Herr Boden, bei der Hauptversammlung des DRK-Ortsvereins Heuberg-Donautal haben Sie die mangelnde Finanzierung des DRK als Dauerthema bezeichnet, bei dem der Staat auf allen Ebenen gefordert sei, und endlich für geordnete Verhältnisse sorgen müsse. Können sie uns die Finanzierung des DRK mal grundsätzlich erläutern?
Zunächst muss man erstmal zwischen dem Ehrenamt in den DRK-Ortsvereinen und dem öffentlichen Rettungsdienst unterscheiden. Zu letzteren, der vom DRK-Kreisverband getragen wird, gehören neben den Rettungs- und Krankenwagen auch die Notärzte. Dieses System wird über die Krankenversicherungen finanziert. Die DRK-Ortsvereine, in denen die ehrenamtliche Arbeit geleistet wird – beispielsweise im Helfer-vor-Ort-Dienst, beim Sanitätswachdienst, im Zivil- und Katastrophenschutz – müssen sich weitgehend selbst finanzieren. Klassische Möglichkeiten sind das Einwerben von Spenden und auch das Sammeln von Altkleidern und die Durchführung von Sanitätswachdiensten. Auch beim Blutspenden bleibt oft ein kleiner Überschuss für uns. Alles in allen ist es aber so, dass die Einnahmen hieraus nicht wirklich üppig ausfallen und wir deshalb sehr sparsam sein müssen.
Und wie sieht die Situation derzeit konkret für ihren Ortsverein Heuberg-Donautal aus ?
Um wirklich handlungsfähig zu sein, müssen wir zwangsläufig viel Zeit in die Mittelbeschaffung investieren. Es ist zudem unseren Mitgliedern immer schwerer zu vermitteln, dass man erst mal selbst das Geld verdienen muss, um es an anderer Stelle für Andere ausgeben zu können. Das steigert die Attraktivität einer Mitarbeit nicht wirklich. Es ist ohnehin schwer, Ehrenamtliche für das Engagement in einer Organisation wie dem Roten Kreuz zu gewinnen. Da wäre es schön, wenn man diese Manpower möglichst dort einsetzen könnte, wo man sie am meisten braucht. Wenn aber ein Gutteil des Engagements erst mal in Mittelbeschaffung investiert werden muss, fehlt diese Zeit natürlich beim Kerngeschäft.
Welche Aufgaben nehmen Sie genau für den Staat wahr?
Wir sind als freiwillige Hilfsorganisation in den Bevölkerungsschutz eingebunden. Dieser setzt sich aus den Bereichen Zivilschutz im Verteidigungsfall und Katastrophenschutz für Großschadenereignisse bei Naturereignissen oder Ähnlichem zusammen. Dann wirken wir im erweiterten Rettungsdienst mit, rücken also aus, wenn die Ressourcen des öffentlichen Rettungsdienstes nicht mehr ausreichen. Wenn wir mal die Gemeinden im Einzugsbereich mit zum Staat hinzurechnen, dann unterstützen wir die Feuerwehren bei deren Einsätzen. Wir rücken gemeinsam mit der Feuerwehr aus, stellen die sanitätsdienstliche Versorgung sicher, kümmern uns gegebenenfalls um deren Verpflegung und betreuen Betroffene. Als freiwillige Leistung betreiben wir noch jeweils einen Helfer-Vor-Ort-Dienst in Stetten am kalten Markt und Beuron. Dieser Dienst kommt mit entsprechend hierfür ausgerüsteten Fahrzeugen zum Einsatz, wenn ein Rettungswagen im Notfall länger zum Notfallort braucht. Besonders hier bekommen wir auch die fortschreitende Ausdünnung der Krankenhauslandschaft zu spüren, weil die weitgehend gleichgebliebene Anzahl an Rettungswagen angesichts geschlossener Krankenhausstandorte immer weitere Wege zurücklegen muss und somit auch länger gebunden ist. Wir hatten noch nie so viele Vertretungseinsätze für den regulären Rettungsdienst, wie im vergangenen Jahr. Für die Helfer-vor-Ort-Einsätze bekommen wir kein Geld, das finanzieren wir aus eigener Tasche.
Welche Zuwendungen sind dem DRK-Ortsverein Heuberg-Donautal bisher zugeflossen?
