Der Tanzlehrer gibt die Tanzschritte vor, Musik wird eingespielt, Paare, die ihm im Tanzsaal gegenüber stehen, wiederholen die gezeigte Kurzchoreografie. Unterbrechung, Wiederholung, stete Verbesserung: Wer jemals einen Tanzkurs absolviert hat, kennt diese schrittweise Annäherung an ein rhythmisches und harmonierendes Teamwork auf der Tanzfläche.
Die meisten in Kurzarbeit
Doch seit November sind Tanzflächen und Übungsräume verwaist. Die Donaueschinger Tanzschulen sind geschlossen, die meisten Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, die Betreiber in finanziell angespannter Lage, mitunter sogar deprimiert.

Als „holprig“ bezeichnet Elvira Karrer den bisherigen Weg durch die Krise. Vor drei Jahren hat sie die Tanzschule von Martina Dancker übernommen. In ihren Übungsräumen im Fitnesstudio Rückgrat am Brigachweg darf sie seit Anfang November nicht mehr unterrichten: obwohl das Hygienekonzept schon vorher funktionierte und für das Training die 10-Quadratmeter-Übungsfläche für jeden Teilnehmer akribisch markiert war.
Die Rechtslage
„Die Tanzschulen mussten im November als erstes schließen“, erinnert sie sich. Aber erst seit kurzem tauchten sie überhaupt namentlich in den Corona-Verfügungen auf. „Bis dahin gab es uns gar nicht im öffentlichen Bewusstsein.“ Gleichwohl fehle auch jetzt irgendeine Öffnungsperspektive.

Karrer fühlt sie sich seelisch getroffen und finanziell werde es langsam eng. Von den staatlichen Hilfen des vergangenen Jahres kam der letzte Abschlag Mitte März. Beiträge erhebt „Ellis Tanzraum“ seit November nicht mehr. „Ich biete Live-Online-Training an“, sagt die Donaueschingerin. Es ist ein kleines Zubrot, aber keine Alternative auf Dauer. Denn das gemeinsame Erlebnis, das man beim Tanzen spürt, könne Online-Tanzen nicht ersetzen.
Dabei sei sie als verheiratete Ehefrau privat abgesichert und der Vermieter der Tanzschule zeige sich sehr kulant. „Da gibt es viele Tanzschulen in Baden-Württemberg, denen es viel schlechter geht“, weiß sie. Gar nicht gut gehe es derweil den Kindern und Eltern. Sie vermissten nicht nur ein Hobby, sondern auch die künstlerischen Elemente beim Tanzen. Hier biete eine Tanzschule einen sicheren Treffpunkt, an dem die motorische, kognitive und psychische Entwicklung gefördert wird.
Der Verband
Fast eine Million Euro Verlust an drei Standorten: Christian Seidel hält beim Corona-Minus 2020 nicht hinter dem Berg. Der in Engen ansässige Tanzschul-Betreiber ist mit drei Tanzschulen in Singen, Villingen-Schwenningen und Donaueschingen sowie 34 Beschäftigten, davon drei in Donaueschingen, eine große Nummer in der Branche.

„Es ist nicht einfach gerade“, sagt er, zumal die Dezemberhilfen erst dieser Tage komplett überwiesen worden waren. Der Unternehmer erwähnt aber auch Rücklagen, die über Jahre aufgebaut wurden, sowie einen nahezu fertiggestellten Komplettumbau in Singen.
Auch Seidel hat noch im vergangenen Jahr den Beitragseinzug gestoppt. Seine Kunden hat er gebeten, nicht zu kündigen. Im Gegenzug habe er angekündigt, ohne Kündigungen auszukommen. Gegenwärtig gehe es darum, den Kontakt zu den Kunden zu halten. „Wir haben ein kleines Filmstudio eingerichtet. Von dort aus bieten wir Zoom-Meetings.“ Da tanzen Paare im Wohnzimmer unter Anleitung des Tanzlehrers; oder die zusammengeschalteten Paare treffen sich einfach nur zum reden.
„Wir sind keine Pandemietreiber“
Wenn Seidel in der Krise das Stammhaus mit Millionenaufwand bis aufs Mauerwerk ausbeint und neu aufbaut, glaubt er an die Zukunft. „Die Tanzschulen werden wieder aufblühen. Die Leute sind ausgehungert“, ist er überzeugt. Weniger überzeugt davon ist, dass das bald sein könnte.
Privatunterricht lohnt sich nicht
Im Spiel sei jetzt schon eine Option. Sie heißt Privatunterricht. „Acht Paare pro Tag. Das ist kein richtiger Umsatz“. Gerade im Vergleich. Denn vor Corona trainierten 30 Paare gleichzeitig, während der Einschränkungen immerhin noch zehn. Auch bei Seidel steht das Hygienekonzept, der Boden im Tanzsaal an der Karlstraße ist in 10-qm-Feldern abgeklebt. „Was für ein Unsinn“, ärgert sich Seidel über die rechteckigen Felder. Ein realitätsferner Zuschnitt. Denn zu 90 Prozent seien seine Kunden auch privat ein Paar.

Immerhin sei der vergangene Herbst noch ganz gut gewesen, sagt Christian Köster, der die Tanzschule evenTanz an der Josefstraße mit vier ausgelernten Tanzlehrern betreibt. Seit November gibt es keinen Präsenzbetrieb, was natürlich schade sei, weil die Hauptsaison der Tanzschulen naturgemäß im Winter liege. „Aber wir hatten eine Saison. Die Paare von damals sind noch treu bei uns dabei“, freut sich der Unternehmer, der auch die beiden Twist-Lokale betreibt, über „großartige Kunden“. Weil der Betrieb von Anfang an digital gut aufgestellt war, funktionierte die Umstellung auf Online-Angebote reibungslos. „Zwar haben wir nicht mehr so viele Kurse wie im Echtbetrieb, aber wir schalten die Leute im Zoom-Training zusammen und halten sie auf unserer Tanzschulseite über Unterrichtszeiten und Nachrichten auf dem Laufenden“.
Wenn auch Streaming und Video die Bestandskundschaft zufrieden stellen, fehlen die Neuanmeldungen. Und der Tanzlehrer-Truppe fehlen die direkten Begegnungen, gerade in einem körpernahen Beruf. Da denkt Köster an seine Auszubildende. „Sie ist im Moment nicht auf dem praktischen Level, auf dem sie sein sollte“, räumt er ein. Man versuche, das im Team zu kompensieren, aber Didaktik und Methodik sei ohne Tanzschüler nicht dasselbe.