Männer und hochwertiges Grillgut. Das passt. Männer und Parfüm. Das passt auch. Nach alter Auffassung dann, wenn der Mann kauft und schenkt. Beide Sparten in einem Laden? Das passt doch eher nicht.

Betreiber haben viele Gemeinsamkeiten

Und doch stehen derzeit zwei Männer mit ihren so unterschiedlichen Produkten im Pop-up-Store an der Karlstraße – und verstehen sich blendend. „Ist doch irgendwie beides Boutique“, grinst Ivica Guran. Der Villinger und Erol Karaosmanoglu aus Bräunlingen gehören derselben Altersgruppe an, haben früher Fußball gespielt, verfügen über einen großen Freundeskreis und führen jeweils eigene Firmen.

Ivica Guran mit der aktuell schwerwiegendsten Spezialität: Jamón Bellota: Iberischer Schinken aus dem Ibérico-Schwein hergestellt, mit ...
Ivica Guran mit der aktuell schwerwiegendsten Spezialität: Jamón Bellota: Iberischer Schinken aus dem Ibérico-Schwein hergestellt, mit Eicheln gefüttert. | Bild: Wursthorn, Jens

Gute Bedingungen also, um etwas auszuprobieren. Guran ist ein Schaffer. „Der kann nicht stillsitzen“, sagt sein Shop-Kompagnon. Bisschen frotzeln, aber viel Respekt. Man glaubt das gerne. Seit 31 Jahren führt der Villinger in seiner Firma Dreh- und Fräsarbeiten aus. Zwei Mitarbeiter hat er. Jeden Morgen geht es um 5 Uhr los. Der Betrieb läuft ordentlich. Bis nach dem Jahreswechsel die Aufträge nicht mehr so sprudeln.

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Privat ist Guran ein großer Fan von Barbecue, der höheren Form des Grillens. Er liebt es, seine Freunde mit einem feinen Stück Fleisch zu verwöhnen. Das Grillgut kauft er bei einem Händler in Stuttgart. Der hat exquisites Fleisch und Wurst aus der ganzen Welt in seinem Katalog. Und Guran hat eine Idee.

Augenschmaus hinter Glas

Deren Umsetzung steht nebeneinander an einer Wand des großflächigen Ladens, in dem bis Mitte 2022 der Discounter Zeeman um Kunden warb. Gefriertruhe, Dry Ager, Gefrierschrank. Alles Anschaffungen, die Guran getätigt hat. Auffällig ist der große Reifeschrank. Ein Augenschmaus, was darin liegt und bei 1,3 Grad und 74,5 Prozent Luftfeuchtigkeit in Richtung Geschmackserlebnis altert.

Was alles so im Dry Ager liegt Video: Wursthorn, Jens

Guran lädt den Betrachter zur kulinarischen Weltreise: Ein ganzer Rücken, halbiert, vom Original Chianina Rind aus der Toscana liegt oben. „Der muss noch 20 Tag „agen“, sagt er. Im Dry Ager werde Feuchtigkeit entzogen. Die trockene Rinde werde weggeschnitten. Übrig bleibe dann ein Steak mit zartem Muskelfleisch voller intensiver Aromen.

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Allgäuer Färse, Entrecote, daneben Belotta-Schinken aus Spanien, Xogitxu, die legendäre „alte galizische Kuh“, australische Hüfte und Entrecote vom Simmentaler Rind – Gurans persönlicher Favorit liegen ferner im Schrank. In der Tiefkühltruhe stapeln sich verschweißte Verpackungen. Der Fleischvertriebler zeigt Burger-Paddis aus Colorado, Garnelen aus Bangladesch und japanisches Wagyu, das wertvollste, man kann auch sagen teuerste Fleisch der Welt.

Ivica Guran gewährt einen kurzen Blick in die mit Fleisch und Wurst aus aller Welt bestückten Tiefkühltruhe.
Ivica Guran gewährt einen kurzen Blick in die mit Fleisch und Wurst aus aller Welt bestückten Tiefkühltruhe. | Bild: Wursthorn, Jens

Die Truhe klappt gleich wieder zu und eine Frage steht im Raum. Wie teuer sind die edlen Exoten auf dem Grill? „Nicht teurer als beim Hausmetzger“, sagt Guran und nennt ein paar plausibel klingende Beispiele. Gleichwohl: Exoten sind teuer. 200 Euro für ein Kilo Fleisch vom Wagyu-Rind. Indes: Im Internet kursieren mehrfach höhere Preise.

Und wie läuft das Geschäft? 17 Gastronomen und 46 Einzelkunden listet er als seine Kunden auf. Allmählich tätigt er auch Bestellungen abseits vom Großhändlerkatalog. Doch, so einen kleinen Laden könnte er sich schon vorstellen. Nur die Pacht dürfte nicht zu hoch ausfallen.

