Im Evangelium dieses 2. Fastensonntages hören wir von einer Gipfelerfahrung der Jünger Jesu. Die Szene spielt sich auf einem Berg ab. Es geht dabei um Aufstieg und Abstieg, also im Prinzip um zwei Grunderfahrungen, die wir im eigenen Leben immer wieder machen. Zunächst mal der Aufstieg: Viele von uns lieben sicherlich das Wandern in den Bergen. Es ist ein tolles Naturerlebnis. Da streift man durch Täler und Wiesen. Und man beginnt mit dem Anstieg, um den Gipfel des Berges zu erklimmen. Dort oben ist das Ziel. Und wenn dieses Ziel erreicht ist, ist man häufig gar atemlos und schweißgetränkt, aber auch glücklich, weil man jetzt den Blick weit schweifen lassen kann. Ein erhebender Anblick bietet sich einem, man fühlt sich erhaben über die Täler, die unten liegen. Der Ballast des Alltags und die Sorgentäler und Senken voller Zweifel scheinen dort oben wie überwunden zu sein. Und die Mühen, die dieser Anstieg gekostet hat, sind schnell vergessen. Jetzt am Gipfelpunkt ist auf einmal alles klarer und deutlicher. Man ist dem Himmel so nahe! Dafür waren die Gipfel der Berge immer schon bekannt und berühmt, gerade auch die Berge, die uns in der Bibel begegnen.
Jesus mit den Jüngern auf dem Tabor
Jesus selbst nutzt Berge immer wieder als Rückzugsort. Nun begibt er sich mit einem Teil seiner Jünger auf einen Berg in Galiläa, den Tabor. Dieser wird nun auch zu einem Ort, an dem die Jünger buchstäblich himmlische Erfahrungen machen. Dort oben will Jesus ihnen zeigen, wer er in Wahrheit ist. Es ist eine Gottesbegegnung der klaren, eindeutigen und doch geheimnisvollen Art. Es ist eine Offenbarung Gottes: Das Ewige scheint durch das Vorläufige durch, das Eigentliche durch das Scheinbare. Das Ganze ist lichtdurchflutet und mit menschlichen Sinnen kaum zu erkennen. Das Menschliche an Jesus ist die greifbare Seite. Doch das Göttliche an diesem Christus ist die unfassbar andere Seite. Man nennt diese Szene auf dem Tabor die „Verklärung Jesu“. Für einen kurzen Moment zeigt sie die ganze Klarheit und Wahrheit dieses Jesus von Nazareth. Zwei große Propheten, prägende Gestalten des Alten Testamentes sind ebenso mit dabei: Mose und Elija. Sie zeigen, wie der Lichtweg schon längst begonnen hat. Mose ist der Mann, der sich auf dem Berg Sinai Gott nähern durfte, um von dort die Gebote zum Leben mit ins Tal des Lebens zu bringen. Elija durfte am Horeb Gott nicht im Sturm, sondern in einem vernehmlichen sanften Säuseln erfahren. In solchen Momenten, wie hier auf dem Berg Tabor, gerinnt das Leben. Man streift alles Nebensächliche ab, pures Glück ist mit den Händen zu greifen. Die Sterne sind so nah, und man könnte die Welt umarmen. Kennen wir solche Sternstunden des Lebens auch?
Augenblicke entschiedener Klärung
Wenn wir sie erleben, dann empfinden wir wie die Jünger: Ja, es ist gut hier oben, es fühlt sich so gut an. So könnte, ja so sollte es am besten immer bleiben. Manchmal ist einem solch ein Höhepunkt-Erlebnis geschenkt. Manchmal bricht etwas auf, brechen wir auf, kommt etwas ans Licht, weil Schweres, Dunkles und Unklares abfällt. Es sind Augenblicke entschiedener Klärung. Sie können so stark sein, dass sie sogar in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ scheiden. Und das will man so gerne festhalten und bewahren für dunkle Zeiten. Wie Petrus eine Hütte bauen zum Verbleiben, ein Haus auf dem Berg.
Was möglich ist gesehen
Wir Menschen sind aber nicht dafür gemacht, ewig auf den Berggipfeln zu bleiben. Nach dem Aufstieg kann man für einen Augenblick den Höhepunkt genießen. Dann folgt aber wieder der Abstieg. Aufstieg und Abstieg sind die Wechselseiten unseres Lebens. Wie die Jünger Jesu müssen auch wir wieder hinab in die Niederungen, in den Alltag, in die Bewährungsproben des Glaubens. Doch jeder, der eine solche „Tabor-Erfahrung“ geschenkt bekam, wird ein Anderer sein, wenn er den Berg verlässt. Zwar mag der Kopf noch lange nicht so weit sein, dass er wieder unten im Tal, in der Realität des Lebens angekommen ist. Doch das innere Auge des Herzens hat – wenn auch nur für einen kurzen Moment – das geschaut, was möglich ist und immer wieder werden kann: Wer dieser Jesus ist! Gottes große Liebe für die Welt! Ebenso hat es geschaut, wer ich sein kann: geliebte Tochter, geliebter Sohn Gottes! Jetzt vielleicht noch schemenhaft, verschwommen, verdeckt. Später einmal aber ganz klar.
Kraft und Mut beziehen aus Höhepunkt-Erlebnissen
So wünsche ich uns, dass wir in dieser österlichen Bußzeit, aber auch darüber hinaus, immer wieder mal ein Höhepunkt-Erlebnis haben, bei dem wir entdecken, wer wir in den Augen Gottes wirklich sind. Und dass wir daraus Kraft und Mut beziehen für unseren Weg in den Niederungen des Alltags!