Bad Dürrheim hat den Ruf, eine Stadt nur für Wohlhabende zu sein. Was haben Sie vor, um das Leben in der Kurstadt bezahlbar zu halten?
Bad Dürrheim ist ein dreifach ausgezeichneter Kurort mit hoher Lebensqualität. Die Nachfrage ist enorm hoch, was Auswirkungen auf Miet- und Eigentumspreise hat. In den vergangenen Jahren wurden jedoch auch sehr viele Wohnungen im gesamten Stadtgebiet geschaffen. Mit dem Baugebiet „Herrengarten“ ist ein städtisches Wohnbaugebiet für Familien entstanden, und das Gebiet „Äußere Bündt“ in Unterbaldingen ist in Planung.
Wie könnte sich aus Sicht der Stadt bezahlbarer Wohnraum schaffen lassen?
Es gibt verschiedene Investoren, mit denen wir im Hinblick auf bezahlbares Wohnen im Gespräch sind. Die Herausforderung ist jedoch, dass bezahlbares Wohnen bei den gesetzten Baustandards nur mit einer bestimmten Verdichtung möglich und daher auch nicht überall gerne gesehen ist. Der Gemeinderat hat bereits Leitlinien für eine qualitätsvolle Innenentwicklung verabschiedet, um Wohnraum im Innenbereich zu schaffen, was dauerhaft auch den Preisdruck reduzieren dürfte. Es ist in unser aller Interesse, dass Baulücken bebaut und Leerstände wieder genutzt werden, um den Flächenverbrauch zu begrenzen. Da ist schon einiges gegangen, und wir sind auf einem guten Weg.
Damit einhergehend: Wie entwickelte sich der Altersschnitt in der Stadt in den vergangenen zehn Jahren?
Die Bevölkerungsdaten der letzten zehn Jahre zeigen eine kontinuierlich wachsende Zahl älterer Menschen ab 65 Jahren. Dies unterstreicht, dass sich ältere Menschen in unserer Stadt besonders wohlfühlen. Eine gut ausgebaute Infrastruktur, umfangreiche Freizeitangebote sowie eine hohe Lebensqualität tragen maßgeblich dazu bei, dass unsere Stadt für Senioren attraktiv bleibt. Gleichzeitig stellen wir jedoch fest, dass auch die Zahl junger Menschen und Familien stark ansteigt. Dies ist der Grund, weshalb wir kräftig in die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen investieren. In Bad Dürrheim sind alle Generationen herzlich willkommen, und wir haben vieles zu bieten. Ich wünsche mir aber auch, dass sich manche Bürger noch mehr in Vereinen, Kirchen oder bürgerschaftliches Engagement einbringen. Denn dann wohnen sie nicht nur, sondern leben hier richtig, unabhängig vom Alter.
Durch Bad Dürrheims Friedrichstraße wälzen sich täglich viele Autos. Stellt sie das zufrieden? Oder denken Sie über eine Fußgängerzone nach?
Die Verkehrssituation in der Friedrichstraße ist immer wieder Thema. Und das auch völlig zu Recht. Es gibt verschiedenste Verkehrsinteressen und leider auch nicht nur rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer. Derzeit wird ein Mobilitäts- beziehungsweise Verkehrskonzept erarbeitet. Ziel ist es, die Mobilität in unserer Stadt ganzheitlich zu betrachten und Optimierungen im Zusammenspiel aller Verkehrsarten zu erreichen. Bis zur Sommerpause sollen uns die Ergebnisse und Erkenntnisse vorliegen. Dann wird es Aufgabe des Gemeinderats sein, aufgrund dieser Fakten gute Entscheidungen für unsere Stadt zu treffen. Und egal, wie diese aussehen, werden wir vermutlich auch im Nachgang Diskussionen haben, da es schwierig ist, allen Verkehrsteilnehmern gerecht zu werden.
Wie läuft eigentlich das Jan-Ullrich-Museum. Gibt es dazu Besucherzahlen und weiterführende Pläne?
