Wolf-Wilhelm Adam

Die Espan-Klinik in Bad Dürrheim beherbergt Anfang Juli rund 35 Patienten, die nach ihrer schweren Covid-19-Erkrankung auf dem Weg der Besserung sind. Doch diese Patienten gehen einen schweren und steinigen Weg.

Im Gespräch mit dem Psychologen Günter Diehl versucht Anita Reischmann, ihre Erlebnisse mit Covid-19 zu verarbeiten.
Im Gespräch mit dem Psychologen Günter Diehl versucht Anita Reischmann, ihre Erlebnisse mit Covid-19 zu verarbeiten. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

In der Bad Dürrheimer Klinik, die auf die Behandlung von Atemwegserkrankungen spezialisiert ist, befinden sich überwiegend Patienten, die das Virus mit voller Breitseite getroffen hatte. Sie kommen hauptsächlich von den Unikliniken Freiburg und Tübingen, manche aber sogar aus Österreich. Der jüngste Patient war Anfang 40, der älteste um die 80 Jahre. Und im Durchschnitt sind sie 60 Jahre alt. Eine von ihnen ist Anita Reischmann aus Engen. Sie berichtet von ihrer Erkrankung und betont: „Covid-19 ist alles andere als ein harmloser Schnupfen.“

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Sieben Wochen künstliches Koma

„Es hat alles mit einer für mich zunächst harmlosen Erkältung begonnen. Doch als Fieber dazukam, bin ich zum Arzt gegangen. Da ich allerdings kein Risikopatient bin, hat der mich wieder heimgeschickt. Zwei Wochen später musste mich der Rettungswagen mit Atemnot zuhause abholen“, so Reischmann über den Beginn ihrer Erkrankung. Nach knapp einer Woche sei der Verlauf extrem geworden. Sie wurde an die Uniklinik nach Freiburg verlegt, mittels Luftröhrenschnitts beatmet und ab dann hat sie einen Filmriss: Sie wurde in ein künstliches Koma gelegt. Insgesamt wurde Anita Reischmann siebeneinhalb Wochen lang künstlich beatmet.

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Vor fünf Wochen kam sie schließlich nach Bad Dürrheim. „Frau Reischmann kam liegend zu uns in die Klinik. Durch die sehr lange künstliche Beatmung und die damit verbundene Bauchlage hatten sich ihre Muskeln degeneriert, und an ein eigenständiges Aufstehen war nicht zu denken“, berichtet Chefarzt Horst Wittstruck. Neu sei, wie breit gestreut die Auswirkungen von Covid-19 sein können.

Chefarzt Horst Wittstruck kümmert betont, wie viele Organe und Bereiche des Menschen durch Covid-19 betroffen werden können.
Chefarzt Horst Wittstruck kümmert betont, wie viele Organe und Bereiche des Menschen durch Covid-19 betroffen werden können. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Patienten sind stark geschwächt

So wie ihr gehe es einem Großteil der Patienten, die in der Espan-Klinik ankommen. Muskulär stark geschwächt, akuter Sauerstoffmangel im Blut, Einschränkungen der Lungenfunktionen, Lähmungen, Sensibilitätsstörungen und vieles mehr. „Dass so viele Organe betroffen sind, ist für uns das eigentlich Neue, was Covid-19 mit sich bringt. Dennoch sind wir hier auf die Symptome und deren Behandlung eingestellt. Sie machen kaum Unterschiede zu denen unserer „gewöhnlichen“ Lungenpatienten“, so Wittstruck.

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Die Espan-Klinik sei daher mit ihrem multidisziplinären Konzept bestens gerüstet für die Covid-19-Patienten. „Wir haben die entsprechenden Fachrichtungen im Haus und können direkt in eine intensive Behandlung einsteigen“, macht Geschäftsführer Bernd Baumbach deutlich. Seiner Initiative verdanken es sowohl Klinik als auch die Patienten, dass hier in Bad Dürrheim ein solches Angebot vorhanden ist. „Wir hielten als Ersatzkrankenhaus über 20 Betten für den Notfall bereit. Zum Glück wurden diese nicht angefordert. Doch den Menschen muss nicht nur akut geholfen werden, sondern insbesondere im Nachgang ist Hilfe und Therapie vonnöten“, betont Baumbach. Diese Meinung teilt auch Günter Diehl, leitender Psychologe der Espan-Klinik.

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Extreme psychische Belastung

Diehl ist für die psychologische Betreuung der Covid-19-Patienten verantwortlich und beschreibt einen Aspekt, der bei einer solchen Erkrankung in den Mittelpunkt rückt: „Es ist eine Art Vernichtungsgefühl, mit dem die Patienten zu kämpfen haben. Viele denken: das war‘s.“ Er spricht von der Tatsache, dass alle Patienten, die hier in Bad Dürrheim nach ihrer überstandenen Covid-19-Erkrankung nachbehandelt werden, hochgradig psychologisch belastet sind. „Die Krankheit, deren Ausgang ungewiss ist, ist das eine. Völlig isoliert zu sein und Angehörige über Wochen hinweg nicht sehen zu können, ist zusätzlich eine noch viel größere Belastung.“

Anita Reischmann erging es ähnlich. In der ersten Klinik war sie nicht in der Lage zu sprechen. Sie konnte zwar mit ihrem Partner telefonisch Kontakt halten, verständigte sich allerdings nur über Klopfzeichen. In Freiburg durfte er sie dann auf der Intensivstation besuchen, doch durch ihr Koma kann sie sich daran nicht erinnern. „Ich war wie in einem Schwebezustand, der aber zum Glück von positiven Gefühlen geprägt war. Auch wenn ich die Anwesenheit meines Partners nicht aktiv wahrnehmen konnte, so scheint sie mir dennoch Kraft gegeben zu haben“, erzählt die 47-Jährige. Es sind aber besonders die Albträume, die ihr wie auch vielen anderen zu schaffen machen. Auch hieran wird in der Espan-Klinik gearbeitet.

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„Es wird für alle noch ein langer Weg sein“, sagt Chefarzt Wittstruck. Die meisten Patienten bleiben sieben Wochen und länger. Doch durch die Beeinträchtigung vieler Organe gleichzeitig als Folge der Krankheit bedarf es einer intensiven Betreuung in mehreren Fachrichtungen über die Reha hinaus. Und hier ergibt sich ein großes Problem für die Patienten. Nach der Reha sollte die Weiterbehandlung übergangslos erfolgen, doch kaum ein Facharzt habe kurzfristig Termine frei.

Heute kann sie wieder lachen: Anita Reischmann erkrankte an Covid-19, wurde siebeneinhalb Wochen behandelt und erholt sich jetzt in der ...
Heute kann sie wieder lachen: Anita Reischmann erkrankte an Covid-19, wurde siebeneinhalb Wochen behandelt und erholt sich jetzt in der Espan-Klinik von der Krankheit. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Trotz aller erreichten Fortschritte der vergangenen fünf Wochen sei Anita Reischmann vom „Bäume-Ausreißen“ noch weit entfernt, erklärt Klinikgeschäftsführer Baumbach. Laut den behandelnden Ärzten werde es noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis sie ihren Stand von vor Covid-19 annähernd wieder erreiche. Vor ihr und den vielen anderen Patienten liegt noch ein langer Weg. Doch Anita Reischmann ist guter Dinge und freut sich darauf, am 14. August entlassen zu werden. „Ich blicke positiv in die Zukunft“, sagt sie auf dem Weg zum Kardio-Training.

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