Wenn Stefan Baur seine Werkzeuge in die Hand nimmt, dann geht es um Millimeter. Kleine Unterschiede, die große Wirkung haben. An diesem Morgen schneidet er als erstes Glas zu. 29,5 auf 41,5 Zentimeter groß muss die Scheibe sein – nicht mehr und nicht weniger. Warum, das erkennen viele erst, wenn sie das fertige Produkt sehen.

Stefan Baur stellt nämlich Bilderrahmen her und betreibt an der Karlstraße in Donaueschingen seinen eigenen Laden. Hier gibt es allerdings keine vorgefertigten und standardisierten Rahmen, sondern für jedes Bild und jeden Gegenstand bestimmt der 60-Jährige eigens, wie der perfekte Rahmen gestaltet werden muss.

Das klingt erstmal einfach, doch dahinter stecken keine einfachen Formeln, sondern vor allem viel Gefühl und Auge.

Der Laden von Stefan Baur an der Karlstraße.
Der Laden von Stefan Baur an der Karlstraße. | Bild: Daniel Vedder

Bilderrahmen-Läden werden immer seltener

Doch wie kommt Stefan Baur überhaupt zu diesem Job? „Zum Bildeinrahmer gab es früher mal eine Ausbildung“, sagt er beim Gespräch in seiner Werkstatt. „Heute gibt es die nicht mehr, weil die Zahl mittlerweile stark zurückgegangen ist.“ Die Handwerkskammer habe später den Beruf zusammengefasst mit Buchbindern und Vergoldern.

Aktuell arbeitet Baur am Rahmen für eine Kundin aus Ingolstadt. Sogar aus Berlin kommen Kunden regelmäßig in den relativ jungen Laden ...
Aktuell arbeitet Baur am Rahmen für eine Kundin aus Ingolstadt. Sogar aus Berlin kommen Kunden regelmäßig in den relativ jungen Laden nach Donaueschingen. | Bild: Daniel Vedder

Auch Petra Schlitt-Kuhnt, Pressesprecherin der Handwerkskammer Konstanz bestätigt die Seltenheit des Berufs: „Den Beruf des Bilderrahmenherstellers gibt es so nicht. Vielmehr sind es in der Regel Vergolder oder Buchbinder, die sich unter anderem mit Rahmungen beschäftigen.“

Auszubildende gibt es momentan nicht

Aktuell gibt es neun Betriebe im Gebiet der Handwerkskammer Konstanz, die als Vergolder oder Buchbinder eingetragen sind. „Inwiefern sich nun diese Betriebe auch mit der Herstellung von Bilderrahmen beschäftigen, können wir nicht sagen, denn das ist bei uns nicht so konkret hinterlegt“, so Schlitt-Kuhnt weiter. In beiden Berufsgruppen gibt es in der Region aktuell auch keine Auszubildenden.

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Stefan Baur schneidet das Glas für einen Rahmen zu Video: Daniel Vedder

Die Leidenschaft spät zum Beruf gemacht

Stefan Bauer selbst hat auch keine Ausbildung zum Bildeinrahmer gemacht. Das hat einen einfachen Grund: „Ich mache diesen Job erst sein ein paar Jahren.“ 2021 hatte der damals 56-Jährige seine Bilder-Rahmen-Manufaktur erst eröffnet.

Baur ist eigentlich Betriebswirt und hatte eine Technikerausbildung abgeschlossen. Dann war er 30 Jahre als Entwicklungsleiter in einem Industriebetrieb tätig. „Die Gedanken haben dann vor etwa fünf Jahren begonnen.“ Er wollte sich neu orientieren.

Etwa 1200 Rahmenmuster hat Stefan Baur in seinem Laden. Die meisten davon bestellt er in Italien und Spanien. Fertige Rahmen gibt es ...
Etwa 1200 Rahmenmuster hat Stefan Baur in seinem Laden. Die meisten davon bestellt er in Italien und Spanien. Fertige Rahmen gibt es nicht. Jedes Bild und jeder Gegenstand bekommen ein eigens angefertigtes Zuhause. | Bild: Daniel Vedder

„Ich wollte nicht in einem Kämmerchen sitzen“, sagt Baur über die Suche nach seinem neuen beruflichen Zuhause. Er wollte in einem Handwerk arbeiten. Für Kunst, Farben und Gestaltung habe er sich schon immer interessiert.

In Italien gelernt

So kam er über Umwege dann auf die Idee, Bildeinrahmer zu werden. Gelernt hat er die Feinheiten des Berufs dann bei Fortbildungen und Seminaren. Er habe auch in Italien in Rahmengeschäften mitgearbeitet und gelernt, sagt Baur.

Dort seien solche Geschäfte noch weiter verbreitet als in Deutschland, wo die Massenproduktionen aus Möbelläden oder in Online-Shops dominieren. „Mir macht das Spaß. Das war mir auch immer wichtig.“

Arbeiten, so lange es Spaß macht

Und auch wenn er kurz vor dem Rentenalter erst den Schritt in die neue Branche gewagt hat, will er sein Geschäft noch einige Jahre weiter betreiben: „Wenn die Arbeit Spaß macht und man noch fit ist, kann auch über das Rentenalter hinaus arbeiten“, sagt er und lacht.

