In den vergangenen Tagen waren des Öfteren Soldaten mitten in der Donaueschinger Innenstadt unterwegs. Und das in voller Montur, mit Waffe, Rucksack, Koppel, Funk. Auch Panzerfahrzeuge waren in der Stadt zu sehen. So real wie möglich sollen die Bedingungen für die Soldaten sein.

Übung für Afrika

Das hat allerdings nichts mit dem Konflikt in der Ukraine zu tun, sondern ist als Vorbereitung für den Einsatz in Mali gedacht. Dort soll das Jägerbataillon 292 im Herbst eingesetzt werden. Das Bataillon wird den Stab, die Unterstützungskompanie und die Objektschutzkompanie als Kern der Kräfte der Aufklärungstaskforce für die UN-Mission Minusma (Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali) stellen. Sie dient der Stabilisierung des Friedens in dem großen westafrikanischen Land.

Hauptmann Pascal Hille leitet die Übungen des Jägerbataillons 292 in Donaueschingen, die auf den Einsatz in Mali vorbereiten sollen. Vor ...
Hauptmann Pascal Hille leitet die Übungen des Jägerbataillons 292 in Donaueschingen, die auf den Einsatz in Mali vorbereiten sollen. Vor zwei Jahren war er selbst dort. | Bild: Simon, Guy

Was die deutschen Soldaten dort konkret erwartet, das können ihnen lediglich jene Soldaten vermitteln, die vor zwei Jahren schon einmal dort waren. So wie Hauptmann Pascal Hille und Hauptfeldwebel Samir Barth. Sie haben auch die Übungen in der Innenstadt begleitet und ausgewertet.

Es wird heiß

Bei der Übung in Donaueschingen, die im April und Mai stattfindet, schwitzen die Soldaten mit ihrer schweren Ausrüstung sichtlich. Aber wie ist das in Mali, wo die Temperaturen auf dem Thermometer auch den Vierzigerbereich treffen? „An das Tragen der Ausrüstung gewöhnt man sich bei solchen Temperaturen nicht. Man schwitzt immer“, sagt Hille. Bei einer Übung auf der Schießbahn in Mali habe er etwa acht Liter getrunken. Das verstärke sich, wenn dann noch ein Wüstensturm hinzukomme: „Wie wenn man beim Saunagang einen Föhn ins Gesicht gehalten bekommt.“

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Selbst verantwortlich

Man übe zwar für den Einsatz in Mali, für die körperliche Leistungsfähigkeit müsse jedoch selbst auch was getan werden: „Jeder ist im Dienst für sich selbst verantwortlich“, sagt Hille. Die Belastung sei hoch und die Leistung zu halten, sei eine Motivationsfrage. In Mali sei er etwa nachts mit Stirnlampe um das Camp gejoggt. Neben den Vorträgen und Übungen in Deutschland werde zwar auch Sport gemacht, den Großteil müssen die Soldaten jedoch selbst stemmen.

In Camp Castor

In Mali werden die Soldaten im Militärcamp Castor in der Stadt Gao stationiert sein. Das befindet sich eher im Norden des Landes, das etwa dreimal so groß ist wie Deutschland. Die Mission, um den Frieden zu stabilisieren, ist dabei keine leichte. Etliche Volksgruppen nennen Mali ihr Zuhause – und taten das auch schon, als die Grenzen des Landes noch nicht auf dem Reißbrett über jene der Ethnien gezogen wurde. Dazu gesellen sich das Wüstenvolk der Tuareg, radikalislamische Terrorgruppen, sowie eine instabile Regierungssituation, die in der Vergangenheit zu einem Militärputsch geführt hat.

Die Deutschlandfahne und die Flagge der Vereinten Nationen wehen im Camp Castor in Gao. Hier werden auch die Soldaten des ...
Die Deutschlandfahne und die Flagge der Vereinten Nationen wehen im Camp Castor in Gao. Hier werden auch die Soldaten des Jägerbataillons 292 stationiert sein. | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Der Neutralität verpflichtet

„Wir schlagen uns da auf keine Seite. Wir schlichten, damit keine Unbeteiligten zu Schaden kommen“, erklärt Hille. Sich selbst verteidigen dürfen die Soldaten, aber bei jedem Problem gebe es eben immer zwei Seiten. Situationen zu bewerten sei eine extrem schwierige Aufgabe: „Dort herrscht teilweise Lynchjustiz. Wenn sich ein wütender Mob jemanden schnappen will, und wir haben den Auftrag ihn herauszuholen – was richten wir möglicherweise damit an. Das ist wahnsinnig schwierig und eine große Herausforderung“, sagt Samir Barth. Eine Entscheidung könnte eine Kaskade auslösen, „und fast schon weltpolitische Bedeutung haben, wenn etwas passiert“, erklärt Presseoffizier Philipp Riedl.

