zola zieht weiter. In der Stockacherstraße hilft ihr eine Mauer, die den Wind stoppt und damit den Geruch nicht fortträgt. Eine große Herausforderung ist der Adlerplatz, von dem aus einige Weg abgehen, welche Jule checkt. Sie hat jedoch schnell entdeckt, dass die Person die Treppe zur Schlossstraße hinaufgegangen ist. Eine Helferin vom Team, die mitläuft, verfolgt, wie die Suche des Hundes mit dem Bewegungsprofil der zu suchenden Person übereinstimmt. Das wird unter Umständen später diskutiert. Oben angekommen entdeckt Zola ihre Zielperson und setzt sich zielstrebig direkt vor die gefundene Person, um ihren Fund anzuzeigen. Dafür bekommt sie ihre Belohnung.

Michaela Dengler (Mitte) bespricht mit Ursel Meier , Inga Lerch und Magdalena Hangarter (von links), an welchen Stellen sie sich im Wald ...
Michaela Dengler (Mitte) bespricht mit Ursel Meier , Inga Lerch und Magdalena Hangarter (von links), an welchen Stellen sie sich im Wald verstecken sollen, damit die Hunde sie suchen können. | Bild: Michelberger, Isabell

Nach der Mantrailer-Übung in der Stadt geht es in den Wald bei Menningen, um in der Fläche zu suchen. Dort brauchen die Hundeführerinnen dornenfeste Hosen, Helme, Funkgeräte, Kompass und das Smartphone.

Babypuder ist wichtiger Ausbildungsgegenstand

Die Hunde bekommen zusätzlich einen GPS-Sender, damit ihr Weg durch den Wald nachzuvollziehen ist. „Wenn wir niemanden finden, können wir anhand des Bewegungsprofils der Hunde erkennen, ob es eventuell noch Flecken gibt, die nochmal durchsucht werden könnten“, erklärt Michaela Dengler die Vorgehensweise. Auf der geografischen Karte bespricht sie mit drei ihrer Team-Kolleginnen, wo diese sich als Opfer verstecken sollen. Die beiden Hundeführerinnen, die mit ihren Hunden nun im Einsatz sind, dürfen das nicht hören, denn sie sollen sich darauf konzentrieren, was ihnen die Hunde anzeigen. „Babypuder gehört zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen in der Flächensuche“, erklärt Sonja Binder. Puder wird in die Luft gestreut, um zu erkennen, woher der Wind weht und gibt damit die Richtung vor, in welche der Hund laufen muss, um die Aufnahme der menschlichen Witterung zu ermöglichen.

Die Flächensuchhunde werden darauf trainiert, im Zickzack durch ein Gebiet zu laufen und immer wieder auf den Hundeführer zu warten. Kaum sind Sia und Bruno von der Leine gelassen, sprinten sie in größter Freude und Neugier los. Das Zusehen, wie sie gezielt und voller Energie durch den Wald jagen, bereitet geradezu Vergnügen. Für die Hundeführerinnen ist es keine leichte Tour, denn sie müssen sich mit ihrer gesamten Ausrüstung durch Gebüsch und Gesträuch bewegen. Den Fund einer Person zeigen die Hunde durch lautes Bellen an und bleiben dicht bei der Person, bis ihr Hundeführer am Fundort eingetroffen ist.

Simuliertes Opfer liegt in Baumstämmen

Da Jagdhund Zsuzsa nicht bellt, führt er seine Besitzerin an der Leine zu der liegenden Person. Foto: Isabell Michelberger
Da Jagdhund Zsuzsa nicht bellt, führt er seine Besitzerin an der Leine zu der liegenden Person. Foto: Isabell Michelberger | Bild: Michelberger, Isabell

Auf eine Besonderheit des Jagdhundes Zsuzsa von Magdalena Hangarter, der in einem irren Tempo durch den Wald jagt, macht die Teamleiterin aufmerksam. Er belle nicht, weshalb mit ihm ein alternativer Ablauf geübt werden musste, mit dem er signalisiert, wenn er jemanden gefunden hat. In diesem Fall läuft er zu seiner Hundeführerin zurück, lässt sich anleinen und zeigt ihr dann die Stelle. Inga Lerch, die als simuliertes Opfer in abgelagerten Baumstämmen lag, erzählt: „Zsuzsa hat mich nur ganz zärtlich angestups.“ Das sei natürlich viel angenehmer, als mit etwa 95 Dezibel angebellt zu werden, lachen die anderen.

Hundeführerinnen sind mit dem Trainingstag zufrieden

Alle Hunde haben mit Bravour ihre Versteckpersonen gefunden und spielen ausgelassen mit ihrer „Belohnung“. Das Training sei absolut artgerecht und die beste Beschäftigung für Hunde. „Und uns macht es große Freude, ihre Fortschritte zu beobachten“, erklärt Sonja Binder und ihre Kolleginnen stimmen zu. Die Aussicht, durch ihre Hunde eine in Not gerate Person entdecken und retten zu können, ist Antrieb für sie, sich jeden Samstagnachmittag zum Training zu treffen.

Die Rettungshunde können es nicht erwarten, mit der Suche zu beginnen: Sonja Binder mit Sia (links) und Patricia Quecke mit Bruno. Foto: ...
Die Rettungshunde können es nicht erwarten, mit der Suche zu beginnen: Sonja Binder mit Sia (links) und Patricia Quecke mit Bruno. Foto: Isabell Michelberger | Bild: Michelberger, Isabell

„Unsere Freunde und Bekannte wissen schon, dass wir an diesem Nachmittag keine Zeit haben“, lacht Michaela Dengler. 18 Mal war das Team im vergangenen Jahr im Einsatz, dabei haben sie wichtige Spuren entdeckt. „Das macht uns wirklich glücklich“, bestätigen die Frauen, wobei zum Team auch ein Mann gehört. Michaela Dengler zeigt auf ihr GPS-Gerät, das ihnen bei der Ortung hilft, vor allem wenn es im zu durchsuchenden Gelände kein Netz für die Smartphones gibt. „Dieses kostet samt Halsband etwa 1.000 Euro“, erklärt sie, weshalb sie leider nicht für alle Hundeführer eines hätten. Wünschenswert und hilfreich sei jedoch eine komplette Ausstattung. Zum Abschluss wird die Rote-Kreuz-Kenndecke bei den Hunden entfernt, was ihnen signalisiert: Die Suche ist vorbei!