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Eine Kunst für sich

Das macht er dann allerdings wohl weiterhin alleine. „Wenn ich 30 wäre, würde ich es anders machen und ausbilden.“ Ein Gefühl für Optik sei schwer zu lernen und koste viel Zeit beizubringen.

Dieses Gefühl hat Stefan Baur. Es geht nicht nur darum zu messen, wie groß ein Bild ist und entsprechend einen Rahmen zuzuschneiden. „Im Möbelladen gibt es nur Standardrahmen. Eine ältere Zeichnung passt da oft nicht rein“, sagt er, während er seinen frisch zugeschnittenen Rahmen über das Bild einer Kundin aus Ingolstadt legt.

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Rahmen soll auf das Bild überleiten

„Wenn der richtige Rahmen um das Bild ist, bekommt es eine ganz andere Wirkung. Das ist der Kern meiner Arbeit.“ Der Rahmen solle die Blicke ziehen, aber nicht halten, sondern auf das Bild überleiten. Das sei die Kunst.

Dazu zählt die Entscheidung, welches Design und welche Farbe der Rahmen sowie das Passepartout (die Hintergrund-Pappe) haben, aber auch, wie viel Platz zwischen Bild und Rahmen liegen sollte.

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Millimeterarbeit von der Maschine Video: Daniel Vedder

Nicht nur Laien rahmen falsch

Viele Menschen würden bei Gemälden etwa den Fehler machen, die Signatur des Malers zu überrahmen. Bei manchen Bildern mache es auch Sinn, das Papier und den Überlauf, der eigentlich nicht mehr zum Motiv gehört, nicht zu verdecken.

Wie groß der Abstand zwischen Rahmen und Bild sein muss? Dabei arbeitet Baur nicht nach Formeln, sondern nach Gefühl. All das muss er erkennen und dann aus seinen 1200 Rahmenmustern Empfehlungen auswählen.

Dabei machen laut Stefan Baur nicht nur Laien Fehler bei der Auswahl der Bilderrahmen. „Ich bin immer wieder auf Kunstausstellungen unterwegs und 70 Prozent der Bilder sind katastrophal gerahmt“, sagt er und lacht.

Ein Bilderrahmen aus dem alten Holzbalken eines zurückgebauten Hauses. Hier hat Baur keinen Platz zwischen Bild und Rahmen gelassen, ...
Ein Bilderrahmen aus dem alten Holzbalken eines zurückgebauten Hauses. Hier hat Baur keinen Platz zwischen Bild und Rahmen gelassen, sondern lässt ihn darin überlaufen, um das Bild so stärker wirken zu lassen. | Bild: Daniel Vedder

Auch Mysteriöses braucht einen Rahmen

Der 60-Jährige macht jedoch nicht nur Rahmen für Gemälde und Fotos, sondern auch für Gegenstände. Kürzlich hat er erst ein Zifferblatt einer alten Uhr eingerahmt, die einem Kunden hingefallen und eingerissen war. Passenderweise steht die Uhr auf fünf vor zwölf.

Der kurioseste Gegenstand, den der Donaueschinger je eingerahmt hat, war ein Stück Außenhaut eines abgestürzten Zeppelins. Wo das Flugschiff zu Boden ging, weiß Baur nicht. Im 1,80 Meter breiten Rahmen hat er den kleinen Rohbau eines Zeppelins nachgebaut und den Stofffetzen darübergelegt.

Auch Gegenständen wie dem Zifferblatt einer alten Uhr verpasst Stefan Baur eine neue Präsentation.
Auch Gegenständen wie dem Zifferblatt einer alten Uhr verpasst Stefan Baur eine neue Präsentation. | Bild: Daniel Vedder

Das Geschäft läuft trotz großer Konkurrenz

Mit der großen Konkurrenz von Ikea und Co. vergleicht sich Stefan Baur nicht. Er habe mit seinem Geschäft und den Sonderanfertigungen seine Lücke gefunden, für die Kunden aus Ingolstadt, Berlin, Frankfurt und Zürich zu ihm kommen.

Aber auch für Familiencollagen, dann eher für Kunden aus der Region, erstelle er häufig besondere Rahmen, die es bei den großen Händlern eben nicht gibt. Dabei muss er bei Kunden auch mal Überzeugungsarbeit leisten und sie von speziellen Vorstellungen abbringen.

Baur vergoldet auch Gegenstände und Rahmen selbst. Dazu hat er, wie zum Bilderrahmer, keine explizite Ausbildung abgeschlossen, sondern ...
Baur vergoldet auch Gegenstände und Rahmen selbst. Dazu hat er, wie zum Bilderrahmer, keine explizite Ausbildung abgeschlossen, sondern bei Fortbildungen gelernt. | Bild: Daniel Vedder

Eine Kundin habe etwa ein Bild zu ihm gebracht und gefragt, wie sie es am besten verkaufen könne. Als er zu einem neuen Rahmen geraten und ihn angefertigt hatte, habe sie das Bild dann doch selbst behalten, weil sie neuen Gefallen dafür fand.

Darin liegt für Stefan Baur die Kunst in seiner Arbeit mit der Kunst: „Es ist nicht nur vier Leisten montieren und fertig.“