Kreativ zu sein, das kann Waltraud Fünfgeld nicht ablegen. Vor ihrer Zimmertür im Altenheim St. Michael, am Ende des Ganges, steht ein Sessel. Davor befinden sich etliche Bastelutensilien, weihnachtliche Dekorationen. Ein kleiner Engel mit weißen Flügeln und strohblondem Haar. In ihrem Zimmer befindet sich weiteres Material auf dem Tisch. „Ich will eigentlich vieles davon mal aussortieren“, sagt die 78-Jährige.

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Mal besser, mal schlechter

Das Aussortieren sei jedoch nicht immer einfach. Fünfgeld leidet an der Parkinson-Krankheit. Sie betrifft die Nerven und bewirkt einen langsamen Verlust der Zellen. Daher gehe es ihr mal besser, mal schlechter. Als sie sich dann eines Tages im Bett nicht mehr bewegen konnte, fasste sie den Entschluss, sich in eine Pflegeeinrichtung zu begeben. Seit etwa einem Jahr lebt sie in St. Michael. Das Haus kennt sie, war sie doch im Stadtseniorenrat aktiv. Ihre beliebten Dia-Vorträge mit ihren Fotografieren hat sie hier auch gezeigt.

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Führerschein abgegeben

Aktiv ist sie immer noch soweit es geht. Bogenschießen hat ihr immer großen Spaß gemacht. Die Möglichkeit dazu hat sie noch, wird dann von Roland Volk vom Waldläufer-Geschäft in Pfohren abgeholt und kann dann dort etwas mit Pfeil und Bogen trainieren: „Das geht sogar im Sitzen“, erklärt sie. Dass sie immer viel gemacht habe, trage vielleicht sogar mit dazu bei, Parkinson bei ihr hinauszuzögern. „Meinen Führerschein habe ich dennoch abgegeben.“

„Es mangelt an Personal“

Ihre Aktivität will sie auch im Heim weiter einsetzen. Sie will einen Austausch ins Leben rufen, der sich mit der Pflege beschäftigt, auch auf Politiker einwirkt: „Das könnte in etwa so wie die Anstöße-Abende aussehen, die es ja bereits in der Stadt gibt“, sagt Fünfgeld. Sie habe schon einige Personen in der Stadt angesprochen. Wichtig sei, dass sich in der Politik etwa tue: „Was nützen mir 100 Euro mehr, wenn in der Pflege die Leute fehlen. Der Beruf sollte attraktiver werden.“ Wichtig sei es, immer wieder zu bohren und nicht locker zu lassen. „Ob im Krankenhaus, bei der Feuerwehr oder beim Roten Kreuz – überall mangelt es an Personal.“

Am eigenen Leib erfahren

Gemerkt habe sie das auch schon selbst. Besonders in den Abendstunden. Da komme es dann mal vor, dass eine Schwester nicht gleich Zeit habe, sondern schnell in den Irmapark zur dortigen Seniorenwohnanlage müsse. Vor einiger Zeit sei sie nachts gestürzt und habe sich die Rippe gestoßen: „Im Krankenhaus hatten sie keine Fahrer, also musste ich zwei Stunden warten, bis ich zum Röntgen konnte.“ Nach dem Röntgen sei es ähnlich gelaufen.

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Der Stress nimmt zu

„Es ist logisch, dass man nicht immer allen alles recht machen kann. Aber er ist auch traurig, dass immer mehr Leute von außerhalb geholt werden müssen, dass überhaupt jemand da ist“, so Fünfgeld. Die Pflegenden seien dabei einem immer größer werdenden Stress ausgesetzt: „In einer Nacht wurde in sieben Zimmern geklingelt. Bei manchen weiß man ja, was los ist. Aber eben nicht bei allen.“

Kein Personalnotstand

Einen Personalnotstand gebe es im St. Michael aktuell nicht, erklärt Heimleiter Dieter Münzer. Jedoch sei es tatsächlich so, dass nicht mehr die hohe Anzahl an examinierten Fachkräften vorhanden sei, wie früher: „Wir liegen da bei 65 Prozent und noch deutlich über dem gesetzlichen Mindestmaß von 50 Prozent“, so Münzer.

Rekrutierung schwierig

Was jedoch schwierig geworden sei: die Personal-Rekrutierung. „Wir stellen jetzt Leute ein, die hätten wir vor Jahren nicht eingestellt“, erklärt er. Viele seien nach der Probezeit dann wieder weg und gehen zum nächsten Heim. Stellen gibt es ausreichend. Der Bedarf an Betreuungsplätzen steige zunehmend: „An manchen Tagen habe ich bis zu zehn Anfragen.“

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Spannungen entstehen

Nicht einfach sei es auch bei examinierten Pflegekräften mit Migrationshintergrund: „Die Kommunikation in der tagtäglichen Arbeit ist schwer. Zwar werden Deutsch-Kurse gemacht, das dauert dann aber ein bis zwei Jahre“, so der Heimleiter. Die Arbeit, zu der auch Medikation, Dokumentation und der Austausch mit den Ärzten gehöre, sei deshalb nicht in der notwendigen Qualität machbar. Das sorge für interne Spannungen mit anderen Mitarbeitern, die gleich bezahlt werden.

Sechs neue Auszubildende

In diesem Jahr hat das St. Michael sechs neue Auszubildende bekommen, insgesamt sind es damit acht. Spannend werde es im kommenden Jahr. Dann werden mehrere soziale und pflegerische Berufe zu einer Ausbildung zusammengefasst: „Es gibt dann eine generalistische Ausbildung mit höheren Anforderungen“, sagt Münzer. Diese Pflegefachleute können dann in verschiedenen Bereichen arbeiten, nicht nur in der Altenpflege. Damit einher gehe eine Befürchtung, dass sich niemand mehr für die Altenpflege entscheide: „Wir müssen schauen wie es läuft, wenn die ersten dann in drei Jahren ihre Ausbildung beendet haben.“ Vielleicht gebe es ja auch eine Verschiebung in Richtung der Altenpflege: „Im Krankenhaus sind die Abläufe mittlerweile sehr kurz. Die personelle Fluktuation ist dort viel höher als bei uns“, so Münzer.

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Pflege wieder attraktiv

Dennoch hofft Münzer, dass die Pflege wieder an Attraktivität gewinnt: „Wir haben bei den Auszubildenden drei Migranten.“ Die Leute seien integriert und empfinden den Pflegeberuf als attraktiv: „Mit solch einem Hintergrund in den Beruf zu gehen: Ich denke das ist mehr als bloßer Idealismus.“