Ganz überraschend ist in Stetten a.k.M. der evangelische Pfarrer Samuel Schelle von Dekanin Regine Klusmann von der evangelischen Landeskirche in Baden verabschiedet worden. Im Rahmen eines Freiluft-Gottesdienstes hat anschließend Pfarrerin Kristina Wagner und Pfarrer Kai Tilgner die neue Prädikantin Regina Gratius eingeführt.

Für alle kam es wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Pfarrer Samuel Schelle verlässt den Heuberg und lässt seine Gemeinden zurück, die geglaubt hatten, mit ihm nun endlich einen beständigen Seelsorger vor Ort zu haben. Als er seine Wohnung unter der blauen Stettener Kirche bezog, hatte er versprochen, mindestens zwölf Jahre zu bleiben, nun sind es gerade mal vier geworden. Er sehe seine Zukunft als Religionslehrer, war seine Erklärung, fügte aber lächelnd hinzu: „Aber ich werde meine Gemeinde schon vermissen!“

Auch Bürgermeister überrascht

Ein schwacher Trost für die Zurückbleibenden, zumal die Nachricht von seinem Weggang offensichtlich viel zu spät kam. Das war Stettens Bürgermeister Maik Lehn deutlich anzumerken, der dem Scheidenden zwar alles Gute wünschte, aber daran erinnerte, dass die politische Gemeinde mitten im Prozess der Kindergartenübernahme mit der Kirchengemeinde stehe. Die evangelische Kindertagesstätte soll in das Eigentum der Gemeinde Stetten am kalten Markt übergehen. Dieser Prozess werde durch Schelles Weggang empfindlich gestört. Dazu, so war zu erfahren, habe der Bürgermeister erst ein paar Tage vor dem Verabschiedungsgottesdienst vom Weggang des Pfarrers erfahren. Die Dekanin versicherte beschwichtigend, dass die Übernahmeverhandlungen „problemlos weitergehen werden“.

Der Kirchengemeinderatsvorsitzende Stephan Spillecke mahnte die Überlastung der Ehrenamtlichen an
Der Kirchengemeinderatsvorsitzende Stephan Spillecke mahnte die Überlastung der Ehrenamtlichen an | Bild: Susanne Grimm

Auch dem Kirchengemeinderatsvorsitzenden Stephan Spillecke fiel es sichtlich schwer, gute Miene zu einem Spiel zu machen, das letztendlich wieder die Ehrenamtlichen spielen müssen. Sein Redebeitrag sprach Bände, als er einen Jesaja-Vers zitierte, in dem Hoffnung und Kraft sich gegenseitig bedingen: „Genau diese Kraft, wie sie aus der Hoffnung kommt, braucht unsere Kirchengemeinde jetzt.“ Die Kirchengemeinde stehe vor einschneidenden Veränderungen bezüglich des Kindergartens, der kirchlichen Gebäude, aber auch hinsichtlich struktureller Veränderungen in den Kirchenbezirken. Auch der Kirchengemeinderat, der momentan nur noch aus zwei gewählten Mitgliedern bestehe, brauche diese Kraft. Spillecke spielte dabei wohl auf den Verkauf, beziehungsweise Aufgabe des Kirchengebäudes an, was kurz vor der Realisierung steht. Aber um all diese Aufgaben zu stemmen, brauche es mehr als nur Hoffnung.

„Denn wenn wir die gleiche Arbeit auf die wenigen Schultern, die noch bleiben, verteilen, wird die Hoffnung nicht ausreichen um nicht müde und matt zu werden“, sandte er ein deutliches Signal in Richtung der Verantwortlichen, dass das Maß der ehrenamtlichen Arbeit voll ist. Viele unter den Gästen waren und sind bekanntermaßen ebenfalls ehrenamtlich tätig, sei es in Vereinen und in den hiesigen Kirchen- und Pfarrgemeinden, die viel Verständnis für den Unmut zeigten, der deutlich zu spüren war. „Wenn Hauptamtliche mit Gehaltsklasse A 13 sich in andere berufliche Gefilde verabschieden und andere Personen auf höherer kirchlicher Ebene sich Reisen ins Heilige Land finanzieren lassen, kann man verstehen, dass sich Frust breit macht“, meinte ein Besucher, der ungenannt bleiben will. „Es sollte nicht sein, dass Seelsorge, Kirchen- und Gemeindearbeit überwiegend von Ehrenamtlichen geleistet wird“.

Dekanin Klusmann zeigte Verständnis für den scheidenden Pfarrer und segnete ihn. Pfarrer Kai Tilgner aus Überlingen überreichte Samuel Schelle eine Engelfigur, die ihn auf seinem künftigen Weg begleiten soll. Über die Einführung der neuen Prädikantin wird noch berichtet.