Es riecht nach frischem Stroh, nach Sommerregen auf altem Holz; man spürt, dass hier das Leben nie ganz schläft. Am Pferdehof Sickenbühl bei Donaueschingen begegnet man nicht nur Pferden und Reitern – sondern vor allem den Katzen. Für Melanie Krumpl und Claus Steidinger sind sie längst mehr als zufällige Begleiter.
Katzen sind nicht wegzudenken
„Katzen gehören für uns immer dazu“, sagt Krumpl. Was nach Selbstverständlichkeit klingt, ist am Sickenbühl gelebte Verantwortung. Was mit einer Handvoll Streuner begann, wurde zum Kraftakt – ihr ganz persönlicher Beitrag im Kampf gegen das Elend unkastrierter Katzen auf dem Land.
Vor über zehn Jahren übernahm Claus Steidinger den Hof. Schon damals gehörten Katzen zum Bild. „Katzen hat es immer gegeben“, erinnert sich Krumpl.
Doch als eines Tages ein wilder, unkastrierter Kater auftauchte, wurde aus stiller Duldung eine Frage der Verantwortung. „Es war klar: Wir müssen handeln“, sagt Krumpl. „Unkastrierte Tiere vermehren sich hemmungslos – das bedeutet Leid, für die Katzen und ihre Nachkommen.“

Sie informierte sich beim Tierschutz. „Man sagte mir: Wir übernehmen die Kastration, aber das Tier muss danach ins Tierheim.“ Für Krumpl keine Lösung: „Wilde, scheue Katzen kennen kein Zuhause – sie lassen sich kaum vermitteln, sie würden dort verkümmern.“
Also traf das Paar eine Entscheidung, die sein Leben verändern sollte: Sie übernahmen die Kastration selbst, bezahlten das aus eigener Tasche – aus Überzeugung. „Die Katze ist geblieben“, erzählt Krumpl.
Mit Lebendfallen gearbeitet
Doch es blieb nicht bei diesem einen Schicksal. Immer wieder fanden verwilderte Katzen den Weg zum Sickenbühl. „Wir haben mit Lebendfallen gearbeitet – denn wer einmal erlebt hat, wie scheu und unnahbar so eine Wildkatze sein kann, weiß: Man kann sie nicht einfach einfangen.“ Es ist mühsam, aufreibend, mitunter frustrierend – aber notwendig. „Kastrieren ist das Einzige, was hilft. Sonst gebiert das Elend immer neues Elend.“

Jede Katze bringt ihre eigene Geschichte mit: Krankheit, Hunger, Verletzung. „Wir hatten Tiere mit schweren Infektionen, mit herausoperierten Augen, mit Katzenschnupfen, Wunden, Parasiten“, berichtet Krumpl. „Einige haben ums Überleben gekämpft.“ Für Behandlungen, Medikamente, Operationen sind über die Jahre mehrere tausend Euro zusammengekommen. „Wir haben das bezahlt, weil es sonst niemand getan hätte.“
Doch Geld ist nicht alles. Es sind Zeit, Geduld, Liebe – Dinge, die man nicht kaufen kann. „Wir haben Babys aufgepäppelt, verwaiste Katzenkinder von der Straße, voller Flöhe, abgemagert, ohne jede Hoffnung“, erzählt Krumpl. „Das Tierheim hatte Aufnahmestopp. Also blieben sie bei uns.“
Mit Fürsorge, Futter und vielen Streicheleinheiten haben sie das Unmögliche möglich gemacht: Aus kleinen, zitternden Bündeln wurden kräftige, zutrauliche Tiere, die heute dem Stall Leben geben.
Ein Zufluchtsort und Katzenasyl
Längst ist der Sickenbühl zu einem Zufluchtsort geworden, einer Art stilles Katzenasyl. Zehn Katzen leben dauerhaft auf dem Hof, „manche gesund, manche gezeichnet von früheren Leiden, aber alle gehören sie dazu“, so Steidinger. „Ich bin inzwischen stolzer Katzenvater “, schmunzelt er.
Was beide eint, ist Unverständnis für bestehende Strukturen. „Die Tierschutz-Regelung, nach der nur kastriert wird, wenn das Tier ins Heim kommt – das ist praxisfern“, urteilt Krumpl. „Wilde Katzen haben dort keine Chance. Die Tierheime sind voll, das Personal überlastet. Warum nicht einfach kastrieren und die Tiere in ihrer gewohnten Umgebung lassen? Das wäre sinnvoll, tiergerecht, menschlich.“
Auch die Kosten sind ein Thema: „Eine Kastration kostet heute rund 300 Euro – das ist fast das Vierfache von vor zehn Jahren. Wer das nicht zahlen kann oder will, sieht lieber weg. Das Problem wächst.“
Katzen sind Teil der Familie
Unterstützt werden sie von Familie, Reitern und Stallteam – eine stille Gemeinschaft von Tierfreunden. „Alte Stallkatzen, die mit dem Trubel nicht mehr klarkommen, nehmen wir auch mal nach Hause. Sie sollen ihren Lebensabend in Würde genießen – wie Kater Tiger, der jetzt bei meiner Mutter wohnt“, erzählt Krumpl. Für sie ist das selbstverständlich: „Die Katzen sind Teil der Familie. Uns sind sie heilig.“
„Können den Unterschied machen“
Für Claus Steidinger ist klar: „Uns geht es gut, wenn es unseren Katzen gut geht.“ Sie tun es nicht für Lob oder Anerkennung, sondern aus innerem Antrieb. „Wir können nicht alle retten, aber wir können für einige den Unterschied machen. Das ist jede Mühe wert.“ Wir sind es den Tieren schuldig“, sagt Krumpl.
Deutliche Zunahme der Katzenproblematik
Doch das Engagement am Sickenbühl ist ein kleiner Ausschnitt eines viel größeren Katzenproblems: „Wir sehen eine deutliche Zunahme – die Zahlen sprechen für sich“, sagt Nadin Vögel, Leiterin des Kreistierheims Donaueschingen. Über 90 Katzen wurden allein 2023 im Stadtgebiet aufgegriffen – eine der höchsten Zahlen im Landkreis. Die Dunkelziffer sei erheblich, viele Katzen werden nie erfasst.

Die Ursachen sind bekannt: Es sind vor allem die freilaufenden, meist unkastrierten Katzen, die sich unkontrolliert vermehren. Über 90 Prozent der Fundtiere sind nicht kastriert.
„Wir kastrieren jedes Tier, das zu uns kommt – das sind 400 bis 500 Katzen pro Jahr“, so Vögel. Doch die Kapazitäten ehrenamtlicher Helfer schwinden, das Tierheim stößt immer öfter an seine Grenzen.
„Dauerhaft hilft nur, wenn wirklich jeder Verantwortung übernimmt“, sagt Vögel. Die Katzenschutzverordnung in Donaueschingen sei ein wichtiger Schritt – doch sie wirkt nur, wenn alle mitmachen.