„Ganz plötzlich wurden wir vom offenen zum geschlossenen Haus“, beschreibt Dieter Münzer die Entwicklung der vergangenen Wochen. Er leitet das Seniorenheim St. Michael, mit knapp 200 Bewohnern und 156 Mitarbeitern die größte Einrichtung dieser Art in der Stadt. Er ist gegenwärtig viel häufiger im Haus als gewohnt. Eine Corona-Ansteckung zu vermeiden, hat höchste Priorität. Bisher ging alles gut, aber das Warten aufs Ergebnis bei Verdachtsfällen zehrt an den Nerven.

Fieberamulanz schon mehrmals

Mehrmals war bereits die Fieberambulanz aus Schwenningen im Haus. Die beruhigende Entwarnung des Gesundheitsamtes nahm Münzer auch schon am Wochenende im Heim entgegen. Gleichwohl nimmt Münzer die Mehrbelastung klaglos in Kauf und spricht dabei auch für sein Team: Ging der Tag ohne positives Testergebnis zuende, war es ein guter Tag.

Einsicht fehlt mitunter

Während sich die Bewohner gerade noch auf dem Betriebsgelände bewegen dürfen und keinen Besuch empfangen dürfen, haben sich die Abläufe für das Personal am stärksten im Bewohnerbereich verändert.

Das fängt mit der beschwerlichen Arbeit unter Schutzausrüstung an und steigert sich, wenn Senioren unter Coronaverdacht in Isolierzimmer verlegt werden, die in jedem Wohnbereich geschaffen wurden. Mitunter altersbedingt fehle dabei die Einsicht der Bewohnern.

Pforte auch am Wochenende besetzt

Diese sei zum Glück weitaus ausgeprägter bei den Angehörigen. „Sie dürfen das Betriebsgelände betreten und an der auch am Wochenende besetzten Pforte persönliche Gegenstände für ihre Verwandten abgeben“, erläutert Münzer. Dabei wahrten die Familien den notwendigen Abstand und hätten das Vertrauen darauf, dass wir hier das Maximale tun“, lobt er.

Rudolf Schleicher skypt im Pflegeheim St, Michael mit seiner Ehefrau und zwei Enkelkindern.
Rudolf Schleicher skypt im Pflegeheim St, Michael mit seiner Ehefrau und zwei Enkelkindern. | Bild: Dieter Münzer

Fehlende persönliche Kontakte schmerzen beiden Seiten. Eine rege genutzte Möglichkeit des Austauschs sind Skype-Gespräche im Viertelstundentakt. „

Skype aus der Küche

Da sitzen die Gegenüber mitunter im Süden der USA oder in Brasilien„, sagt der Heimleiter. Ganz kurios eine Familiensituation im Haus: Eine Mitarbeiterin in der Küche darf ihre Mutter auf der Station nicht besuchen. Die beiden unterhalten sich ebenso über das Videotelefon: auch wenn sie räumlich nur ein paar Meter getrennt sind.

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Die Bewohner müssen ihre Laufaktivitäten aufs Betriebsgelände beschränken. Das trifft vor allem die rund 40 Menschen, die in St. Michael die Form des Betreuten Wohnens gewählt haben und bisher weite Spaziergänge im Schlosspark unternehmen konnten. Nach anfänglicher Nichteinsichtigkeit klappt die Einhaltung der Regel inzwischen und birgt einen positiven Nebeneffekt. Auf der beschränkten Fläche begegnen sich jetzt Bewohner, die sich früher nicht kannten. „Das stärkt das Gefühl, dass wir hier eine große Familie sind.“ Abstand schafft Gemeinschaft.

Musiker spielen im Garten

„Im Prinzip sind bei uns alle Abläufe gleichgeblieben“, sagt Eike Fundinger. Sie ist Leiterin der MediClin Seniorenresidenz Am Baar-Zentrum. Allerdings merke man schon, dass die Bewohner ihre Angehörigen vermissen. Deshalb werde versucht, einen Ausgleich zu schaffen. Das funktioniere durch ein Mehr an Betreuung, aber auch Ablenkung und kleine „Events“, die den Senioren Freude machen. „Wir hatten auch schon Musiker da, die im Garten spielten“, sagt die Heimleiterin.

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Nachgelassen habe die anfängliche Angst vor Ansteckung unter Bewohnern und dem 32-köpfigen Personal. Auch das Arbeiten unter Mundschutz sei längst akzeptiert. Die Bewegungsfreiheit der Bewohner sei zwar eingeschränkt, aber sie können unter Einhaltung der Abstandsregeln in den Garten gehen. Mit Distanz seien auch mal „Gartenzaungespräche“ mit Angehörigen möglich.

Separater Bereich ist vorbereitet

Im Haus an der Alten Wolterdinger Straße leben momentan nur 35 Senioren. Auch wenn noch keine Corona-Infektionen vorliegen, hat Fundinger einen separaten Bereich mit eigener Küche und Treppenaufgang geschaffen, in dem Isolierzimmer eingerichtet werden könnten. Auch das Team, das diesen Bereich betreuen würde, ist definiert. Mütter mit Kindern und Beschäftigte mit älteren Familienangehörigen sind ausgenommen.

Pflegehelferin Bianca Breu ist in der Mediclin-Seniorenresidenz mit der Essensausgabe beschäftigt.
Pflegehelferin Bianca Breu ist in der Mediclin-Seniorenresidenz mit der Essensausgabe beschäftigt. | Bild: Mediclin Seniorenresidenz Baar Zentrum

„Um den Mitarbeitern die Angst zu nehmen, haben wir im Vorfeld umfassend informiert“, sagt Reiner Krummradt, der das Wohnpflegezentrum Donauresidenz an der Hagelrainstraße leitet. Schutzmaßnahmen etwa wurden anhand von Fallbeispielen durchgespielt. Obersteres Gebot sei der Selbstschutz. so die Botschaft. Die Angehörigen der aktuell 32 Bewohner wurden über die Einschränkungen via Rundbrief informiert. „Es gab da großes Verständnis.“ Den Kontakt nach außen ermöglichen ein separates Telefon und die Möglichkeit, sich nach Anmeldung via Skype auszutauschen.

Erklären hilft

Mit Erklären – etwa warum der Mundschutz getragen wird – lasse sich den Bewohnern die ungewohnte Situation erklären. Demente störten sich aufgrund des Krankheitsbildes nicht, dass keine Angehörigen zur Besuch kommen.

Auch Sterbefälle – ohne Coronabezug, aber unter Coronabedingungen – gab es schon. Hier konnten Angehörige in selbst mitgebrachter Schutzaussrüstung Abschied nehmen. Was nicht möglich sei, sind Aufenthalte außerhalb des Hauses. „Da geht es maximal vor die Eingangstür“, bedauert der Heimleiter.