Von Corona genesen heißt noch lange nicht gesund. Nach einem Jahr Corona-Pandemie hat sich inzwischen gezeigt, dass besonders die Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf an extremen Langzeitfolgen leiden, aber nur selten oder nur spät Hilfe finden. Bis jetzt gibt es für die Betroffenen keine Anlaufstellen. Das soll sich jetzt ändern.

Alle wollen helfen, das Corona-Forum der Espan-Klinik auf den Weg zu bringen (von links): die ehemaligen Patienten Sabine von Staa, ...
Alle wollen helfen, das Corona-Forum der Espan-Klinik auf den Weg zu bringen (von links): die ehemaligen Patienten Sabine von Staa, Christof Renz, Sabrina von Meyenburg und Anita Reischmann, die Landtagsabgeordnete Martina Braun (Grüne), von der Espan-Klinik der leitende Psychologe Günter Diehl, Chefarzt Horst Wittstruck und Klinikgeschäftsführer Bernd Baumbach. Bild: Sabine Naiemi | Bild: Naiemi, Sabine

Die Espan-Klinik aus Bad Dürrheim will diesen Menschen, die an Langzeitfolgen leisten, mit einem Corona-Forum unter ihrem Dach Hilfe leisten, ihre Kompetenz beisteuern. In der der Fachklinik für Atemwegserkrankungen befanden sich bis jetzt mehr als 320 Patienten nach ihrer Erkrankung zur Rehabilitation. Die ehemaligen Patienten der Klinik – auch außerhalb des Kreises – sind gerne bereit sich entsprechend einzubringen. Sie sehen die Notwendigkeit von Hilfsangeboten, sehnen sie geradezu herbei.

Beschwerden sind nicht sichtbar

Konzentrationsschwäche, Albträume, allgemeine körperliche Schwäche, Luftnot, Müdigkeit und vieles mehr – diese Symptome der Langzeitfolgen sieht man den Menschen äußerlich nicht an. Entsprechend niedrig ist – sehr oft auch seitens der Arbeitgeber und der Umgebung – das Verständnis für die Probleme, mit denen die Genesenen zu kämpfen haben und die in erheblicher Weise nicht nur das soziale Leben einschränken. Den solchermaßen Betroffenen gelingt nur unter großen Schwierigkeiten der Wiedereinstieg in den Beruf – wenn überhaupt. In solchen Fällen spreche man von „Long-Covid“, erklärt die Landtags-Abgeordnete Martina Braun (Grüne).

  • Christof Renz, Unfallchirurg, Tuttlingen erklärt: „Ich befinde mich seit dem 1. Dezember 2020 in der Wiedereingliederungsphase und schaffe nicht mehr als sechs Stunden täglich.“ Er habe sich im Rahmen seiner Berufsausübung angesteckt. Er sei schnell außer Atem, ermüde sehr schnell. Wobei er im Vergleich zu vielen anderen in der „komfortablen“ Lage sei, dass sein Arbeitgeber jegliches mögliche Entgegenkommen leistet. Zu großen Belastungen würden neben den körperlichen Beschwerden die psychischen Symptome führen wie Albträume und Flashbacks.
  • Sabrina von Meyenburg aus Konstanz berichtet, dass sie ihren Beruf als Lokführerin in der Schweiz wegen des bei ihr vorliegenden extremen Konzentrationsmangels nicht mehr ausüben könne. Von der Hausärztin sei sie gar als Simulantin abgestempelt worden, sie bilde sich das wahrscheinlich alles nur ein. Mehr als zwei Stunden Arbeit – jetzt im Homeoffice – bekomme sie nicht hin. Sie könne nicht einmal ein Buch lesen, oder einen anspruchsvollen Film schauen. War sie früher stolz darauf, unabhängig und berufstätig zu sein, müsse nun ihr Partner die Hauptlast für alles tragen, was für diesen ebenso eine große Belastung darstelle und sich wiederum verstärkt negativ auf ihre eigene psychische Verfassung auswirke. „Es ist traurig zu sehen, wie er sich abrackert. Es ist kein Ende in Sicht. Ich will wieder so sein wie früher!“
  • Sabine von Staa aus Singen hat durch die Krankheit ihren Arbeitsplatz als Arztsekretärin in einem Hospital in der Schweiz verloren. Sie traf es besonders hart. Ihr Mann lag nach einem Herzinfarkt auf der Intensivstation während sie erkrankte. Sie wurde 25 Tage lang ins künstliche Koma gelegt, hatte Nierenversagen und große Blutverluste, überlebte nur knapp und berichtet von mehreren Nahtoderfahrungen. Als sie in der Espan-Klinik eintraf, konnte sie nur am Rollator gehen, war nicht einmal in der Lage, einen Tasse Kaffee zu halten. Ihr gingen die Haare aus, sie kam zu einer zweiten Reha nach Bad Dürrheim. Auch heute noch hat sie Konzentrationsstörungen, kann aber immerhin wieder Auto fahren. Was sie heute noch belastet ist, dass sie und ihr Mann über drei Monate hinweg – gerade während dieser schwierigen Zeit – sich nicht sehen durften. „Man war die ganze Zeit allein, das macht etwas mit einem.“ Wie es für sie weitergeht, kann sie momentan noch nicht sagen. „Ich möchte mein altes Leben zurückhaben“, sagt sie.
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Genesen aber nicht gesund

Man denkt man sei gesund, aber der Alltag zeige, dass das nicht stimmt. Es habe sich gezeigt, dass die Betroffenen eine Plattform brauchen, um gehört zu werden und Hilfe zu erhalten. Das bestätigen Chefarzt Horst Wittstruck und der leitende Psychologe Günter Diehl. Die Forderung richtet sich auch auch die Politik, entsprechende Strukturen für von Langzeitfolgen betroffene Patienten einzurichten. Die Betroffenen wollen gehört werden und Hilfe bekommen.

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In Regensburg habe Karl Baumann, auch ein ehemaliger Reha-Patient der Espan-Klinik, mit Unterstützung von Günter Diehl inzwischen eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Die Resonanz sei enorm, berichtet der Psychologe Diehl.

Das Corona-Forum der Espan-Klinik soll nun den Grundstein legen für Hilfsangebote, die Gründung für Selbsthilfegruppen, kombiniert mit dem in der Zwischenzeit erworbenen Knowhow der Klinik, das unter anderem in Vorträgen seinen Niederschlag finden soll.

Diese Gesprächs- und Selbsthilfegruppen und der Austausch mit anderen Betroffenen würden aufzeigen – „man ist nicht verrückt“, erklärt Sabrina von Meyenburg. Das Vorhaben der Espan-Klinik wird von allen Seiten begrüßt. Gerne nehmen die ehemaligen Rehabilitanden dafür längere Wege in Kauf, um das nach Kräften zu unterstützen.

Die Landtagsabgeordnete Martina Braun (Grüne) sicherte zu, dass sie sich unabhängig vom Ergebnis der Landtagswahl am kommenden Sonntag und unabhängig davon, welche Position sie nach der Wahl haben werde, für diese Sache stark machen werde.

Jetzt solle in ersten Gesprächen geklärt werden, wie das weitere Vorgehen aussehen könne, erklärte Klinikgeschäftsführer Bernd Baumbach. Sobald weitere Pläne feststehen, werde man die Öffentlichkeit darüber informieren. Da die Long-Covid-Betroffenen von überall her kommen, wird das Vorhaben wohl bald auch in andere Landkreise getragen werden.