Für großen Wirbel – vor allem in den sozialen Netzwerken – sorgt derzeit die Polizeimitteilung, dass ein zehn Jahre altes Kind im Bereich der Straßen „Beim Wasserturm“ und der Martin-Schneller-Straße in der vergangenen Woche verdächtig angesprochen worden sei. Viele Eltern fragen sich, wie sie und ihre Kinder damit umgehen sollen. Die Polizei hatte berichtetet, dass laut Aussage eines Kindes ein silberner Kleintransporter hinter ihm gehalten habe und drei Männer mit schwarzen Corona-Masken dem Kind angeboten haben sollen, es nach Hause zu fahren. Als das Kind ablehnte, soll einer der Männer es am Arm gepackt haben, wobei dem Kind durch Schreie und entsprechende Gegenwehr die Flucht gelungen sei.

In der Woche zuvor hatte die Polizei bereits einen ähnlichen Vorfall im Bereich des Wohngebiets Härle vermeldet. Dort soll ein silberner Transporter mit drei Männern neben einem Kind angehalten und diesem ein Spielzeugauto geschenkt haben. Ein weiterer Fall, bei dem ein Kind zunächst angegeben hatte, auf dem Schulhofgelände von Unbekannten mit einem Absperrband gefesselt worden zu sein, hat sich laut Polizei zwischenzeitlich als frei erfundene Geschichte herausgestellt.

Die Beamten nehmen jeden Vorfall ernst, bei dem Kinder verdächtig angesprochen werden. Bezüglich der beiden angezeigten Vorfälle steckt die Polizei mitten in den Ermittlungen. Man gehe jedem Hinweis nach, berichtet Christian Sugg, Pressesprecher des Polizeipräsidiums auf Anfrage des SÜDKURIER. „Bislang haben sich einzelne Personen gemeldet, die jeweils Hinweise auf angeblich verdächtige Transporter gegeben haben“, berichtet Christian Sugg. Und ergänzt: „Konkrete Ermittlungsansätze haben sich hieraus jedoch nicht ergeben.“ Die Polizei hat einige Tipps für die Eltern (siehe Artikel unten).

Auch in den Pfullendorfer Schulen waren die Vorfälle Thema, wie der SÜDKURIER auf Nachfrage erfuhr. „Uns ist es wichtig, dass Kinder für dieses Thema sensibilisiert werden, ohne dabei unnötige Panik zu schüren“, sagt Jenny Finsterle, Rektorin der Grundschule am Härle mit Außenstelle Löwen. Nach Rücksprache mit dem Polizeirevier Pfullendorf sei man auf die Problematik eingegangen.
Elternbrief informiert über das Thema
Die Themen „sicherer Schulweg“ und „Verhalten, wenn man von Fremden angesprochen wird“ seien in den Klassen am Tag nach Bekanntwerden des Vorfalls durch die Lehrer besprochen worden. „Des Weiteren haben wir einen Elternbrief zur Thematik ausgegeben, in welchem wir die Eltern darum baten, zuhause über das Thema zu sprechen und den Kindern nochmals Handlungsstrategien an die Hand zu geben, wie sie sich in solchen Situationen schützen können“, berichtet Finsterle.

Einen Elternbrief gleichen Inhalts hat die Sechslindenschule herausgegeben, wie Rektor Frank Höller berichtet. „Außerdem haben unsere Lehrer mit den Schülern gesprochen und Handlungsmöglichkeiten bei so einer Situation durchgesprochen“, berichtet Höller. In der Kasimir-Walchner-Schule gibt das Team um Schulleiterin Alexandra Keinath bei Nachfragen, die von der Schule sehr ernst genommen und auf die individuell eingegangen werde, den Eltern und Kindern Verhaltenshinweise. „Wichtig in dem Zusammenhang ist jedoch, Ruhe zu bewahren, besonnen und aufmerksam zu sein“, betont die Schulleiterin.

