Schüler, die nicht still sitzen können, unkonzentriert sind, andere aggressiv angehen und sich in ihre eigene Welt zurückziehen: Sozial auffällige Kinder und Jugendliche gibt es zunehmend auch an den Schulen im ländlichen Raum. Auf diesen Wandel und dem damit gestiegenen Bedarf an individueller Betreuung hat das Fürstenberg-Gymnasium reagiert: Vor fast genau einem Jahr hat Schulsozialarbeiterin Tina Eckerle dort ihre Arbeit aufgenommen.
Kummerkasten bei Konflikten zwischen Schülern und Eltern
Ihr Fazit fällt durchweg positiv aus. Was sie selbst ein wenig überrascht hat: Die studierte Sozialpädagogin ist nicht nur Kummerkasten, wenn Schüler untereinander oder mit Lehrern ein Problem haben. Immer häufiger werden ihre Moderationsangebote auch dann in Anspruch genommen, wenn es zwischen Kindern und deren Eltern zu Konflikten kommt. Wobei die Initiative für ein Beratungsgespräch von beiden Seiten ausgehen kann.
Das Büro von Tina Eckerle liegt auf dem Schulgelände etwas abseits. Sie hat ihren Arbeitsplatz im Gebäude der Sporthalle, ein Stockwerk über der Mensa. Fühlt sie sich abgeschoben, denn Rektorat und Lehrerzimmer sind selbstverständlich im Hauptgebäude untergebracht? Überhaupt nicht, ihr Standort habe sogar einen großen Vorteil, sagt Tina Eckerle. Wer zu ihr kommen wolle, der könne das anonym machen und müsse nicht befürchten von anderen gesehen und dann womöglich darauf angesprochen zu werden. Und von Lehrern und Schulleitung fühlt sie sich sehr gut aufgenommen.
Verschwiegenheit ist für Tina Eckerles oberstes Gebot
Wenn die 42-Jährige, die selbst Mutter zweier Kinder ist, nach besonders krassen Fällen gefragt wird, dann bleibt sie stumm beziehungsweise formuliert nur ganz allgemein. Denn der Erfolg ihrer Arbeit hängt ganz eng mit ihrer Verschwiegenheit zusammen. Kein Schüler, auch wenn keine Namen genannt werden, soll seine persönlichen Probleme in der Zeitung abgedruckt finden. Vertrauen ist Tina Eckerles wichtigstes Kapital.
Übers Jugendhaus und die Stadtjugendpflege ans Gymnasium
Die Kinder und Jugendlichen können sicher sein: Kein Wort, das sie mit der früheren Donaueschinger Jugendhausleiterin und Stadtjugendpflegerin wechseln, verlässt ihr Büro. Sie stellt auf Nachfrage lediglich klar, dass sie bisher noch nicht gezwungen war, das Jugendamt einzuschalten. Und so ein schlimmer Fall wie Anfang des Jahres in Berlin, als eine elfjährige Schülerin so stark unter Mobbing gelitten haben soll, dass sie deshalb Selbstmord beging, habe sie auch noch nicht erlebt.
Beratung mal individuell, mal im Klassenverband
Im ersten Jahr hieß es für die studierte Sozialpädagogin, sich bekannt zu machen. Sie besuchte alle Elternabende, hatte ihre Bürotür selbstverständlich am Elternsprechtag geöffnet und stellte sich in den Unterstufen-Klassen persönlich vor. Letzteres war ihr deshalb wichtig, weil sie diese Schüler noch ihre gesamte Gymnasium-Laufbahn begleiten wird. Tina Eckerles Rat wird auch von ganzen Klassen und deren Lehrern nachgefragt, zum Beispiel, wenn der Lärmpegel beim Unterricht das normale Maß übersteigt.
Am Anfang steht ein Fragebogen
Dann ermittelt sie zunächst über einen Fragebogen den Kern der Auseinandersetzung und dann wird sich in großer Runde zusammengesetzt und das Problem besprochen. Überhaupt: Miteinander im Gespräch bleiben, das ist für Tina Eckerle ganz zentral. Auch im Verhältnis von Eltern und Schülern, gerade und vor allem in der Pubertät. Da müsse man als Elternteil „dran bleiben“ an seinem Kind und dürfe Diskussionen nicht aus dem Weg gehen.
