Wie immer, wenn die Glasbläserzunft des Stettener Ortsteils Glashütte ihren Zunftball feiert, ist die Alpenblickhalle rappelvoll. Auch in diesem Jahr hatten sich die Glasbläser unter ihrem Zunftmeister Christian Szofer wieder etwas einfallen lassen, um ihr närrisches Publikum nicht nur zu unterhalten, sondern richtig auf Touren zu bringen. So stand der diesjährige Zunftball ganz im Zeichen der „Reeperbahn“ mit all ihren frivolen Angeboten, samt entsprechender mehr betonender als bedeckender Kleidung.
Auch der Transgenderismus kam dabei nicht zu kurz, klasse dargestellt zum einen von Dennis Bauer als Transmann, der zusammen mit Lisa Riester als Vollblutweib durch das Programm führte. Zum anderen Christoph Riester, der, ebenfalls als Transmann, den Vorsitz beim Narrenbüßergericht führte. Beide Männer spielten ihre Rolle ganz natürlich und ohne jegliche Scheu, was erstaunlich ist. Denn derart hergerichtet mit aufwendigem Makeup, Minirock und mit mindestens zehn Zentimeter hohen Plateauschuhen für einen Abend auf der Bühne agieren, ist für gestandene Glashütter Mannsbilder sicher nicht alltäglich.
Im Kontrast dazu stand die von Lisa Riester verkörperte Edeldirne, die von ihren Reizen voll überzeugt war und deshalb mit dem schönen Transmann Dennis den Deal aushandelte, herauszufinden, ob sich ein unbedarfter Heteromann verführen lässt und wenn ja, von wem. Als Opfer dieses Deals hatten die beiden ein unschuldiges Bäuerlein aus den Schwäbischen ausgemacht, das sich irrtümlicherweise statt auf einem Viehmarkt – „i han e Kiehle welle, mit em scheene broite Fiedle und em pralle Euter“ – sich auf dem Hamburger Fischmarkt wiederfand.
Aufgrund seines in Hamburg nicht richtig verstandenen Dialekts landete der Arme auf der Reeperbahn, wo entsprechend ausgestattete Damen zu finden waren. In der Rolle des braven Landeis brillierte wieder einmal Volker Beck, der bereits seit Jahren mit seinem unnachahmlichen Humor und schauspielerischem Talent dem Zunftball der Glasbläser seinen Stempel aufdrückt. Ein Wermutstropfen fiel allerdings in den süffigen Becher des Glasbläserzunftballs: Zum ersten Mal fehlte die beliebte achtköpfige Sanges- und Comedytruppe „Los Carinjos“, die in den vergangenen 25 Jahren mit Parodie und Gesang das Ortsgeschehen auf die Schippe nahmen und mit ihrem Auftritt immer einen glanzvollen Schlusspunkt setzten.
„Aber nach 25 Jahren dürfen die Los Carinjos wirklich verdient in den Ruhestand gehen“, sagte Volker Beck, zuständig für die Narrenblattredaktion der Zunft, in einem Gespräch. Die Altgedienten der Glasbläserzunft hatten aber schon in den Jahren davor die Jugend gezielt animiert und gefördert, eigene Geschichten und Sketche zu erarbeiten und aufzuführen. So beispielsweise die Landjugend mit ihrer „Krautstampfer-Garde“.
Hierbei hatten sich die männliche und weibliche Jugend zusammengetan und fetzige Choreografien einstudiert, wobei beide Geschlechter in Röckchen mit Spitzenunterhosen und Shirts auftraten. Dabei wechselten witzig-zweideutige Tanzeinlagen mit seriös-sportlichen Passagen ab, was diesen Programmpunkt spannend, lustig und Respekt einflößend zugleich machte. Denn immerhin war davon auszugehen, dass dem männlichen Part dieser Auftritt mehr Überwindung, Schweiß und Koordinationsvermögen kostete, als der weiblichen Seite.
Zu den Höhepunkten des Abends zählte auch das Narrenbüßergericht, bei dem die einzelnen Zünfte der Gesamtgemeinde zur Gaudi des Publikums ihr Fett abbekamen. Mit dabei waren auch wieder eine Tanzgruppe des TSV Stetten a.k.M. und natürlich das musikalische Quartett „Jürgen, Jürgen & Friends“. Fehlen durfte auch ein Männerballett nicht, dass sich gemäß dem Motto „Reeperbahn“ in Netzstrümpfen präsentierte und sich in enge Korsagen gezwängt hatte.