Wir haben vor 20 Jahren unseren Mannschaftstransporter vom Land Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt bekommen. Das war‘s eigentlich. Das Fahrzeug war zudem nur sehr rudimentär ausgestattet, für weite Teile der Ausstattung sind wir selbst aufgekommen. Bei der Einführung der digitalen Alarmierung haben die Gemeinden Stetten am kalten Markt, Schwenningen und Beuron die Anschaffung der Meldeempfänger bezuschusst, als freiwillige Leistung, weil die Kommunen eigentlich für den Bevölkerungsschutz überhaupt nicht zuständig sind. Von der Gemeinde Schwenningen erhalten wir eine Vereinsförderung im Rahmen der dortigen Vorgaben. Gleiches gilt für Stetten am kalten Markt, was hier aber lediglich dazu führt, dass die Miete, die für unsere Räumlichkeiten und die Garage anfallen, etwas niedriger ist.
Was fordern Sie konkret von den staatlichen Institutionen, um die Situation zu verbessern?
Zunächst ist es überfällig, dass unsere Einsatzkräfte denen der Feuerwehren gleichgestellt werden. Wenn wir zum Einsatz kommen, egal, ob mit der Feuerwehr gemeinsam oder alleine, machen wir das bislang immer in unserer Freizeit. Da wir keinen Anspruch auf Freistellung haben, müssen wir am Arbeitsplatz solange ausstempeln. Natürlich gibt es dann auch keinen Verdienstausfall erstattet, geschweige denn eine Einsatzvergütung. Erst bei großen Schadenlagen und Katastrophen besteht ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung. Die allermeisten Einsätze im alltäglichen Dienst fallen aber hier nicht darunter und laufen daher auf Kosten unserer Leute. Für die Bereiche des Bevölkerungsschutzes kann es nicht sein, dass man alle 20 bis 25 Jahre mal ein Auto in den Hof gestellt bekommt und dann dafür im Gegenzug rund um die Uhr und sieben Tage die Woche mit Mann und Maus einsatzbereit sein soll. Zur Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit gehören viel mehr. Ausrüstung zum Beispiel oder auch eine adäquate Ausbildung der Einsatzkräfte. Hier muss definitiv mehr Geld ins System. Es kann nicht sein, dass sich Land und Bund hier weiter am Enthusiasmus der Einsatzkräfte gesundstoßen. Wenn man an die Ehrenamtlichen eine hohe Erwartungshaltung im Hinblick auf deren Einsatzfähigkeit hat, muss man auch die Grundlagen hierfür schaffen. Oder den Job selber machen! Für den Helfer-vor-Ort-Dienst wäre es schön, wenn es wenigstens eine kleine Anerkennung von den Krankenkassen gäbe. Das Material bekommen wir zwar bei Verbrauch ersetzt, die Vorhalte- und Spritkosten bleiben aber bei uns hängen. Vom Zeitaufwand ganz zu schweigen.
Was muss sich ändern, damit sich die Lage des Ortsvereins bessert?
Die Gleichstellung der Einsatzkräfte hatte ich schon erwähnt. Insgesamt wäre zu bedenken, wie wir als ‚weiße Zunft‘ in der Blaulichtfamilie zukünftig sicher finanziert werden können. Es ist eigentlich schwer verständlich, dass wir Pflichtaufgaben im Bereich der öffentlichen Sicherheit übernehmen, die eigentlich stattliche Aufgaben sind und andererseits die Mittel hierfür noch selbst aufbringen müssen. In den für uns klassischen Mittelbeschaffungsbereichen sehen wir uns zudem seit Jahren zunehmender Konkurrenz ausgesetzt. Die Bundeswehr veranstaltet am Standort Stetten am kalten Markt eigene Blutspendetermine, bei denen wir davon ausgehen müssen, dass sie unsere öffentlichen Termine schwächen. Altkleider sammeln, zumindest wenn der Preis gut ist, neben gewerblichen Sammlern schon auch mal örtliche Vereine oder Schulen. Es ist nicht so, dass ich das ihnen nicht gönnen würde. Aber uns fehlen natürlich diese Einnahmen. Nicht, um damit unseren nächsten Ausflug zu finanzieren, denn das können wir uns schon lange nicht mehr leisten, sondern wir benötigen die Mittel, um unsere Aufgaben in der öffentlichen Sicherheit wahrnehmen zu können. Juristisch sind wir zwar ein Verein, aber wir sind in die öffentliche Sicherheitsarchitektur eingebunden. Nicht umsonst haben wir Autos mit Blaulicht auf dem Dach.