Soziale Medien sind bei Schülern Zeitfresser
Wo sieht Tina Eckerle Unterschiede zu ihrer Schulzeit vor rund 25 Jahren? Der Leistungsdruck sei heute größer, stellt sie fest. Vor allem durch das achtjährige Gymnasium. Zudem hätten die digitalen Medien den Alltag von Kindern und Jugendlichen stark verändert. Sie stellt das lediglich fest und will diese Aussage nicht positiv oder negativ bewertet wissen. Nur so viel: Über soziale Medien wie Facebook oder WhatsApp jederzeit erreichbar zu sein, das könne ganz schön anstrengend sein. Und raube viel Zeit.
Unterstützungssystem für Schüler hat mehrere Bausteine
Das Fürstenberg-Gymnasium hat ein Unterstützungssystem entwickelt, bei dem die Schulsozialarbeit ein Baustein von mehreren ist. So gibt es eine Mediations-Arbeitsgruppe, in der dafür speziell ausgebildete Schüler als Streitschlichter nach Lösungen suchen. Außerdem fungieren eine Handvoll Lehrer als Lernchoach. Sie helfen Schülern dabei, sich selbst zu organisieren. Diese Pädagogen lehren das Lernen. Und dann gibt es noch das Programm „Schwächen schwächen“, bei dem ältere Schüler jüngere Schüler unterstützen, indem sie ihnen Nachhilfe geben.
Schulsozialarbeit hat sich an allen Bildungseinrichtungen der Stadt etabliert
- Vorreiter Eichendorffschule: Als vor 19 Jahren erstmals ein Jugendsozialarbeiter an einer Schule in Donaueschingen eingesetzt wurde, um Schülern und Lehrern bei der Lösung von Konflikten beizustehen, beschränkte sich dessen Einsatz noch auf die Eichendorffschule (im Bereich der Hauptschule), die als sogenannte Brennpunktschule mit besonderen sozialen Problemen zu kämpfen hatte. Inzwischen hat sich diese zusätzliche Form der Beratung durchgesetzt und ist ein Regelangebot geworden. An der Erich Kästner-Grundschule gibt es die Schulsozialarbeit seit September 2010, an der Realschule seit Oktober 2015, am Fürstenberg-Gymnasium und an der Heinrich-Feurstein-Schule seit April 2017 und seit Januar dieses Jahres auch im Grundschulbereich der Eichendorffschule.
- Kosten: An der Eichendorffschule ist für die Schulsozialarbeit eine 75-Prozent-Stelle geschaffen worden (Werkrealschule 50 Prozent, Grundschule 25 Prozent), Erich-Kästner-Schule (50 Prozent), Realschule (50 Prozent), Fürstenberg-Gymnasium (50 Prozent), Heinrich-Feurstein-Schule (50 Prozent). Eine 50-Prozent-Stelle verursacht laut Auskunft aus dem Rathaus Ausgaben in Höhe von 39 800 Euro, eine 75-Prozent- Stelle 59 600 Euro. Die Landesförderung für die Schulsozialarbeit beträgt bei einer 50-Prozent-Stelle 8300 Euro, bei einer 75-Prozent-Stelle 12 500 Euro. Die Kosten der Schulsozialarbeit liegen im Jahr bei 218 800 Euro, davon trägt die Stadt 173 100 Euro und das Land 45 700 Euro.
- Das sagt das Land: Aus Sicht des Sozialministeriums Baden-Württemberg leistet Schulsozialarbeit eine „wertvolle Unterstützung ergänzend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und hat positive Auswirkungen auf das Schulleben insgesamt“. Sie trage zur „Stabilisierung des Schulerfolgs, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und zur gesellschaftlichen Integration“ bei.
- Zur Person: Tina Eckerle ist 42 Jahre alt, Mutter zweier Kinder (10, 13) und studierte Sozialpädagogin. Die Donaueschingerin ist in der Stadt bestens vernetzt, war sie doch zu Beginn der 2000er-Jahre zunächst Jugendhausleiterin in der Stadtmühle, dann Stadtjugendpflegerin. Nach der Elternzeit arbeitete sie zunächst in einem Kindergarten, seit Juni 2018 wirkt sie als Schulsozialarbeiterin am Fürstenberg-Gymnasium (hon)