Schlaflose Nächte und zitternde Hände – Dieter Müller, Kommandant der Pfullendorfer Feuerwehr, kennt die Folgen belastender Einsätze – „eine völlig normale Reaktion“. Bilder solcher Einsätze haben sich in seinen Erinnerungen eingebrannt. So erging es ihm beispielsweise nach einem schweren Verkehrsunfall in Richtung des Hohenfelser Ortsteils Selgetsweiler, zu dem er im Jahr 2001 eilte. Das Datum hat er sofort präsent wie auch den Ablauf des Einsatzes – bei dem Unfall war ein Insasse ums Leben gekommen. Das Auto war gegen einen Baum geprallt. Und auch das Pfingstwochenende 2001 ist ein Datum, an das er sich immer erinnern wird. Am Tag, als die kleine Landesgartenschau im heutigen Seepark eröffnet wurde, gab es ein Unglück mit einer Solarfähre, die auf dem See verkehrte. Ein Kind kam dabei ums Leben. Wenn Kinder betroffen sind, gingen ihm Einsätze immer besonders nahe, sagt Müller in einem Gespräch mit dieser Zeitung. „Kinder sind unschuldig, sie können doch nichts dafür“.
Mit 21 Jahren war Dieter Müller am 1. Oktober 1988 Mitglied der Feuerwehr geworden – in diesem Jahr jährt sich dieses Datum zum 30. Mal. Von der Pike auf hat er sich bis zum Kommandanten der Pfullendorfer Feuerwehr hochgearbeitet. Und ist inzwischen obendrein einer der drei Stellvertreter von Kreisbrandmeister Michael Hack. Nach seinen bald 30 Jahren als Feuerwehrmann entsteht bei ihm schon bei der Alarmierung ein Bild in seinem Kopf. Er stellt sich den Brand beziehungsweise den Unfall vor und durchdenkt, was alles vor Ort getan werden muss.

Den Kindheitstraum, Feuerwehr-mann zu werden, hatte Dieter Müller nicht. Handball bestimmte zunächst sein Leben. Gerhard Dippel, Vorgänger von Müller als Kommandant, habe ihn zur Feuerwehr gebracht, schildert Müller gegenüber dem SÜDKURIER. Nachwuchs für die Feuerwehr zu gewinnen, sei heute ein sehr schwieriges Thema. Zum einen würden sich Jugendliche grundsätzlich weniger ehrenamtlich engagieren. Und es käme erschwerend hinzu, dass die Einsätze nicht planbar seien. Oftmals müsse nachts ausgerückt werden und in manchen Fälle seien damit Gefahren für Leib und Seele verbunden. Um schreckliche Einsätze verarbeiten zu können, sei das Gespräch mit den anderen Feuerwehrfrauen und -männern unerlässlich. Deshalb sei eine gute Kameradschaft innerhalb der Feuerwehr unerlässlich. Obendrein sei Offenheit nötig. Nach Einsätzen mit schrecklichen Bildern würden auch gestandene Männer und Frauen weinen. Wenn der Austausch mit den Kameraden nicht ausreiche, um die belastenden Eindrücke verarbeiten zu können, dann sind die Notfallseelsorger gefragt. Es sei auch seine Aufgabe als Kommandant, im Auge zu behalten, wie es den Einsatzkräften gehe. Wichtig findet Müller, dass das Feuerwehrgesetz in seiner heutigen Fassung erlaubt, dass ein Mitglied der Feuerwehr auch rausgeworfen werden kann, wenn es sich daneben benimmt. Der entsprechende Passus im Gesetz heißt: „Der Gemeinderat kann nach Anhörung des Feuerwehrausschusses den ehrenamtlichen Feuerwehrdienst eines Feuerwehrangehörigen aus wichtigem Grund beenden. Dies gilt insbesondere bei fortgesetzter Nachlässigkeit im Dienst, bei schweren Verstößen gegen die Dienstpflichten, bei erheblicher schuldhafter Schädigung des Ansehens der Feuerwehr oder wenn sein Verhalten eine erhebliche und andauernde Störung des Zusammenlebens in der Gemeindefeuerwehr verursacht hat oder befürchten lässt.“ „Wenn zwei in ein Feuer gehen, dann müssen sie sich absolut aufeinander verlassen können“, sagt Müller.
