Bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag ist die AfD mit 18,9 Prozent die zweitstärkste Partei im Wahlkreis Bodensee gewesen. Am meisten Stimmen im Wahlkreis erhielt die AfD in Pfullendorf (27,2). Eine einzige Antwort darauf, warum die AfD in der Linzgaustadt mittlerweile so viele Anhänger hat, gibt es nicht. Für den CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins, der in Pfullendorf wohnt, könnte es mehrere Gründe für das Abschneiden der AfD geben.

Hat sich abgezeichnet

„Es hat sich schon in der Vergangenheit gezeigt, dass die AfD in Pfullendorf über dem Durchschnitt“, sagt Norbert Lins, der seinen Wohnsitz in Pfullendorf hat und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments ist. Ein Blick auf die Ergebnisse vorangegangener Wahlen untermauert dies: Nicht nur 2025, sondern bereits bei der Bundestagswahl 2021 hatte die AfD im Wahlkreis Bodensee in Pfullendorf ihr bestes Ergebnis. 12,1 Prozent der Zweitstimmen entfielen damals auf die AfD, die vier Jahre später ihr Wahlergebnis in Pfullendorf mehr als verdoppeln konnte. Das deutete sich schon bei der Europawahl 2024 an, als die AfD in Pfullendorf auf 18,1 Prozent kam.

Früher unangefochten die CDU

Ist also die Kleinstadt Pfullendorf, in der früher die konservative CDU mit weit über 50 Prozent unangefochten an der Spitze lag, zu einer AfD-Hochburg geworden? Jedenfalls bleibt die CDU in den Teilorten die stärkste Partei, wenngleich selbst in Dörfern wie Großstadelhofen die AfD mit 30,9 Prozent knapp hinter der CDU mit 36,1 Prozent lag. In den vier Wahlbezirken der Kernstadt schaffte die AfD überall mehr als 30 Prozent, überholte dabei die CDU.

Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins nennt Gründe für den Wahlerfolg der AfD.
Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins nennt Gründe für den Wahlerfolg der AfD. | Bild: Büro Lins

Im Wahllokal von Norbert Lins in der Mensa der Kasimir-Walchner-Schule holte die AfD am meisten Stimmen, lag mit 43,3 Prozent der gültigen Zweitstimmen weit vor der CDU mit 22,9 Prozent. Hat die AfD dabei möglicherweise von den Russlanddeutschen profitiert, denen eine Nähe zur AfD nachgesagt wird? In diesem Wahlbezirk mit 1959 Wahlberechtigten wohnen seit längerer Zeit viele Russlanddeutsche im Wohngebiet Roßlauf, von denen unklar ist, wie viele am Sonntag zum Wählen gegangen sind und wie viele davon tatsächlich ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben.

Mehr Leistungen

Das Nachrichtenmagazin Spiegel schaute sich das Phänomen, dass wohl immer mehr Russlanddeutsche die AfD wählen, näher an. Viele von ihnen fühlten sich offenbar schlechter behandelt als die Migranten, die heute in Deutschland wohnen. Gerade die Flüchtlinge aus dem arabischen Raum seien nach Ansicht der Russlanddeutschen freundlicher aufgenommen worden und bekämen öffentliche Leistungen, die sie sich selbst hätten hart erkämpfen müssen.

Noch weitere Ursachen

Für Norbert Lins könnte dies eine Ursache für den Wahlerfolg der AfD sein, wobei er anmerkt, „dass Pfullendorf viele Migranten hat, unter anderem zahlreiche Bürger mit türkischem Hintergrund, die jetzt vielleicht die AfD gewählt haben“. Doch Lins hat noch eine weitere Erklärung.

Am starken Industriestandort Pfullendorf sind seiner Einschätzung nach vermutlich viele Arbeiter, die früher den demokratischen Parteien ihr Vertrauen geschenkt hätten, aber aus Enttäuschung über die Bundesregierung zur AfD gewechselt seien. Lins blickt nun nach vorn, hält die Große Koalition CDU und SPD für realistisch. Es sei dann die Aufgabe der neuen Regierung, mit einem Politikwechsel möglichst viele AfD-Wähler wieder zurückzuholen.