Noch immer ist das Wohnprojekt Palette einzigartig im Schwarzwald-Baar-Kreis. Darauf sind die Bewohner – und insbesondere Initiatorin Christa Beisel – auch nach nunmehr sechs Jahren noch sichtlich stolz. Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass an einem sonnigen Dienstagnachmittag acht Bewohner im Gemeinschaftswohnraum in der Villinger Straße stehen und dem SÜDKURIER von ihrem Zusammenleben berichten.

Auszug? Alle freuen sich für das Paar

Vor fünf Jahren war der SÜDKURIER bereits zu Gast, nun ist es wieder so weit. Was hat sich also seit unserem vorangegangenen Besuch verändert? Einiges. So sind inzwischen auch junge Paare Teil des Wohnprojekts – eines zieht bald ein. „Sie sind sogar bereits das dritte“, freut sich Beisel. Ein Problem hat damit niemand – im Gegenteil. Man freut sich für das junge Paar und über den Einzug von Pheline Soppke mit ihrem Partner.

Hochzeitsfeier mal anders

Auch gefeiert wurde in der Zwischenzeit – trotz und teils gerade wegen der Corona-Pandemie. „Unsere Kinder haben hier ihre Hochzeitsfeier abgehalten“, berichtet Harald Böhle. „Wir haben draußen gefeiert und es gab klassische Musik. Das war mal etwas ganz anderes“, ergänzt seine Frau Ramona.

Für den Hausstrom (Aufzug, Tiefgarage und Beleuchtung) möchten die Hausbewohner irgendwann Solarstrom nutzen. Doch bis dahin ist es noch ...
Für den Hausstrom (Aufzug, Tiefgarage und Beleuchtung) möchten die Hausbewohner irgendwann Solarstrom nutzen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. | Bild: Tobias Weißert

Alle Geburtstage werden im Haus gemeinsam begangen, dazu feiern Teile der Hausgemeinschaft auch Silvester zusammen. In Pandemiezeiten hat man sich da auch mal mit Sekt ausgeholfen, erinnert sich Ingeborg Kettern: „Wir haben uns über die Balkone zugeprostet und weil eine Familie keinen Sekt mehr hatte, haben wir eine Flasche mit einem Seil heruntergelassen.“

Auch die Jungen dürfen ihre Wünsche äußern

Auch die jungen Bewohner bringen sich ein. So hatten sich Soppke und ihr Freund eine Tischtennisplatte gewünscht, welche dann angeschafft wurde und auf welcher sich die Bewohner nun regelmäßig die Bälle zuspielen. „Wir halten uns gerne im Hobbykeller auf. Auch mit Freunden und Familie“, sagt Soppke.

Die jungen Bewohner haben sich eine Tischtennisplatte gewünscht. Aus den gemeinschaftlichen Ersparnissen konnte diese nun realisiert werden.
Die jungen Bewohner haben sich eine Tischtennisplatte gewünscht. Aus den gemeinschaftlichen Ersparnissen konnte diese nun realisiert werden. | Bild: Tobias Weißert

Allgemein machen die Bewohner des Wohnprojekts viel gemeinsam. Die einen gehen gemeinsam ins Theater oder zu Konzerten, die anderen zur Fasnet. Es gibt eine Nordic-Walking-Gruppe oder eine Schachgruppe. Die Alleinstehenden bekochen sich ab und an gegenseitig. „Da ist Leben in der Bude“, freut sich Ramona Böhle. Bald wollen alle Mieter einen gemeinsamen Ausflug organisieren.

Einen Hausmeister brauchen sie nicht

Dazu kommen gemeinsame Advents- und Frühlingsfeste und monatlich ein Frühstück im Gemeinschaftsraum. Und auch sonst gibt es nicht viele Regeln, sondern man zählt auf das verantwortungsvolle Miteinander. „Wir haben keinen Hausmeister“, sagt die Mitgründerin stolz. Es gibt spezielle Gruppen für Garten, Handwerkliches und die Müllentsorgung.

Um das Blumenbeet zu Beispiel kümmert sich ein Team des Wohnprojekts. Aber auch wer in den Urlaub fährt, kann sich der Unterstützung in ...
Um das Blumenbeet zu Beispiel kümmert sich ein Team des Wohnprojekts. Aber auch wer in den Urlaub fährt, kann sich der Unterstützung in Garten und Haushalt sicher sein. | Bild: Tobias Weißert

Etwas später kommt Manfred Eisenmann dazu. Er kommt gerade vom Wertstoffhof. „Wir sammeln die Abfälle zentral und ich fahre sie dann weg“, sagt er. Gibt es etwas zu reparieren, ist vor allem er gefragt. Aber auch Soppke und ihr Freund: „Wir sind berufstätig und deshalb dankbar, dass uns tägliche Aufgaben abgenommen werden. Wenn etwas anfällt, helfen wir beim Auf- oder Abbau mit. Die Kommunikation ist simpel und ehrlich.“

„Eine coole und lustige Truppe“

Auch sonst fühlen sich die Beiden wohl: „Am Anfang weiß man ja nicht, was auf einen zukommt. Was gefordert wird.“ Doch das Paar habe schnell gemerkt, dass das „eine coole und lustige Truppe“ sei. „Wir finden es total schön, mit den verschiedenen Altersklassen zu tun zu haben. Jeder profitiert davon“, so Soppke. Sie fühle sich zurückversetzt in Kindheitstage: „So hat man Nachbarschaft damals gelebt.“

Neben dem Apfelbaum wachsen im Gemeinschaftsgarten unter anderem auch Felsenbirne, Holunder, Johannisbeere und Trauben.
Neben dem Apfelbaum wachsen im Gemeinschaftsgarten unter anderem auch Felsenbirne, Holunder, Johannisbeere und Trauben. | Bild: Tobias Weißert

Manchmal treffe sie den einen oder anderen auch in der Stadt, die praktischerweise fußläufig gut erreichbar ist. „Dann hält man auch mal ein Pläuschchen“, erzählt Soppke. „Es ist so schön, dass so etwas erhalten bleibt in einer Welt, die immer schnelllebiger wird.“ Als Beispiel nennt sie die selbstgemachte Marmelade, die eine Gruppe aus den verschiedenen angebauten Obstsorten herstellt.

Geringe Fluktuation zeigt Zufriedenheit der Bewohner

Ähnlich ergeht es auch den älteren Bewohnern: „Es ist ganz toll, dass die Jungen da sind“, freut sich Beisel. So hilft man sich etwa gegenseitig beim Einkaufen oder wenn mal jemand verreist ist. Obgleich jeder sein Leben lebe, sei es ein schönes Gefühl, zu wissen, dass jemand da sei, sagt deshalb Ramona Böhle, die inzwischen eine Fußpflegepraxis im Gebäude betreibt. „Das ist ein tolles nachbarschaftliches Miteinander.“

Beisel ergänzt: „Ich werde regelmäßig darauf angesprochen, ob nicht bald eine Wohnung frei wird.“ Doch so schnell ist das nicht der Fall. Vielmehr hat die Hausgemeinschaft weitere Vorhaben für die Zukunft. Manfred Eisenmann etwa schwebt die Installation einer Photovoltaikanlage zur Abdeckung des Gemeinschaftsstroms vor.