Machen könne man nichts, lediglich den Menschen etwas Ruhe verschaffen. Sind die Bundeswehr-Soldaten vor Ort, seien sie entspannt und können ruhig schlafen: „Die Terroristen kommen später, wenn wir wieder weg sind“, erklärt Hille.

Gefährliche Tiere

Neben diesen Bedingungen gebe es im Land auch viele gefährliche Tiere und Krankheiten: „Etwa Malaria. In der Regenzeit hat es sehr viele Mücken. Dann kommen die Frösche – und schließlich die Schlangen“, beschreibt Hille. Es gebe giftige Skorpione, handtellergroße Kamelspinnen und Ölkäfer. Die können zu Verätzungen auf der Haut führen. Kratze man die dann entstehenden Blasen abermals auf, komme es wieder zu Verätzungen. „Beim Aufräumen muss man aufpassen“, so Hille weiter.

Freizeit im Camp

Im Einsatz selbst werde Patrouille gefahren, die Gegend erkundet und Kontakt mit den Einheimischen aufgenommen. „An den ruhigeren Tagen ist man als QRF (Quick Reaction Force) im Lager und wartet darauf, reagieren zu können“, so der Hauptmann.

Übungsgespräch: Hauptfeldwebel Samir Barth (links) macht sich Notizen. Zwei Soldaten unterhalten sich hier mit einem malischen ...
Übungsgespräch: Hauptfeldwebel Samir Barth (links) macht sich Notizen. Zwei Soldaten unterhalten sich hier mit einem malischen Polizeichef, gespielt von Patrick Hesse von der Donaueschinger Polizei. | Bild: Simon, Guy

Generell seien die freien Tage allerdings spärlicher: „Man redet dann viel mit den Kameraden, spielt, liest.“ An Weihnachten gebe es besonderes Essen, die Familien schicken Pakete von Zuhause – und ein Kamerad verkleide sich als Weihnachtsmann. „Es ist schwierig, aber es geht doch irgendwie.“

Angst nicht, dafür Adrenalin

Und wie ist es mit der Angst im Einsatz? Die habe er nicht gehabt, sagt Hille, wohl aber Adrenalin: „Wenn es Alarm gibt, dann schießt es sofort in den Körper.“ Dann rufe man jenen Automatismus ab, den man zuvor eingeübt habe. So habe er etwa ausrücken müssen, um eine Anschlagstelle zu sichern: „Wir haben dafür 30 Minuten Zeit, haben es meistens jedoch in zehn bis 15 Minuten geschafft.“ Es sei nie klar, was einen erwarte: „Selbst wenn sich nur ein Fahrzeug festgefahren hat. In dieser Zeit sitzt man quasi auf dem Präsentierteller“, sagt Hille.

Draußen übernachten

Bei längeren Patrouillen übernachten die Soldaten auch mal im Freien, mit Feldbett und Moskitonetz darüber. Auch das ist sehr anstrengend: „Wir waren mal acht Tage draußen. Man schläft nie wirklich, hat immer das gleiche Essen und wenig Wasser zur Reinigung.“ Vor den ersten Sonnenstrahlen wird aufgestanden. Ein nicht geschmolzener Schokoriegel werde da schnell zu einem wahren Luxusgut.

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„Es geht uns gut“

Überhaupt verändere sich die eigene Auffassung: „Eine der einschneidendsten Erfahrungen war es, in Deutschland nach der Rückkehr in einen Supermarkt zu gehen“, beschreibt Hille. „Es gibt viele Ecken auf der Welt, ohne diesen Lebensstandard. Man entwickelt ein Verständnis dafür, dass das nicht selbstverständlich ist. Auch der Frieden nicht.“

Malische Mädchen stehen im April mit Schüsseln auf dem Kopf am Straßenrand in Bamako, der Hauptstadt Malis, bei der Durchfahrt einer ...
Malische Mädchen stehen im April mit Schüsseln auf dem Kopf am Straßenrand in Bamako, der Hauptstadt Malis, bei der Durchfahrt einer deutschen Wagenkolonne auf dem Weg zum Minusma-Hauptquartier. | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Wieder Zuhause

Bei Pascal Hille habe es Zuhause etwa zwei bis drei Tage gedauert, um mit der veränderten Situation wieder klar zu kommen. Das sei jedoch von Person zu Person unterschiedlich: „Man geht in den Laden und muss mit dieser Masse an Einflüssen wieder umgehen lernen.“ Selbst Autofahren sei eine Umstellung, weil man nicht mehr auf Schlaglöcher achten müsse. Und schließlich gebe es noch ein Nachbereitungsseminar: „Da kommt dann alles auf den Tisch.“ Etwa ein halbes Jahr verbringen die Soldaten in Mali.