Im warmen Licht einer kleinen Werkstatt in Kommingen sitzt Günter Steuer mit geübten Händen über einem Korb. Er ist konzentriert, sein Ton ruhig, fast meditativ. Was für viele wie ein Hobby wirkt, ist für ihn ein gelebtes Kulturgut. Seit drei Generationen flechtet seine Familie Körbe – ein Handwerk, das heute kaum noch wirtschaftlich, aber umso bedeutungsvoller ist.
Pure Handarbeit seit drei Generationen
„Es gibt bis heute keine Maschine, die flechten kann“, sagt Steuer und fährt mit der Hand über ein halbfertiges Werkstück. Der Arbeitsprozess sei zu komplex, die Materialien zu verschieden, die Bewegungen zu fein. „Wenn das ein Roboter machen sollte, müsste man ihn wahrscheinlich für 100.000 Euro programmieren.“
Für Günter Steuer ist das Korbflechten kein Beruf, sondern eine Berufung. Als nebenberuflicher Korbmacher hat er die Kunst von seinem Vater gelernt, der wiederum vom Großvater.
„Mein Opa Adolf Steuer wurde im Ersten Weltkrieg verwundet und hat im Lazarett das Flechten gelernt – als Umschulungsmaßnahme für Kriegsversehrte.“ Die Körbe, die er fertigte, waren reine Gebrauchsgegenstände: für Kartoffeln, Holz oder Obst – Plastik gab es damals nicht, Metall war rar.
Sein Vater, Rudolf Steuer, perfektionierte das Handwerk. Aus der einfachen Gebrauchsware wurden kunstvolle Einzelstücke. „Er war der bekannteste Korbmacher weit über das Dorf hinaus. Die Leute sagten nicht: Rudolf ist gestorben, sondern: Der Korbmacher ist gestorben.“ Über 25 Jahre lang gab er Kurse an der Volkshochschule – eine Tradition, die Günter Steuer weiterführt.
Ziemlich chancenlos gegen Fernost
Doch es ist ein Handwerk im Niedergang. Schuld daran ist nicht zuletzt die Globalisierung. „Seit den 50er-Jahren kam Korbware massenhaft aus Fernost. Und dort kann noch immer wesentlich billiger produziert werden“. Bei einem Tageslohn von vielleicht ein bis zwei Euro werden zwar die Preise günstig, aber es fehlt einer der wichtigsten Zutaten im Prozess: Herzblut. Und ohne Herzblut brechen die Weiden schneller oder die Körbe sind nicht sauber gearbeitet – so die Meinung von Steuer.
Der Vergleich sei aber trotzdem schwer zu vermitteln: „Meine Körbe kosten 40 bis 50 Euro, was angesichts von fünf Stunden Handarbeit immer noch zu wenig ist. Doch viele rümpfen schon da die Nase.“ Ein asiatischer Korb vom Discounter koste zehn Euro – aber dafür könne auch schon einmal der Henkel nach vier Wochen brechen.
Bei seinen Kursen bringt Günter Steuer den Teilnehmern mehr als Technik bei. „Ich sage ihnen: Ich kann nicht garantieren, dass ihr danach perfekte Körbe flechtet – aber ihr werdet nie wieder einen Korb mit den gleichen Augen ansehen.“
Das ist der Anspruch, mit dem er auch an Märkten teilnimmt. Auf dem Naturpark-Markt Hüfingen-Mundelfingen etwa dürfen nur regionale Produkte verkauft werden – und da ist Steuer mit seinen lokal geschnittenen Weidenruten genau richtig.
Rohstoffe vor der Haustüre
Die Rohstoffe für seine Körbe stammen quasi von vor dem Haus: vom Kompromissbach, von Kopfweiden, die er selbst schneidet. „Man muss sie jährlich schneiden – sonst werden sie zu dick zum Verarbeiten.“ Die Ruten werden nach Größe sortiert, gebündelt, geschält oder gekocht. Das fertige Produkt ist dann ein reines Naturprodukt – ohne Nägel, Leim oder Draht.
Neben der handwerklichen Seite beschäftigt Günter Steuer auch die Geschichte des Korbmacherhandwerks. „In Lichtenfels in Oberfranken gibt es noch eine Fachschule, dort kann man Flechtwerkgestalter lernen.“
Der Beruf hat tiefe Wurzeln, auch wenn es nie große Zünfte gab. Und er erzählt von einem Korbmacher-Kollegen, dessen Familie früher 17 Angestellte beschäftigte. Großauftraggeber war – man glaubt es kaum – die BASF, die ihre Chemikalien in korbummantelten Glasflaschen transportierte, da der Korbmantel einen perfekten Transportschutz darstellte. Das war solange ein blühendes Geschäft, bis man sich in Ludwigshafen entschied, von Glas auf Plastik umzustellen. „Das war der Anfang vom Ende. Der Einstieg ins Plastikzeitalter“, so Steuer.
Hoffnung, dass das Handwerk nicht ausstirbt
Doch vielleicht, so hofft Steuer, steht das Korbflechten heute vor einer neuen Blüte. Die Sehnsucht nach nachhaltigen, langlebigen Produkten sei wieder da. Und selbst sein Sohn habe schon einmal einen Korb geflochten – für die Freundin. Ob daraus aber die vierte Generation erwachsen wird, steht noch in den Sternen.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass das Handwerk nicht ausstirbt. „Ich würde gerne noch viel mehr machen“, sagt Steuer, „aber dafür fehlt mir noch die Zeit. Vielleicht dann, wenn ich in Rente bin.“ Bis dahin flechtet er weiter – Körbe, Erinnerungen und Geschichten.