Welche gravierenden Auswüchse das Glücksspiel haben kann, wurde anhand eines Betroffenen vor dem Amtsgericht Sigmaringen überdeutlich. Dort verurteilte Amtsrichterin Lorine Haack einen jungen Mann wegen Betrugs zur Suchtfinanzierung zu einer 14-monatigen, auf drei Jahre ausgesetzte Bewährungsstrafe. Er hat die von ihm Geschädigten in Höhe von 3028,98 Euro abzufinden und trägt die Verfahrenskosten. Ihm wurde ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt und eine 40-stündige gemeinnützige Tätigkeit auferlegt.
Total auf das Glücksspiel fixiert
Bei dem in einer Nachbargemeinde von Pfullendorf lebenden jungen Mann handelt es sich um einen so genannten „Problemspieler“, der seine Emotionen ganz an das Glücksspiel bindet. In sieben nachgewiesenen Fällen bot er über den Jahreswechsel 2020/21 auf dem Online-Marktplatz eBay fingierte Gegenstände wie Pelzmäntel, Mobiltelefone, Kameras und eine Musikbox an. „Damit habe ich meine Verluste ausgeglichen“, räumte der Angeklagte ein, sich auf geschäftswidrige Weise diesen Vermögensvorteil ohne jede Gegenleistung beschafft zu haben. Eine Wiedergutmachung sei bislang nicht erfolgt.
Schon rund 30 000 Euro Schulden gemacht
Der auf der Anklagebank sitzende junge Mann bekannte gegenüber der Amtsrichterin freimütig, durch seine Spielsucht schon viel Geld verloren zu haben. Rund 30 000 Euro kämen zusammen, Schulden, die sein im Haus lebender Vater übernommen hat. Dieser fungiert gleichzeitig als sein Finanzverwalter und hält ihn knapp bei Kasse. „Wenn ich etwas brauche, kriege ich es von ihm“, sagt der Angeklagte.
Online, Sportwetten und Automaten
Von der Richterin befragt, welche Präferenzen er im Glücksspiel hege, kam es wie aus der Pistole geschossen: „Das ganze Paket“ – über Online, Sportwetten und natürlich auch über Automatenspiele. Da gehe er in umliegende Spielhallen, um zu zocken. Seinen zwanghaften inneren Drang beschrieb er mit dem erlebten Nervenkitzel: „Ich denke daran, welchen Gewinn ich dabei erzielen könnte!“ Schon mehrfach verlor er die Kontrolle über seine Sucht. Seit drei Jahren ist er exzessiv dabei und seine intervallartigen Abstürze sind anhand seiner Gerichtsakte durchaus erkennbar.
In wenigen Stunden den ganzen Lohn verzockte
Beruflich ist er bei seinem Onkel beschäftigt, nachdem er seine Lehre als Elektriker abgebrochen hatte. Als sein bislang einprägenstes Spielsucht-Erlebnis schildert er vor Gericht, wie sein gerade ausbezahlter Monatslohn in Höhe von 1500 Euro binnen weniger Stunden komplett flöten ging. „Da habe ich gemerkt, dass ich mich nicht mehr im Griff habe.“ Freiwillig habe er sich daraufhin in eine Suchtklinik in Ravensburg begeben – ein vierwöchiger Aufenthalt im Mai und Juni dieses Jahres. Und er weiß natürlich über den psychologischen Hintergrund seiner Sucht Bescheid: Er empfinde „viel Frust im Leben“, ihn nehme ein familiärer Schicksalsschlag mit. Im Sport fände er ein ausgleichendes Ventil, er spielt Fußball und macht Krafttraining.
Das Gericht hatte ihm schon in früheren Verhandlungen einige Auflagen gemacht. Doch Termine bei der Suchtberatung in Pfullendorf seien „wieder abgeflacht“, auch die bei der Schuldenberatung verliefen im Sande. Einer gemeinnützigen Tätigkeit kam er nicht nach, wofür ihm eine 1000-Euro-Geldstrafe aufgebrummt wurde. Er habe eine Langzeit-Verhaltenstherapie in einer speziellen Einrichtung ins Auge gefasst, aber aus Angst davor nicht umgesetzt. Und er wollte eine Ausbildung zum Verfahrens-Mechaniker machen, die er sich aber aus finanziellen Gründen nicht leisten könne.
Staatsanwältin fordert 18 Monate auf Bewährung
„Rudimentäre Absichten“, so brachte die junge Staatsanwältin dessen gute, aber nie verwirklichten Vorsätze auf den richtigen Nenner. Sie forderte in Anbetracht seiner vollumfänglich eingeräumten Spielsucht und im Hinblick auf zwei einschlägige Vorstrafen – gerichtlich wurde er bereits 2019 und 2020 wegen Betrugs aus gleichen Motiven verurteilt – eine 18-monatige Freiheitsstrafe mit drei Jahren Bewährungszeit. Außerdem sah sie die Notwendigkeit eines Bewährungshelfers. Sein Verteidiger Uwe Runge monierte in seinem Plädoyer lediglich das extrem hohe Strafmaß und forderte eine deutliche Herabsetzung.
An der Schwelle zum Gefängnis
Diesem Ansinnen kam Richterin Haack im Urteil entgegen. „Wissen sie eigentlich, wie ernst ihre Lage ist? Sie stehen an der Schwelle zum Gefängnis“, redete sie dem Verurteilten scharf ins Gewissen. Gleich nach der Verhandlung solle er sich mit der Suchtberatung in Verbindung setzen. Der Angeklagte stimmte dem zu und erklärte, das Gerichtsurteil zu akzeptieren. Ob ihm der Schritt zur Umkehr gelingt?