„Mit Fleisch rechnet da niemand“

Doch leider kämen kaum Neugierige in den Laden, meint Karaosmanoglu. „Mit Fleisch rechnet da ja niemand“, meint der dritte von drei überaus bekannten Bräunlinger Brüdern. Und damit guten Verbindungen in die Baaremer Gastronomie, wo er kräftig wirbt für die Fleisch Boutique. Im Pop-up-Shop verkauft er Parfüm in Eigenregie und Wein für einen Freund. Der 53-Jährige ist seit 30 Jahren Vertriebler, zudem Besitzer einer Reinigungsfirma.

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Parfüm ist seine neue Möglichkeit, sich kreativ auszutoben. Für Bundesligavereine hat er Parfüms aufgelegt, weil es die bisher nicht in den Fanshops gab. Die langen Reihen von unscheinbaren Parfüms im Pop-Up-Store werden in der Pfalz verfüllt. Es sind, wie Karaosmanoglu erklärt, Duftzwillinge. Nachbauten bekannter Parfüms, die ohne Namen und Verpackung, weit unter dem Preis des Originals liegen.

Die mit künstlicher Intelligenz erzeugten Bilder von 4Ki geben dem Pop-up-Store das Gehabe einer Galerie.
Die mit künstlicher Intelligenz erzeugten Bilder von 4Ki geben dem Pop-up-Store das Gehabe einer Galerie. | Bild: Wursthorn, Jens

Karaosmanoglu ist das Gesicht des Ladens, kann fast immer anwesend sein, weil er seine anderen Geschäfte am Telefon erledigen kann. Er gibt Auskunft, vermittelt Kontakte und verkauft ab und an in Kommission ein Bild des dritten, niemals vor Ort präsenten Partners, der Villinger Firma 4Kai, die künstliche Intelligenz-nutzt, um Kunstwerke zu schaffen.

Kaum verwunderlich ist, dass er es war, der die Anbietergemeinschaft für den Pop-up-Store zusammenbrachte. 4Kai-Bilder hatte er selbst schon verkauft, und sein Freund Ivica von der „Fleisch Boutique Villingen“ habe nicht lange überlegen müssen.

Fast schon Kunst, wie Erol Karaosmanoglu seine Parfüms aufgestellt hat.
Fast schon Kunst, wie Erol Karaosmanoglu seine Parfüms aufgestellt hat. | Bild: Wursthorn, Jens

Für beide Männer war es attraktiv, nahezu risikolos auszuprobieren, wie es sich mit einem eigenen Laden verhält. Denn die Pop-up-Förderung des Landes Baden-Würtemberg beinhalte, dass die Mieten von Land und Kommune übernommen werden und die Nutzer nur die Nebenkosten tragen, informierte City-Managerin Christine Neu.

Die mit künstlicher Intelligenz erzeugten Bilder von 4Ki geben dem Pop-up-Store das Gehabe einer Galerie.
Die mit künstlicher Intelligenz erzeugten Bilder von 4Ki geben dem Pop-up-Store das Gehabe einer Galerie. | Bild: Wursthorn, Jens

Vier Wochen vor Ende des Versuchszeitraums ziehen beide eine recht zufriedenstellende Bilanz. „Wenn wir bekannter sind und die Leute es mehr ausprobieren, würde das auf Dauer funktionieren“, sagt Karaosmanoglu. Wer sich hier reingetraut habe, komme wieder, bestätigt Guran.

Die High-End-Grills zünden noch nicht. Im Pop-up-Store werdensie nur wenig beachtet.
Die High-End-Grills zünden noch nicht. Im Pop-up-Store werdensie nur wenig beachtet. | Bild: Wursthorn, Jens

Nur eines ärgert den Grill-Fan. Die Ausstellung von Grill-Ungetümen im High-End-Bereich, in einer Ecke des Riesenraumes platziert, locke leider niemand hinter dem Ofen hervor.

Aber wie sind die Neuhändler im Geflecht einer bestehenden Anbietergemeinschaft zu bewerten? Fleisch und Parfum sind ja keine neuen Waren in der Stadt.

„Ein Produkt, das es am Ort bisher noch nicht gibt, könnte durchaus Leute anziehen.“Jennifer Ribler, Bereichsleitung Kommunikation, ...
„Ein Produkt, das es am Ort bisher noch nicht gibt, könnte durchaus Leute anziehen.“Jennifer Ribler, Bereichsleitung Kommunikation, Handelsverband Südbaden, Konstanz | Bild: Jennifer Ribler

Jennifer Ribler, Bereichsleitung Kommunikation beim Handelsverband Südbaden, Geschäftsstelle Konstanz, sieht es positiv, wenn das bestehende Sortiment eine Vertiefung erhält. Von Konkurrenz mag sie nicht sprechen. „Ein Produkt, das es am Ort bisher noch nicht gibt, könnte durchaus Leute anziehen.“ Im Idealfall würden weitere Geschäfte besucht.

In Pop-up-Stores, zunehmend mit mehreren kleinen Geschäften parallel, könnten Unternehmer abwägen, ob sie sich ein solches Projekt zutrauen. Mitunter, so ihre Beobachtung, passiere das auch in Einbindung junger Künstler.