Kindern das Schwimmen beibringen: Das versteht die Ortsgruppe Baar der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) als ihre Hauptaufgabe. In der Tat ist das im Winterhalbjahr ein Riesenprogramm. Jeden Samstagvormittag betreuen mehr als 30 meist junge Ehrenamtliche im Durchschnitt 90 Kinder im Hüfinger Hallenbad Aquari. Beim spielerischen Schwimmtraining steigen erst die Nichtschwimmer ins Wasser, danach folgen die Fortgeschrittenen.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Jedes Jahr würden etwa 45 „Seepferdchen“ abgelegt, sagt Thomas Moch, Vorsitzender der DLRG Baar mit Sitz in Donaueschingen. Das Seepferdchen ist das erste Schwimm-Zertifikat, das erworben werden kann. Doch bei den Prüfungen herrscht ebenso Flaute wie in den neun Leistungsgruppen, in denen die jungen Wasserratten über den Schwimmkurs hinaus bis zum Rettungsschwimmer-Jugendabzeichen in Bronze geführt werden. Der Übungsbetrieb liegt auf dem Trockenen, seit November ist das Aquari geschlossen.
Moch ist besorgt, weil die Schwimmkurse ausfallen. „Wenn ein Kind nicht schwimmen lernt, dann fehlt ihm was. Und jetzt ist ein ganzer Jahrgang weg.“ Übrigens auch für die Jugendausbildung im Verein. Das Risiko bei einem Badeunfall in Gefahr zu geraten oder gar zu ertrinken, sei für Kinder, die nicht schwimmen können, erhöht: egal, ob im Urlaub oder beim Abkühlen, Planschen oder Schwimmen an einem der heimischen Seen.
Mehr als ein Jahr Wartezeit
Dazu kommt, dass sich die Ausgangslage weiter verschlechtert. Schon vor Corona mussten Kinder schon mitunter ein knappes Jahr auf ihren Schwimmkurs warten. „Jetzt hat sich das sicher noch deutlich verlängert“, sagt der 49-jährige Moch, der den Verein mit aktuell 424 Mitgliedern seit drei Jahren führt. Anmeldungen kommen telefonisch oder per E-Mail. Sie stapeln sich und werden Stück für Stück abgearbeitet. Vortritt haben die Kinder, deren Schwimmkurs Ende September begann und im November aussetzte.
Als Möglichkeit, den Anmeldestau zu verkürzen, sieht Moch, die Schwimmkurse im Hallenbad bis in den Sommer hinein zu verlängern. Bisher enden diese Ende Mai, wenn die Sommersaison mit den Wachdiensten am Kirnbergsee und am Rietsee ansteht.
Der Vorstand plädiere zwar für diese Verlängerung, sagt Moch, aber vorher müssten die Ehrenamtlichen gefragt werden. Morgens mehrere Stunden im Hallenbad Schwimmkurs geben und nachmittags den See im Blick haben: Das wäre eine Belastung, über die man erst mal reden müsse.
„Sobald das Aquari wieder öffnet, können wir sofort loslegen“, zeigt sich Moch motiviert. Bloß: das Hallenbad wird nicht von heute auf morgen wieder funktionieren. „Der Vorlauf, der benötigt wird, um das Aquari für den regulären Badebetrieb wieder zu öffnen, beträgt etwa zehn Arbeitstage“, sagte Hauptamtsleiter Horst Vetter auf Anfrage.
Dabei ist die Situation auf der Baar eher exemplarisch als ein Sonderfall. Einen „Flaschenhals“, was die Anmeldefristen anlangt, beklagt auch Ludwig Schulz. Er leitet die Geschäftsstelle des DLRG-Landesverbands Baden in Karlsruhe. Wenn bisher mancherorts schon eine Wartezeit von ein bis zwei Jahren für einen Kinderschwimmkurs bestand, dürfte sich das mit dem Lockdown zu einem Zeitraum verlängern, „der uns Sorgen bereitet“.

Die einzige Möglichkeit, diese Wartezeit zu verringern, wären zusätzliche Kurse. Der Landesverband sei im Gespräch mit politischen Entscheidungsträgern, um zusätzliche Bäderzeiten zu ordern, die dann auch bezahlt werden müssten.
„Das ist momentan eine Riesenherausforderung“, sagt Schulz und erweitert den Blick über das Kinderschwimmen hinaus. Im September und Oktober konnten noch Schwimmkurse angeboten werden, inzwischen sei seines Wissens in ganz Baden kein einziges Bad mehr geöffnet. Das hat auch für Sportler und Berufstätige Auswirkungen. Nicht nur das Schwimmtraining muss ausfallen, Aus- und Fortbildungsnachweise, etwa für angehende Polizisten oder Lehrer können derzeit nicht erworben werden.

Schon 2020 bestand die Aussicht auf einen ganzen Jahrgang von Kindern, die keinen Schwimmkurs besuchen können. „Da hatten wir Angst“, räumt Schulz ein. Man habe sich deshalb schon früh um die DLRG-Wachdienste gekümmert. Das habe eventuell Schlimmeres verhindert. Schaut man sich die Ertrinkungszahlen an Seen und Flüssen an, gab es 2020 einen leichten Rückgang auf 36. 2019 waren es 38 und „in der Vergangenheit hatten wir auch Jahre mit mehr als 60 Ertrunkenen“, so Schulz.