Erst steht der berufliche Wechsel an, dann der Umzug in eine neue Stadt. Das ist eine Situation, die sich in einer zunehmend mobilen Gesellschaft tagtäglich ergibt. Schritt um Schritt machen sich die Neubürger mit den Gegebenheiten der neuen Heimat vertraut. Die Kinder gehen auf die neue Schule, Einkaufswege werden eingeübt, Kultur und Sehenswürdiges erschnuppert.
Bei einem Notfall hilft der Arzt immer
Aber was passiert, wenn jemand krank wird? „Bei einem Notfall wird ein Arzt immer helfen“, räumt Swantje Middeldorff, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg ,Bedenken aus. Wer aber für seine Familie einen Hausarzt sucht, also einen dauerhaften Kontakt zu einem niedergelassenen Allgemeinmediziner aufbauen möchte, könnte Schwierigkeiten bekommen. Dass Praxen neue Patienten abweisen, sei in Baden-Württemberg eine deutlich zunehmende Problematik.
Differenzierter Blick
In Donaueschingen stellt sich die Situation gegenwärtig differenziert dar.Es gibt Allgemeinmediziner-Praxen, die neue Patienten aufnehmen, es gibt aber auch Ärzte, deren Karteien so stark gefüllt sind, dass sie sich lediglich um den Bestand kümmern können.

So wird es beispielsweise bei Karl Baur im neuen Jahr eine Verbesserung geben. Seine Praxis übergibt er im zweiten Quartal aus Altersgründen an den Internisten Jochen Sauter. Doch schon nach dem Jahreswechsel nimmt die Wolterdinger Praxis neue Patienten auf: zunächst allerdings beschränkt auf die Verwandten der bisherigen Patienten und Wolterdinger.
„Wir haben keine Kapazitäten für Neuaufnahmen“, ließ Markus Lutz ausrichten, der seine Praxis an der Werderstraße betreibt. Auf die telefonische Anfrage zu Patientenkapazitäten wollte sich die Praxisgemeinschaft Donaueschingen nicht äußern. An der Bahnhofstraße praktizieren zwei Ärzte und drei Ärztinnen in den Fachbereichen Allgemein- und Inneren Medizin.
Bei Dr. Stuff nur mit dem Hausarztprogramm
„Je nach Arbeitsaufkommen nehmen wir noch Patienten auf“, äußerte sich Susanne Gretzinger, die an der Eichendorffstraße praktiziert. Im Detail heißt das, dass sich die Aufnahmemöglichkeit um die Kapazitätsgrenze bewegt. Neue Patienten nimmt auch die Praxis von Karl Stuff an der Mühlenstraße auf. „Aber nur dann, wenn sie sich für das Hausarztprogramm entschließen“, schränkt der Allgemeinmediziner ein.
In diesem Jahr erst angefangen
Uneingeschränkte Aufnahmekapazitäten weist Daniel Fischer auf. Der Allgemeinmediziner hat in diesem Jahr die Praxis von Clemens Willmann an der Karlstraße übernommen. Seine Sprechstunden seien noch nicht komplett belegt.
Eine begründbare Unterscheidung lieferte auf Anfrage Andreas Schmidt, der gemeinsam mit der Kollegin Claudia Burkhardt und zwei angestellten Ärztinnen den Fachbereich Kinder- und Jugendmedizin abdeckt. „Zugezogene nehmen wir auf, aber Wechsler müssen wir abweisen.“ Wer den behandelnden Arzt wie einen Wanderpokal betrachte, sei nicht willkommen, auch weil sich das von den Kapazitäten her nicht darstellen lasse.
Frauen lassen sich lieber anstellen
Immer weniger Ärzte ließen sich nieder, immer weniger scheuten das Risiko, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, sagte die KV-Sprecherin. Dazu komme, dass die Medizin immer weiblicher werde. Ärztinnen bevorzugten zunehmend ein Angestelltenverhältnis, mit der Folge, dass Gemeinschaftspraxen zunähmen. Wo aber Praxen verschwänden, müssten sich Patienten daran gewöhnen, dass sie beim Arztbesuch die Grenzen der eigenen Stadt verlassen müssen.
Lotsen, Patienten und Zahlen
- Der Hausarzt: Ein Hausarzt ist ein niedergelassener Arzt mit eine Facharztausbildung in Allgemeinmedizin. Allgemein heißt in diesem Fall eine Ausbildung in Innerer Medizin ohne Spezialisierung. Für die Kassenärztliche Vereinigung besteht die Aufgabe des Hausarztes darin, den Patienten durch das Gesundheitssystem zu steuern. Allerdings spricht die Erfahrung gegen diese Ansätze.
- Fiasko Praxisgebühr: „Patienten lassen sich nicht steuern“, weiß KV-Sprecherin Swantje Middeldorff aus der Erfahrung mit der Praxisgebühr. Sie wurde in Höhe von zehn Euro von 2004 bis Ende 2012 als Zuzahlung bei gesetzlich Krankenversicherten erhoben. Die galt beim Arzt- Zahnarzt- und Physiotherapeutenbesuch pro Quartal. Diese erhöhten Kosten scheuten nicht. In der Regel verzichteten die Patienten auf eine Überweisung durch den Hausarzt und meldeten sich, die Zuzahlung in Kauf nehmend, direkt beim Facharzt.
- Das Hausarztmodell: Wählt ein Versicherter das Hausarztmodell mit einem entsprechenden Tarif aus, so ist er verpflichtet, im Krankheitsfall immer zuerst zum Hausarzt zu gehen. Der Hausarzt kooridiniert sämtliche Behandlungsschritte und nimmt damit die Funktion eines Lotsen wahr. Das Modell ermöglicht dem Hausarzt im Idealfall einen umfassenden Überblick über die Krankengeschichte seines Patienten. Patienten, die am Hausarztmodell teilnehmen, verpflichten sich für mindestens ein Jahr für diesen Hausarzt.
- Facharzttermine: Die KV hat mit der landesweit gültigen Terminservicestelle ein Modul geschaffen, das damit wirbt, Patienten innerhalb von höchstens vier Wochen einen Facharzttermin zu verschaffen. Unter der Telefonnummer 07 11/78 75 39 66 werden seit Kurzem auch Termine bei Kinderärzten und Hausärzten vermittelt.
- Versorgungsschwäche: 23 Hausärzte im Städteviereck entsprechen im aktuellen, dreimal im Jahr aktualisierten Bedarfsplan der KV einer Versorgungsquote von 83,1 Prozent. 100 Prozent gilt als Vollversorgung, werden 110 Prozent erreicht, gilt eine Zuzugssperre für Allgemeinmediziner. Bis zu den 110 Prozent ist der Weg weit. „Rechnerisch fehlen 7,5 Stellen, um den Idealzustand zu erreichen“, so die Sprecherin. (wur)