Die Bedeutung des Fahrplaneintrags E60? Der Unterschied zwischen Betriebs-, Schnell-, Zwangs- und Vollbremsung? Langsamfahrstelle? Sicherheitsfahrschaltung? Für Christoph Ochsenfahrt ist die Beantwortung dieser Fragen kein Problem. Der angehende Lokführer – oder Triebfahrzeugführer – weiß, worin sich Zug- und Rangierfahrten unterscheiden, worauf zu achten ist, um beim Diesel-Triebwagen BR 650 die Fahrbereitschaft festzustellen und die Grundsätze der Leit- und Sicherungstechnik hat er auch schon intus. Die Signale im 202 Seiten starken Signalbuch lernt er sukzessive auswendig. Das P-Schild an der Strecke gehört noch zu den einfachsten: Nicht parken, sondern drei Sekunden pfeifen!
Verbesserung der Mobilität
Der 55-jährige aus Pfullendorf war im Juli 2021 bei der Gründungsversammlung als Gründungsmitglied der Räuberbahn dabei. Das Projekt überzeugte ihn und er trat auch gleich dem Förderverein bei. Der Verein will die Mobilität im ländlichen Raum unabhängig vom Auto fördern und nachhaltig verbessern und aktiv zum Erhalt der Strecke Pfullendorf-Altshausen-Aulendorf beitragen.

Lokführer kommen aus der ganzen Region
Als es darum ging, Lokführer für die Räuberbahn zu finden, zögerte Ochsenfahrt nicht mit seiner Bewerbung. Vor einem Jahr startete er mit acht anderen seine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer für die Nebenbahn Pfullendorf-Altshausen. Ehrenamtlich und in seiner Freizeit. Seine Mitstreiter, darunter eine Frau, kommen zum Beispiel aus Stetten a.k.M., Bad Saulgau oder Ostrach. Ochsenfahrt ist der einzige Pfullendorfer in der Runde. Ochsenfahrts Ausbildung finanziert die Stadt.
Verkehrswende aktiv gestalten
Im Berufsleben ist Christoph Ochsenfahrt Oberarzt der Anästhesie am Krankenhaus in Sigmaringen. Was hat ihn dazu bewogen, Lokführer mit Dienst an Wochenenden und Feiertagen zu werden? „Ich fahre gerne mit der Bahn und natürlich habe ich als Kind auch mit der Modelleisenbahn gespielt“, schmunzelt er. „Aber das war nicht meine Motivation. Ich möchte bei der Verkehrswende aktiv mitmachen. Die regionale Bahnstrecke muss erhalten bleiben.“ Schon im Zusammenhang mit der Lokalen Agenda 21 hatte er sich für die Projektgruppe Eisenbahn Pfullendorf interessiert.
Medizinischer Check und Übungsaufgaben
Bevor es losgehen konnte, stand ein medizinischer und psychologischer Eignungstest an. „Der Bahnarzt in Ulm nahm Blut ab, kontrollierte Seh- und Hörvermögen, machte ein EKG. Ich musste Reaktions- und Merktests machen“, erklärt Ochsenfahrt. „Ab dem Alter von 55 Jahren ist diese Untersuchung jedes Jahr fällig.“ Die Theorie muss er sich über eine Lernplattform für angehende Lokführer überwiegend im Selbststudium aneignen, Übungsaufgaben und Testvorbereitungen erledigt er zu Hause am PC. „Zu jedem Themenblock gibt es Hausaufgaben, die ich per Mail an den Ausbilder schicke.“ Ein kleiner Teil wird in Präsenz gelehrt.

Viel Theorie und Prüfungen
Im Grunde lernt Ochsenfahrt genau das Gleiche, wie jeder andere, hauptberufliche Lokführer – angepasst an den geringeren Komplexitätsgrad der Nebenstrecke. Im konkreten Fall beginnt das öffentliche DB-Netz in Altshausen, bis dahin handelt es sich von Pfullendorf über Burgweiler, Ostrach und Hoßkirch um eine Stichstrecke. Bedeutet: Sie verläuft eingleisig und es kann kein Zug entgegenkommen. „Ich würde sagen, 75 Prozent der Ausbildungsinhalte sind identisch“, so Ochsenfahrt. Er muss zwei schriftliche und zwei mündliche Prüfungen unter Aufsicht des Eisenbahnbundesamtes ablegen, den ersten Teil hat er mit Erfolg bestanden.
Bis Ende dieses Jahres ist er Lokführer
Die praktischen Fahrstunden mit einem Ausbildungsfahrlehrer an der Seite stehen ihm noch bevor. Im Moment berechtigt ihn der vorläufige Triebfahrzeugführerschein noch nicht dazu, solo am Führerpult der Räuberbahn zu agieren. Doch bis Ende 2023 wird er die Lokführerausbildung abschließen und darf dann Fahrgäste durch Oberschwaben befördern. Würde auf dem EBuLa-Display, dem Elektronischen Buchfahrplan, der Eintrag E60 auftauchen, wäre für ihn ganz klar: Am Einfahrsignal darf, wenn Langsamfahrt angeordnet ist, 60 statt 40 Stundenkilometer gefahren werden.
Mit Begleitprogramm
Seit dem 16. April und bis November 2023 sind die DB-Züge auf der Räuberbahn immer sonntags und an Feiertagen unterwegs – und dank der neuen ehrenamtlich betriebenen Bürgerbahn zusätzlich an einigen Samstagen im Sommer. Besondere Events machen die Bahnfahrt noch attraktiver. So spielt zum Beispiel die Musikkapelle Burgweiler am 18. Juni im Zug und auf dem Bahnsteig. Am 24. Juni ist das Duo „Liaison Tangonale“ an Bord zu hören und am 25. Juni mischt sich der Räubernachfahre Max Elsässer unter die Fahrgäste.
Weitere Infos, Fahrtage und Fahrpläne unter www.raeuberbahn.de