Planen, bauen, Zeitverzug und dann eine Kostensteigerung: Das ist oft die Wahrnehmung von öffentlichen Bauprojekten. Doch im Zeitalter der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz soll sich auch der Straßen- und Brückenbau ändern. „Es geht nicht mehr darum, Asphalt auszurollen. Es geht darum, dass Straßen mit uns kommunizieren und Informationen teilen“, sagt Winfried Hermann, baden-württembergischer Verkehrsminister.

Brückendarstellung in der neuen Modell-Darstellung. Der Bau der zweiten Gauchachtalbrücke wird in einem Pilotprojekt in einer neuen Art ...
Brückendarstellung in der neuen Modell-Darstellung. Der Bau der zweiten Gauchachtalbrücke wird in einem Pilotprojekt in einer neuen Art und Weise modelliert. | Bild: Regierungspräsidium Freiburg

Das Zauberwort heißt Bim – Building Information Modeling. Doch was versteckt sich hinter der Abkürzung und der englischen Übersetzung? Nichts geringeres als eine Revolutionierung des Straßenbaus, der dadurch stärker digital und damit effizienter geplant, gebaut und überwacht werden soll. Bei der Bim-Methode wird auf Basis von 3D-Modellen geplant, wobei alle Projektbeteiligten zeitgleich auf dieselben Datensätze mittels Cloudlösung zugreifen können. An neun Pilotprojekten im Land werden aktuell Erfahrungen gesammelt, um die Technik zu entwickeln, Erfahrungen zu sammeln und im Anschluss daran, das Verfahren überall einzusetzen.

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Während beim Ausbau der Bundesstraße 29 zwischen Essingen und Aalen im Ostalbkreis schon auf der Baustelle getestet wird, befindet sich das regionale Pilotprojekt noch in den Planungsphase, denn auch die zweite Gauchachtalbrücke soll mit mit dem Bim-Verfahren geplant, gebaut und später auch einmal überwacht werden. „Das Verfahren soll ein Bauwerk von der ersten Idee bis zum Abriss begleiten und den ganzen Lebenszyklus umfassen“, erklärt Hermann, der von einem Paradigmenwechsel spricht. Und er schwärmt von intelligenten Schildern, die wissen, was auf der Straße los ist, und von Bauwerken, die über Sensoren ihren Zustand von alleine mitteilen. „Das ist jetzt nur der Anfang, wir wollen das auf die Fläche ausdehnen.“

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Stefan Heß, Leiter der Abteilung Straßenwesen und Verkehr im Regierungspräsidium Stuttgart erklärte: „Bei Bim geht es um eine neue Denkweise, die wir schrittweise auf unser Handeln in der täglichen Praxis übertragen müssen.“ Es sei der Sprung von der Werkbank auf die Kommandobrücke und ein Aufbruch in eine ganz neue Ära. „Planen und Realität klaffen oft ziemlich weit auseinander“, sagt Heß.

Denn das Planen laufe im abstrakten Raum ab und oft sei die Flughöhe viel zu hoch. „Das Planen orientiert sich am fertigen Projekt, aber nicht am Prozess.“ Mit Bim könne die Lücke zwischen Planen und Realität geschlossen werden. Der Schlüssel soll die Dokumentation des „echten Geschehens“ auf der Baustelle sein, das dann wieder Rückschlüsse auf die Planung zulassen würde. „Probleme auf der Baustelle sollen nicht entstehen oder wenn, dann besser gelöst werden können“, blickt Heß in die Zukunft.

Bild 2: Die Baustelle der Zukunft ist digital: Gauchachtalbrücke gehört zu elf Pilotprojekten und soll den Straßenbau revolutionieren
Bild: Gerold Bächle

Was Technisch geht, weiß Bim-Koordinator Nicolai Nolle: Bisher wurde auf Baustellen viel von Spezialisten vermessen. Das bedeutete Fachpersonal, teures Equipment und Terminkoordination. Doch es geht auch einfacher – mit einem Smartphone. „Das kennt jeder, hat jeder und es ist unserer täglicher Begleiter.“ Eine entsprechende Hülle versorgt das Smartphone mit der nötigen Technik und dann geht es ganz einfach.

Ganz einfach: Wie wenn man im Urlaub die Umgebung filmt

Mit schwarz-weiß-Platten die ganz einfach ausgelegt werden können, werden die genauen Standorte aufgenommen und dann wir gefilmt und fotografiert – so wie es jeder von Ausflügen oder aus dem Urlaub kennt. Das Ganze geht auch in Kombination mit einer Drohne, die über die Baustelle fliegt. Die so gesammelten Daten stehen jedem, der an dem Projekt beteiligt ist, jederzeit und überall zur Verfügung. Das heißt, auch dem Planer an seinem Schreibtisch. Und der kann die Brücke dann am Bildschirm schon einmal in die Baustellengrube setzen und schauen, ob mit der Höhe auch alles stimmt. „Aus den Daten kann dann auch ein Bautagebuch entwickelt werden“, sagt Nolle. Auf der Baustelle der B 29 zwischen Essingen und Aalen wären schon viele Erfahrungen gesammelt worden.

„Wir können das Bauwerk kennenlernen und eine punktgenaue Sanierung planen.“
Heiko Engelhard, Leitender Baudirektor

Und das bringt wiederum Vorteile mit sich, die Heiko Engelhard, Leitender Baudirektor im Regierungspräsidium Stuttgart schon kennt. „Man kann bei der Abrechnung genau sehen, was verwendet wurde“, erklärt er. So kann er an seinem Schreibtisch jeden Tag der Baustelle nachvollziehen und beispielsweise mit ein paar Mausklicks Volumen ausrechnen. Oder er kann in einen Schacht hineinfliegen und sich dort umsehen und etwas ausmessen. Doch es geht noch weiter: „Nach dem Bau ist ja vor der Sanierung“, sagt der Leitende Baudirektor. Die Bauzeit ist im Verhältnis zur Lebenszeit des Bauwerkes kurz. „Wir können das Bauwerk kennenlernen und eine punktgenaue Sanierung planen.“