Als Zielgruppe haben wir unter anderem Radsportfans, die sich wahnsinnig darüber freuen, die Fahrräder, die berührenden Fotos und die vielen Trophäen der deutschen Radsportikone zu sehen. Highlights sind natürlich das Gelbe Trikot, der Pokal seines Tour-de-France-Sieges 1997, die olympischen Goldmedaillen oder auch die Bambis. Uns erreichen viele positive Rückmeldungen im Gästebuch oder in Rezessionen und auch in Gesprächen mit Museumsbesuchern, die ihre persönlichen Anekdoten über Jan Ullrich teilen und ihre langjährige Begeisterung für ihn zum Ausdruck bringen. Besucher kommen aus ganz Deutschland – teilweise extra angereist. Hiervon profitieren Beherbergungsunternehmen, aber auch Gastronomie und Einzelhandel.
Wie zu hören ist, gibt es aber nicht nur positive Stimmen zum Museum. Was denken Sie über Jan Ullrich?
Vereinzelt erreichen uns kritische Rückmeldungen zu diesem Museum aufgrund seines Dopingvergehens und auch seiner Alkoholeskapaden. Bad Dürrheim ist meiner Meinung nach eine Stadt, in der wir uns vor Menschen verneigen, die Großartiges, Unfassbares geleistet haben. Er ist der erfolgreichste Radsportler Deutschlands und immer noch ein gerne gesehenes Gesicht im Radsport. Wir sind aber auch eine Stadt, in der wir Menschen respektieren und wertschätzen, die Fehler zugeben und wieder zurück im Leben angekommen sind. Jan Ullrich ist einer, der wieder aufgestanden ist, obwohl er in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit, auch selbst verschuldet, ganz hart auf den Boden gefallen war. Viele hätten vermutlich nicht die Kraft gefunden, in das gesellschaftliche Leben zurückzukehren. Für mich ist er nicht nur ein Radsportidol, sondern das menschliche Vorbild, das nach einem brutalen Sturz wieder aufgestanden und zurück ins Leben gefunden hat. Es ist wichtig, Menschen nach Fehltritten eine zweite Chance in der Gesellschaft zu geben.
Was bedeutet der Radsport für Bad Dürrheim?
Wir möchten uns neben dem Riderman und den vergangenen Deutschen Radmeisterschaften noch stärker als Radsportstadt positionieren. Wir haben gute Bedingungen hierfür. Ziel wäre ein Radsporthotel. Aber nochmal zu dem Museum: Im Austausch mit Jan Ullrich wurde vereinbart, dass wir diese bedeutenden Exponate der deutschen Radsportgeschichte so lange in unserer Sammlung präsentieren dürfen, wie anhaltendes Besucherinteresse besteht.
Das Haus Hohenbaden steht immer noch als Bauruine am Ende des Kurparks da. Was haben Sie unternommen, um das zu ändern, welche Schritte sind geplant?
Die Situation um das Haus Hohenbaden ist sehr ärgerlich. In den vergangenen fünf Jahren gab es immer wieder Gespräche zwischen Stadtverwaltung, Insolvenzverwalter, Projektentwickler und potenziellen Investoren. Aus Sicht der Stadtverwaltung gab es konstruktive Gespräche und auch schon eine mögliche Lösung, die dann aber an den Forderungen der Gläubiger gescheitert ist, bevor sie im Gemeinderat final beraten werden konnte. Hier muss seitens der Gläubiger der Realität ins Auge geschaut werden. Hohe Baupreise, nach wie vor herausfordernde Zinsen und eine Bauruine, bei der die Investitionskosten schwer abschätzbar sind, schrecken mögliche Investoren ab. Wenn bis Ende dieses Jahres keine Einigung erzielt ist, wird das Bestandsgebäude wohl nicht mehr zu erhalten sein.
Zum Schluss wie immer die Frage: Wie steht es aktuell um den Zwei-Millionen-Euro-Verlust durch die Greensill-Bank?
Diese Frage muss zweigeteilt betrachtet werden: zum einen aus Bilanzierungssicht und einmal aus Schadensicht. Bilanziell gesehen sind die kompletten Forderungen abzuschreiben. Aus Schadenssicht ist es so, dass die Stadt 150.000 Euro durch die Versicherung der Gemeinde bekommen hat. Der Restbetrag ist Inhalt eines Klageverfahrens gegen die damals tätige Wirtschaftsprüferkanzlei. Hier ist jedoch noch völlig unklar, ob und in welcher Höhe der Stadt Bad Dürrheim ein Schadensersatz zugesprochen wird. Die Stadt wird das Verfahren aber weiterhin mit Nachdruck verfolgen, um mögliche Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Mit einer endgültigen Entscheidung ist allerdings erst in einigen Jahren zu rechnen.
Fragen: Sabine Naiemi