In den 80er Jahren zählten die Buchserien „Hanni und Nanni“ und „Dolly“, heute „Carlotta“ oder „Internat Sternfels“ zu beliebten Geschichten rund ums Internatsleben. Die rund 100 Internatsschülerinnen der Heimschule Kloster Wald schreiben jeden Tag ihre eigenen individuellen Geschichten.
Internatsbereich über drei Etagen
Über drei Etagen im ehemaligen Schwesterntrakt des vierflügeligen, verwinkelten Klostergebäudes erstreckt sich der Internatsbereich für rund 100 „interne“ Schülerinnen des Mädchengymnasiums. Historische Deckenbalken, Zwischenetagen, diverse Treppenhäuser, knarzende Treppenstufen und Dielenbretter sowie ausgefallene Namen der Wohnbereiche, wie Edelsteingang, Märchengang oder Arche Noah-Gang und Zimmer nach Bäumen oder Flüssen benannt, sorgen für eine besondere Wohnatmosphäre.

Feste Tagesstruktur vorgegeben
Einige Internatsschülerinnen gewährten dem SÜDKURIER einen Einblick in ihren Alltag. Die 15-jährige Amélie Geyer verbringt im Internat bereits ihr sechstes Schuljahr. „Alles war verwirrend, neu und aufregend“, erinnert sich die gebürtige Schweizerin an ihre ersten Tage. „Du brauchst einige Zeit, um einen Plan zu kriegen, wo die Stufen verschiedenen Jahrgänge untergebracht sind“, bestätigt die 16-jährige Frida Gruber.
Während immer zwei Unterstufenschülerinnen im Doppelzimmer zusammenwohnen, gibt es für die Kursstufenschülerinnen ab der elften Klasse Einzelzimmer. Alljährlich in den Sommerferien wechseln sie die Zimmer. Im Internat gibt es eine feste Tagesstruktur mit Lernen, Arbeitsgemeinschaften und Freizeit. Ihr Frühstück, sowie Mittagessen, Kaffee und Abendessen nehmen die „Internen“ in der Mensa ein. Um 8 Uhr beginnt der Schulunterricht.
Nachts zwei Erzieherinnen im Haus
„Im Internat müssen die Schülerinnen ihr Bett immer selbst machen und das Zimmer ordentlich halten“, schildert Erzieherin Birgit Rupp. Auch ihre Wäsche erledigen die Meisten nach kurzer Zeit eigenverantwortlich. Im Nachtdienst sind zwei Erzieherinnen im Haus, falls eine Schülerin erkrankt oder ein Feueralarm ausgelöst werden sollte. „Es gibt viele Mädchen, die schön eingerichtete Zimmer haben. Sie schlafen da drin, leben da drin, machen in ihrem Zimmer ihre Hausaufgaben“, sagt Erzieherin Viola Rößler.

Es gibt selten Momente, in denen sie sich alleine fühle, beschreibt Frida Gruber. Es sei eher das Gegenteil der Fall, dass sie eher gezielt das Alleinsein suche, gibt die Zwölftklässlerin Maren Johner an. Von 14 bis 16 Uhr ist Studierzeit, um zu lernen und die Hausaufgaben zu erledigen. Der Begriff „Heim“ habe nichts mit einer Heimunterbringung zu tun, sondern rühre aus der Zeit, als Heimschulgründerin Schwester Sophia ein Heim für Mädchen als Lebensort mit Bildung schaffen wollte, damals ein Novum in den frühen Nachkriegsjahren. Nach der Studierzeit und Lehre, nach dem Abendessen und am Wochenende können die Internatsschülerinnen ihren Hobbys nachgehen. „Man muss auch einen Gemeinschaftssport machen“, schildert Hannah Steinmann. Es gibt eine Lauf-AG, Tennis, Hockey, Völkerball, Schwimmen, Tanzen, Reiten, im Sommer können sie Golf lernen oder den Segelschein ablegen.
Internatsleben früher strenger
Alle drei Wochen ist Heimfahrtswochenende für die Mädchen und jungen Damen. Auch die Ferien verbringen sie meist bei den Familien. „Aber wenn es nötig ist, dürfen sie auch öfter heim“, versichert Birgit Rupp. Übrigens sei das Internatsleben früher viel strenger gewesen, erinnert sich die Erzieherin.
Mit den drei Schlagwörtern „Gemeinschaft, turbulent, chaotisch“ überschreiben die jungen Frauen ihr Internatsleben. Selbstverständlich bleiben hier auch Reibereien nicht aus, diese spielen sich laut Birgit Rupp jedoch eher in den niederen Klassen ab. Die Schülerinnen der höheren Klassen distanzieren sich mehr voneinander und ziehen sich bei Bedarf in ihren eigenen Raum zurück, berichtet die Zwölftklässlerin Yolande Andrae. Der Kontakt zu den Freunden daheim verliere sich durch das Leben im Internat.