Im Staufer-Gymnasium hat Schulleiter Andreas Nowack die Schüler der fünften und sechsten Klasse informiert und mit ihnen gesprochen. „Dabei habe ich versucht, die Balance zu finden zwischen zwei Positionen: Einerseits habe ich die Kinder gebeten, Vorsicht walten lassen, gesundes Misstrauen gegenüber Fremden an den Tag zu legen und natürlich keinesfalls Süßigkeiten von Fremden anzunehmen oder in fremde Autos einzusteigen. Andererseits habe ich auch betont, dass kein Grund besteht, übertriebene Angst zu haben“, berichtet Schulleiter Andreas Nowack. Er habe auch davor gewarnt, mit etwaigen haltlosen Verdächtigungen andere Leute in Misskredit zu bringen, zum Beispiel kursieren Bilder von Lieferwagen bei WhatsApp, die völlig unbeteiligten Personen gehören.
Auch Rektor Holger Voggel von der Realschule am Eichberg hat die fünften und sechsten Klassen im Unterricht aufgesucht, um die Problematik zu besprechen. In diesen Klassengesprächen habe man zusammen herausgearbeitet, wie sich die Schüler am besten verhalten, falls sie in eine solche Situation geraten sollten. „Die Vorschläge der Schülerinnen und Schüler machten schnell deutlich, dass dieses Thema auch in vielen Familien bereits ausführlich besprochen wurde. Natürlich war bei einigen Kindern eine Verunsicherung zu spüren“, sagt Voggel. Neben der Aufklärung und der Vermittlung von Verhaltenshinweisen sei in diesen Gesprächen deshalb vor allem das Beruhigen im Vordergrund gestanden. „In diesen Gesprächen wurde leider schnell deutlich, dass momentan viele Gerüchte im Umlauf sind, welche die Kinder zusätzlich verängstigen“, merkt Voggel an.
„Bei einem schlechten Bauchgefühl die Polizei anrufen“
Florian Suckel, Referent für Kriminalprävention beim Polizeipräsidium Ravensburg, stellt bezüglich der Vorfälle klar: „Der erste Weg in einem solchen Fall sollte nicht zu Social Media sein, sondern zum zuständigen Polizeiposten.“ Er hat einige Tipps für Erwachsene übermittelt:
Wie kann ich mein Kind darauf vorbereiten, dass es beim Ansprechen durch eine fremde Person richtig reagiert?
- Gehen Sie den Schulweg mit Ihrem Kind ab und zeigen Sie, wo es sich Hilfe holen kann, zum Beispiel in Bäckereien oder bei Verwandten, bei denen es klingeln kann. Wenn das Kind zu Fuß nach Hause geht, dann lassen Sie es möglichst in einer kleinen Gruppe mit anderen Mitschülerinnen und Mitschülern gehen.
- Erklären Sie Ihrem Kind, dass es nicht aus Höflichkeit mit fremden Erwachsenen sprechen muss und den Aufforderungen von Fremden auch nicht nachkommen muss. Wenn Kinder auf der Straße angesprochen oder in Bedrängnis gebracht werden, sollten sie deutlich „Nein“ sagen und andere Personen um Hilfe bitten.
- Im Ernstfall gilt: Aufmerksamkeit erregen (laut um Hilfe schreien) und weglaufen.
Wie kann ich als erwachsene Person reagieren, wenn ich etwas Verdächtiges beobachte?
- Helfen, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen: Sprechen Sie die verdächtige Person direkt an. Wahren Sie dabei die räumliche Distanz, um die eigene Unversehrtheit dabei nicht in Gefahr zu bringen. Ziehen Sie gegebenenfalls weitere Personen als Unterstützung hinzu.
- Rufen Sie die Polizei, wenn Ihnen die Situation komisch vorkommt und Sie ein schlechtes Bauchgefühl haben. Melden Sie verdächtige Wahrnehmungen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig bei der Polizei. Beobachten Sie die Situation aufmerksam, merken Sie sich so viele Details wie möglich und notieren Sie diese, zum Beispiel Autokennzeichen.
- Auch wenn es im Ernstfall rechtlich möglich ist, körperlich einzuschreiten, muss dies im Einzelfall abgewogen werden, da die Gefahr besteht, dass die Situation eskaliert und helfende Person verletzt werden. In jedem Fall sollten Sie die Polizei unter der Notrufnummer 110 alarmieren.
- Immer wieder kursieren Nachrichten über verdächtige Wahrnehmungen in diesem Zusammenhang in den sozialen Medien. Um das Verbreiten von Falschmeldungen zu verhindern, sollten Sie die Quelle solcher Nachrichten unbedingt prüfen, bevor Sie diese weiterleiten. Wenn eine Verifizierung nicht möglich ist, sollten Sie solche Nachrichten nicht weiterleiten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich sogar eine Strafbarkeit aus einer unbedachten Weiterleitung ergeben. In sozialen Netzwerken in und um Bad Saulgau kursiert zum Beispiel aktuell eine Meldung über die angebliche Entführung eines achtjährigen Mädchens in Bad Saulgau. Diese Meldung ist falsch, eine derartige Straftat gibt es derzeit nicht, wie die Polizei berichtet.