Intensiv beschäftigten sich Behörden, Bauherren, Bürger, Verwaltung und Mitglieder der „Initiative Mensch und Natur – Oberer Linzgau“ beim öffentlichen Erörterungstermin in der Andelsbach-Halle mit zahlreichen Themenkomplexen für den geplanten Bau des Windparks „Malaien“ auf der Gemarkung Hilpensberg. Grundwasser, Bodenschutz, forstrechtliche Belange, Lärm, Eisfall, Schlagschatten, Diskoeffekt, Windhöffigkeit bis hin zu Brandschutz, Tourismus, Netzanschluss und Sicherheitskonzept wurden ausführlich behandelt. Geleitet wurde die Runde von Adrian Schiefer, Fachbereichsleiter beim Landratsamt, der allen Beteiligten ausreichend Zeit gab, ihre Stellungnahmen und Einwendungen vorzubringen.

Die Suche nach dem Rotmilan.
Die Suche nach dem Rotmilan. | Bild: Stefan Roth

Entscheidend für die Genehmigung, da waren sich die Beteiligten einig, ist der Artenschutz, in Gestalt des streng geschützten Rotmilans. Erhöht sich für ihn das Tötungsrisiko durch den Bau weiterer Windräder?, lautet die zentrale Frage, die von zwei Gutachtern unterschiedlich beantwortet wird, die im Auftrag der Betreiberfirma AboWind beziehungsweise den Gemeinden Pfullendorf und Heiligenberg in den Wäldern unterwegs waren.

„Signifikant höheres Tötungsrisiko“

Die Stellungnahme der Naturschutzbehörde des Landratsamtes Sigmaringen ist eindeutig: Aufgrund der Datenlage sieht man ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Milan. Die Population in der Region wird als bundesweit rekordverdächtig eingestuft, und angesichts der schieren Zahl würden auch Vermeidungsmaßnahmen wie das Einhalten bestimmter Abschaltzeiten nicht funktionieren. Die Beeinträchtigungen für Fledermäuse werden von der Behörde dagegen als nicht entscheidend eingestuft, die entdeckte Haselmauspopulation könnte man umsiedeln, aber womöglich muss noch ein Exemplar des streng geschützten Wespenbussards in die Bewertung einbezogen werden, und aktuell gebe es neue Informationen über einen Schwarzstorch.

„Keine Horste im 1000-Meter-Schutzradius“

Die von AboWind beauftragten Gutachter der Naturschutzplan GmbH bestritten nicht, dass in dem Gebiet viele Milane sind. Allerdings habe man bei Untersuchungen 2017 und 2018 keine belegten Horste im Schutzradius von 1000 Metern rund um die geplanten Anlagenstandorte entdeckt. Und die Bewegungen der Vögel zeigten, dass sie vorwiegend über Offenland fliegen, während die vier Windräder im Wald gebaut werden. Entsprechend den gesetzlichen Wertungskriterien gebe es deshalb kein erhöhtes Tötungsrisiko für Rotmilane, resümierten die Gutachter. „Wir haben aufgrund der Datengrundlagen methodenkonform ermittelt“, verwahrten sie sich gegenüber einem Fragesteller, der dem Büro unterstellt hatte, bewusst ein fehlerhaftes Gutachten angefertigt zu haben.

Dieser tote Bussard wurde nach Angaben der Bürgerinitiative am Fuß eines Windrades in Hilpensberg gefunden.
Dieser tote Bussard wurde nach Angaben der Bürgerinitiative am Fuß eines Windrades in Hilpensberg gefunden. | Bild: Elisabeth Bures

Horstbäume wurden gefällt

Das von Pfullendorf und Heiligenberg beauftragte Gutachterbüro Planstatt Senner hatte 2018 etwa 30 belegte Horste in dem Gebiet entdeckt, wobei 2019 etliche Horstbäume verschwunden waren, was polizeiliche Ermittlungen nach sich zog. Margret Bures von der Bürgerinitiative wies auf mindestens zwei ungeklärte Fällaktionen hin, wo nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht bestehe, dass die Bäume vorsätzlich gefällt wurden. Allerdings gebe es keine Hinweise auf Täter und Auftraggeber. „Wir waren es nicht“, stellte AboWind-Vertreter Wolfgang Patzell klar. In diesem Jahr entdeckten die Planstatt-Mitarbeiter bei nur einer Begehung 17 belegte Horste. Patzell bestritt die große Zahl an Vögeln nicht, ergänzte aber mehrfach, dass diese vornehmlich im Offenland jagten, während die Windräder im Wald errichtet würden.

Bürgermeister lehnt Windräder ab

Bürgermeister Thomas Kugler erläuterte, dass die Stadt vor Jahren eigene Windparkpläne wegen des Artenschutzes, sprich der Milanpopulation, nicht weiterverfolgte. „Es gibt sehr viele Milane und der Waldbereich wird stark überfolgen“, konstatierte der Rathauschef, dass man bezüglich der Bewertung über dessen Tötungsrisiko „Lichtjahre“ auseinander liege. Wegen des Artenschutzes können die Windräder nach seiner Überzeugung nicht genehmigt werden.

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Eine Themenrunde betraf das Ortsbild sowie Folgen für betroffene Anwohner. Eine Hilpensbergerin sprach von einer optisch bedrängenden Wirkung, eine Art „Kasernenhofgefühl“, wenn zusätzlich vier Anlagen gebaut würden. Sie schlug vor, den Standort noch weiter in den Wald zu verlegen, da wäre kein Nachbar betroffen. Da der aktuell gesetzlich formulierte Mindestabstand zur Wohnbebauung eingehalten werde, finde keine Prüfung statt, erklärte Fachbereichsleiter Adrian Schiefer. In Baden-Württemberg entspricht der Abstand der dreifachen Anlagenhöhe, in Bayern muss der zehnfache Wert eingehalten werden.

Prüfverfahren dauert vier bis sechs Monate

„Der Artenschutz ist wesentlich“, machte Adrian Schiefer deutlich und ergänzte, dass sich die Behörde noch in der Aufarbeitungsphase befinde und man deshalb noch keine abschließende Positionierung habe. Auf die SÜDKURIER-Frage, wie lange das Prüfverfahren dauert, antwortete der Fachbereichsleiter nach Ende der sechstündigen Debatte, die ruhig und sachlich verlief, dass er mit vier bis sechs Monaten Bearbeitungszeit rechne.

AboWind

Die in Wiesbaden ansässige ABO Wind ist ein weltweit erfolgreicher Projektentwickler für erneuerbare Energien mit rund 550 Mitarbeitern. Seit 1996 hat das Unternehmen rund 700 Windenergie-, Solar- und Biogasanlagen mit gut 1500 Megawatt Leistung ans Netz gebracht. Im ersten Halbjahr 2019 erwirtschaftete die Firma konzernweit einen Umsatz von rund 56,6 Millionen Euro. Der Windpark Malaien soll in einer Höhenlage von 720 bis 740 Metern entstehen, wo ausreichende Windverhältnisse herrschen. Kalkuliert wird mit Windgeschwindigkeiten bis zu 6,3 Metern pro Sekunde in Nabenhöhe, sprich auf 181 Metern. (siv)