Orientierung am Anfang kniffelig
Das Internatsleben hat vor allem anfangs seine Tücken. Als Sechstklässlerin hatte Maren Johner einmal den Türcode der Eingangstür vergessen und kam nicht mehr ins Gebäude. In der siebten Klasse hatte Hannah anfangs einmal ihre Klassenräume nicht mehr gefunden. Amélie habe erst nach einem Jahr kürzere Verbindungswege entdeckt, erinnert sich die 15-Jährige. Im jeweiligen Wohnbereich der Stufen gibt es auch ein Gemeinschaftszimmer, um sich zu treffen, fernzusehen, zu chillen und eine Gemeinschaftsküche, in der die Schülerinnen auch mal Spaghetti mit Tomatensoße kochen.
Einhellig bestätigen alle Internatsschülerinnen, dass man im Internat schneller selbstständig werde als daheim. Frida, Amélie und Hannah stammen aus der Schweiz, im Internatsbereich leben jedoch Schülerinnen aus der ganzen Welt zusammen.
Besucher müssen sich an- und abmelden
Selbst die Väter der Schülerinnen müssen um 20 Uhr den Internatsbereich verlassen. Generell müssen Besucher an- und wieder abgemeldet werden. Die Hausmeister erledigen anfallende Arbeiten im Internatsbereich meist morgens während der Schulzeit. Für das tägliche Fitnessprogramm sorgen die vielen Treppenstufen im Haus. „Wenn man unten etwas liegen gelassen hat, überlegt man sich, ob man es wirklich braucht“, sagt Maren.
Für die Zehntklässlerin Matilda Bendfeld sind schöne Momente, dass sie immer Freundinnen um sich habe und mit ihnen etwas unternehmen kann. Gruppenausflüge am Wochenende, Spiele-oder Raveabende im Partykeller, Traditionen wie das Faschingsspiel sorgen dafür, dass bei den Internatsschülerinnen auch nach „Schulschluss“ keine Langeweile aufkommt.
„Internat ist kein Familienersatz, sondern eher Zugewinn von engen sozialen Bindungen“
Der SÜDKURIER sprach mit Rita Schmid, Internatsleiterin der Heimschule Kloster Wald, was es bedeutet, im Internat der Heimschule zu leben. Welche Vorteile, aber auch Herausforderungen bringt diese Art von Miteinander mit sich?
Frau Schmid, wodurch ist das Internatsleben der Heimschule Kloster Wald geprägt?
Das Internatsleben ist geprägt vom alltäglichen Miteinander in Schule, Studier- und Freizeit. Das christliche Profil spiegelt sich nicht nur in täglichen Gebeten und sonntäglichen Gottesdiensten wieder, sondern zeigt sich vor allem durch das sich gegenseitige Wertschätzen und Unterstützen im Alltag. Ehemalige Internatsschülerinnen – die Urwälderinnen – berichten immer wieder von langanhaltenden, prägenden Freundschaften untereinander und ermöglichen ihren Töchtern ebenso die Internatserfahrung in Wald. Auch soziale Herausforderungen, wie Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten untereinander, fördern persönliche Reifungsprozesse. Freundschaftliche Auseinandersetzungen werden intensiver und komplexer erlebt.
Internat – bedeutet das eine Chance zum Schulbesuch für Gymnasiastinnen aus der ganzen Welt?
Im Internat Kloster Wald leben Mädchen aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen. So haben wir zur Zeit Schülerinnen aus ganz Deutschland, der Schweiz, Österreich, England, Spanien, Ukraine, Thailand, Südkorea und China. Sowohl Schule wie Internat profitieren durch die kulturelle und sprachliche Vielfalt der ausländischen Schülerinnen. Durch ein spezielles Förderprogramm an Nachmittagen erzielen die ausländischen Schülerinnen schnell Fortschritte in der deutschen Sprache und finden Anschluss an den regulären Unterricht.
Wie hoch sind die monatlichen Kosten für das Leben im Internat? Was müssen Eltern für den Internatsaufenthalt eines Kindes in der Heimschule Kloster Wald bezahlen?
Ein Internatsplatz kostet etwa 1200 Euro im Monat, abhängig von Ein- oder Mehrbett-Zimmerbelegung. Eine Ermäßigung kann beantragt werden.
Und noch eine letzte Frage möchten wir Ihnen stellen: Kann das Internatsleben für die Kinder das eigene Zuhause ersetzen?
Das Internat ist kein Familienersatz, sondern eher ein Zugewinn von engen sozialen Bindungen. Viele Mädchen betrachten das Internat als ihr zweites Zuhause und empfinden es als etwas sehr Besonderes und Wertvolles, mit Freundinnen und gleichaltrigen Mädchen zusammen zu leben. Schülerinnen berichten immer wieder, dass die sonst alltäglichen Streitthemen zuhause sich zwar nun auf das Leben im Internat verlagern, die Zeit mit der Familie an Heimfahrwochenenden und in den Ferien ist dafür meist spannungsfreier und harmonischer.
Fragen: Sandra Häusler