Blick in die Zukunft
„Es wird immer mehr Einsätze wegen technischer Hilfsleistungen geben“, prognostiziert Müller. Zwei Drittel der 197 Einsätze, die 2017 zu bewältigen waren, hatten solche Ursachen. Pfullendorfs Feuerwehrchef geht davon aus, dass sich auch der Klimawandel in den kommenden Jahren noch deutlicher in den Statistiken der Wehr bemerkbar machen wird. Die Zahl an Einsätzen in Folge von Unwettern, wie etwa nach einem Sturm, würde weiter steigen. Und extreme Wettersituationen könne es zu jeder Jahreszeit geben.
In den vergangenen 25 Jahren gab es vier schwere Brände in Pfullendorf
Mit zu den schwersten Bränden, die die Pfullendorfer Feuerwehr in den vergangenen 25 Jahren zu bewältigen hatte, gehörte der, den es im Februar 2002 im Fitness-Center „Olymp“ im Gewerbegebiet Goldäcker gab. 95 Feuerwehrmänner aus fünf Wehren brachten damals die Flammen in zwei Stunden unter ihre Kontrolle. Der Schaden des Brandes wurde von der Polizei unmittelbar nach dem Brand auf 1,5 Millionen Euro geschätzt. 1994 gab es einen schweren Brand im Pfullendorfer Hotel „Adler“. Aus der im Keller liegenden Küche hatten sich die Flammen bis ins Dach ausgebreitet, schildert Dieter Müller, der heute Chef der Pfullendorfer Feuerwehr ist. Beide Brände ereigneten sich jeweils an einem Fasnachtsmontag. Im Falle des Hotels „Adler“ hatte sich der Umzug zwei Minuten in Gang gesetzt, als das Feuer ausbrach. Teilweise waren die Feuerwehrleute gerade im Häs unterwegs gewesen.
Zwei Menschen starben im Jahr 2012 bei einem Brand in der Pfullendorfer Altstadt. Rund 16 Stunden dauerte der Einsatz der Feuerwehr damals. Bei dem verheerenden Brand am 17. November in der Alten Postgasse kamen ein 26-Jähriger und dessen fünfjähriger Sohn ums Leben. So berichten wir damals: „Ein unter Schock stehender Zehnjähriger berichtet den Einsatzkräften, dass er aus dem zweiten Obergeschoss fliehen konnte, dort aber noch ein Vater mit seinem Sohn sind. Das Treppenhaus brennt lichterloh und versperrt den Rettern den Zugang. Eine siebenköpfige Familie aus dem ersten Stock hat sich gleichfalls ins Freie retten können und wird im nahe gelegenen Grundschulgebäude betreut. Ein 20-Jähriger aus dem zweiten Stock wird mit einer Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert, das er kurze Zeit später wieder verlässt. Atemschutzträger werden mit der Drehleiter nach oben gehievt, wo sie Wasser in die Dachgeschossfenster spritzen. Eilig wird nach Informationen über den vermissten Vater und den Jungen gefahndet. Angehörige erkunden sich nach dem Befinden der Geretteten, von denen einige unter Schock stehen. Der Nebel sorgt dafür, dass der Rauch ‚unten’ bleibt und in Richtung des Pflegeheims wehte. Dort werden alle Fenster und Türen dicht gemacht, auch die Bewohner eines Nachbargebäudes werden evakuiert. Die Innenstadt ist abgesperrt. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz und Polizei sind mit 26 Fahrzeugen und 143 Leuten im Einsatz.“
Im Februar 2017 brannte ein Doppelhaus in der „Steingrube“. Mehr als 110 Einsatzkräfte waren vor Ort. Ein Rauchmelder rettete einem 57-jährigen Bewohner das Leben. Der Schaden wurde nach dem Brand auf etwa 150 000 Euro geschätzt.