Heinrich Löhrer ärgert sich. „Das kann einfach nicht sein, das versteht doch kein Mensch mehr“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Neben ihm liegt sein Mobiltelefon, der Lautsprecher ist an. Er hängt in der Warteschleife fest, Musik erklingt, seit fünf Minuten. Kurz vorher musste er die Fragen einer Computerstimme nach seiner Postleitzahl und zur Datenschutzverordnung beantworten sowie eine Auswahl aus den Optionen „Termine“ und „Beratung“ treffen. Nach weiteren Minuten legt Löhrer wieder auf. Es war nicht das erste Mal, dass er die Patienten-Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unter der Nummer 116117 angerufen hatte, um einen Facharzt für eine Untersuchung einer Gefäßerkrankungen zu finden. Von seinem Hausarzt hatte er eine Überweisung für diese medizinische Leistung bekommen. Die beschriebene Situation ereignete sich bereits Anfang März, noch vor der großen Corona-Krise.

Nur stationäre Versorgung

Löhrers erste Anlaufstelle war die Gefäßchirurgie im Schwarzwald-Baar Klinikum. Dort sei er an die oben genannte Nummer verwiesen worden mit der Begründung, dass das Klinikum für ambulante Leistungen in der Gefäßchirurgie keine kassenärztliche Zulassung habe. Dies bestätigte Sprecherin Sandra Adams gegenüber dem SÜDKURIER: „Für bestimmte ambulante Leistungen in der Gefäßchirurgie braucht das Schwarzwald-Baar Klinikum eine neue Zulassung von der KV, ohne diese dürfen wir nicht behandeln.“ Ein Antrag sei gestellt, bislang gebe es aber noch keine Rückmeldung dazu. Die Entscheidung liege bei der KV. „Wir hoffen, sie fällt positiv aus“, so Adams weiter. Hintergrund sei die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in Deutschland. Krankenhäuser seien für die stationäre Versorgung zuständig, die niedergelassenen Ärzte für die ambulante Versorgung.

Patientenservice

Also versuchte der 60-Jährige unter der genannten Telefonnummer sein Glück, mit mäßigem Erfolg. Erst nach mehreren Anrufen, Warteschleifen und Gesprächspartnern stand fest: „Ich habe nun einen Untersuchungstermin Ende März bei einem Arzt in Rottweil bekommen“, sagt Löhrer. Dieser wurde ihm über die Hotline direkt zugeteilt, nachdem erst eine Untersuchung in Offenburg vorgeschlagen wurde. „Man wird hin und her geschickt“, ärgert sich der 60-Jährige, der als Busfahrer tätig ist. „Und das, obwohl hier Kliniken geschlossen wurden, um ein neues, modernes Krankenhaus zu bauen“, so Löhrer weiter. Zudem kenne er eine Fachärztin vor Ort, die ihn wegen fehlender Zulassung ebenfalls nicht aufnehmen durfte. Dass Patienten für eine Untersuchung nach Rottweil oder nach Offenburg geschickt werden, versteht Löhrer nicht, der auf 45 Arbeits- und Beitragsjahre zur gesetzlichen Krankenversicherung zurückblickt. Und vor drei Jahren sei er in fast selber Angelegenheit im Schwarzwald-Baar Klinikum erst untersucht und später operiert worden, ohne Probleme. Ein Notfall sowie eine stationäre Einweisung seien auch damals nicht vorgelegen.

Stellungnahme

Löhrer habe auf jeden Fall richtig gehandelt. Für die Vermittlung von Fachärzten und Terminen sei der Patientenservice unter der Nummer 116117 zuständig, teilt Kai Sonntag, Sprecher der KV Baden-Württemberg, auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. „Wir bitten um Entschuldigung, dass wir im Augenblick Einschränkungen haben, aufgrund einer Flut von Anfragen wegen Corona“, so Sonntag. Hinzu komme, dass die Rufnummer zum Jahresbeginn mit zusätzlichen Diensten versehen worden sei. „Die Handhabung ist daher im Augenblick noch unkomfortabel für Patienten.“ Das sei jedoch eine Übergangszeit, erklärt er und stellt in Aussicht: „Auf Dauer wird das für die Patienten einfacher und komfortabler sein.“

Fachärztliche Versorgung

Deutschland habe im Vergleich zu allen anderen Ländern eine sehr engmaschige ambulante fachärztliche Versorgung, so Sonntag. Es gebe jedoch eine Trennung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung. Um ambulant Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung („Kassenpatient“) behandeln zu dürfen, benötige ein Arzt eine Zulassung sowie einen Arztsitz. „Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass die Zahl der Arztsitze in Deutschland begrenzt ist“, erklärt der KV-Sprecher. Für jeden Planungsbezirk würde es daher eine bestimmte Anzahl von Arztsitzen pro Facharztgruppe geben. Wie groß der Bezirk sei, hänge von der Arztgruppe ab. Bei Hausärzten werde das in Mittelbereichen, Untereinheiten eines Landkreises, gerechnet. Bei Fachärzten seien es ebenfalls Stadt- und Landkreise, oder auch ganze Regionen. „Über die Zulassungsanträge entscheidet der zuständige Zulassungsausschuss. Das ist ein rechtlich selbständiges Gremium, das sich zu gleichen Teilen aus Vertretern der Krankenkassen und der Ärzteschaft zusammensetzt“, erklärt Sonntag weiter. Bei Privatpatienten sei die Regelung anders, da diese die Behandlung selbst bezahlen. Eine Überweisung sei dann nicht erforderlich.