Es war nur ein Tagesordnungspunkt von mehreren bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats. Im Kern und in seinen Auswirkungen war es aber ein einmaliger Vorgang im Bräunlinger Stadtparlament.
Stadtrat muss Entscheidung bestätigen
Lutz Rademacher war vom neu gewählten Ortschaftsrat in Unterbränd als Ortsvorsteher vorgeschlagen worden. Er war bisher stellvertretender Ortvorsteher hinter Stephan Demattio. Der Ortschaftsrat gibt diese Entscheidung an den Gemeinderat weiter und dieser wählt dann üblicherweise nach dieser Empfehlung. Eher eine Formsache, auch in Respekt zur wenngleich eingeschränkten Eigenständigkeit des kleineren Gremiums.
Jürgen Bertsche hat so was noch nie erlebt
Am vergangenen Donnerstag folgte der Gemeinderat nicht dieser Empfehlung. Zur Einordnung dieser Entscheidung: Jürgen Bertsche, seit Jahrzehnten im Dienste der Stadt stehender Hauptamtsleiter, hatte so etwas noch gar nicht erlebt.
Den gescheiterten Wahlvorgang protokolliert Bürgermeister Micha Bächle: „Bei der Wahl des Ortsvorstehers für Unterbränd entfielen auf Herrn Rademacher, der vom Ortschaftsrat mit 4 zu 2 vorgeschlagen wurde, von 21 Stimmen, nur 10 ja, 4 nein und 7 Enthaltungen. Notwendig wären aber mindestens 12 Stimmen gewesen. Somit wurde Herr Rademacher nicht gewählt. Auf Herrn Mahler als stellvertretender Ortsvorsteher entfielen 12 Stimmen, sodass er gewählt wurde.“ Dies bedeute, so Bächle, dass der bisherige Ortsvorsteher Stephan Demattio weiter im Amt bleibt.
Dieser einmalige Vorgang sorgte auch im Gemeinderat für Erstaunen. Hing es schon mit der Nominierung von Lutz Rademacher als neuer Ortsvorsteher zusammen? Hierbei muss man wissen: Wäre Demattio als gewählter CDU-Gemeinderat erneut zum Ortsvorsteher bestellt worden, kann er nur seinen Ratssitz via CDU-Liste einnehmen. Für einen Stellvertreter ohne die Funktion des Ortsvorstehers ist kein Platz am Ratstisch vorgesehen.
Ohne dass dies so bestätigt wird: Die Wahl von Lutz Rademacher zum Ortsvorsteher hätte dem Stadtteil Unterbränd mehr Gewicht im Stadtparlament verschafft – auch wenn die Ortsvorsteher am Ratstisch lediglich beratende Funktion haben.
Nun ist die Entscheidung in geheimer Abstimmung gefallen. Wie äußern sich dazu die Fraktionssprecher?
Michael Gut, Fraktionssprecher der CDU hält fest, dass es eine geheime Wahl gewesen sei und es im Vorfeld keinerlei Diskussion oder Absprachen gegeben hatte. Seiner Meinung nach habe Lutz Rademacher „das Gremium Gemeinderat nicht genug überzeugt, um ihn zu wählen“.

Clemens Fahl, Fraktionssprecher der SPD, sagte, dass für ihn die Empfehlung des Ortschaftsrates überraschend gewesen sei. „Aber wir haben dieser Empfehlung zugestimmt. Das Abstimmungsergebnis im Gemeinderat hat mich wieder überrascht“, fügt er an.

Auch Siegbert Wernet, Fraktionssprecher der FDP hält fest, „dass jeder nach seiner Meinung abgestimmt hat und es in unserer Fraktion keinerlei Absprachen gab“.

Philipp Hofacker, Fraktionssprecher der Gruppe 84, der auch Lutz Rademacher angehört, hält seinen Ärger diplomatisch zurück. Er fasst es so zusammen: „Normalerweise hat man Respekt und Achtung vor einer Mehrheitsentscheidung eines kleinen Parlamentes.“

Erneute Wahl nach der Sommerpause
Die Fortsetzung folgt nach der Sommerpause. Laut Bächle werde die Wahl am 12. September im Gemeinderat stattfinden. Dabei werde ebenfalls eine absolute Mehrheit der Stimmen notwendig sein, um Ortsvorsteher zu werden.
Und wenn dieser Weg erneut in eine Sackgasse führt? Alternativ kann der Gemeinderat mit einer Zweidrittel-Mehrheit auch einen eigenen Vorschlag beziehungsweise einen weiteren Bewerber benennen. Dann muss der Ortschaftsrat dazu angehört werden. Final entscheidet der Gemeinderat.