Baar – Lange Zeit schien der Termin in weiter Ferne, doch das Jahr 2019 naht und dann wird ab dem 1. September die Landesheimbauverordnung greifen. Das ist eine Regelung vom August 2009, die Pflegeeinrichtungen dazu verpflichtet, deren Bewohner nur noch in Einzelzimmern unterzubringen. Für etliche Alten- und Pflegeheime trotz der Erfüllungsspanne von zehn Jahren eine große Aufgabe.
Auch in der Region sind die Heime damit beschäftigt, den steigenden Ansprüchen und den Herausforderungen zu begegnen. Die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt, das notwendige Fachpersonal fehlt. Laut Hochrechnungen des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, werden im Jahr 2030 rund 125 000 Menschen im Bundesland vollstationär gepflegt – das sind rund 32 000 mehr als noch 2015.
Anbau auf dem Gelände
"Man weiß ja schon seit zehn Jahren, dass der Wechsel kommen wird", sagt Eike Fundinger, Heimleiterin der Mediclin Seniorenresidenz am Baar-Zentrum. Dennoch haben einige Einrichtung erst spät damit angefangen, sich auf die anstehende Verordnung vorzubereiten. "Wir haben ein Grundstück gebaut und werden dort ein komplett neues Gebäude errichten", sagt Fundinger. Oberhalb der Rehaklinik beim Naturfreundehaus soll der Neubau mit 90 Betten entstehen. Der Bauantrag sei bereits gestellt, jetzt warte man auf die Genehmigung, so die Heimleiterin. In der Seniorenresidenz habe man aktuell sieben Doppelzimmer, die entsprechend zu Einzelzimmern umgebaut werden müssen. Damit gehe man mit der Belegung runter, eine Voll-Belegung sei derzeit ohnehin nicht möglich: "Was heute nicht mehr so einfach ist: Personal zu bekommen", sagt Fundinger. Sie ergänzt: "Der Bedarf ist da. Ich habe täglich sicher zwei bis drei Anfragen. Wenn kein Personal da ist, dann hilft das jedoch alles nichts."
Entspricht denn die Verordnung mit den Einzelzimmern auch dem Wunsch der Bewohner? "Es gibt viele Bewohner, die möchten nicht alleine liegen. In dem Fall müssen wir aber sagen, dass das Gesetz es eben so vorgibt", sagt Fundinger. Für Ehepaare gebe es natürlich dennoch die Möglichkeit, etwa durch eine Verbindungstür zwischen den beiden Zimmern. Dass allerdings Paare gemeinsam in die Einrichtung kommen, sei äußerst selten.
St. Michael hat Zeit bis 2028
Bis 2028 hat das Donaueschinger Pflegeheim St. Michael Zeit, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Die Heimaufsicht hat eine Übergangsfrist gestattet. Das liegt daran, dass dort erst 2003 angebaut wurde und die Investition noch nicht refinanziert ist. "Wir haben 56 Doppelzimmer. Müssten wir die von einem Tag auf den anderen umwidmen, wäre das ein großer Verlust", erklärt Heimleiter Dieter Münzer. Künftig dürfe es nur noch Wohngruppen mit maximal 14 Leuten geben, "wir haben heute teilweise noch 40." Bis 2028 werde man eine entsprechende Lösung schaffen. Wie die genau aussehen wird, sei indes noch unklar: "Es gibt verschiedene Denkvarianten, die angegangen werden. Etwa über eine interne Aufstockung oder vielleicht auch irgendwas auf dem Konversionsgelände", so Münzer. Er ergänzt: "Zumindest die Planungen dafür will ich vor meinem Ruhestand noch abgeschlossen haben." Das benötige jedoch einen gewissen Vorlauf: "Das wird in den nächsten zwei bis drei Jahren sicher meine Hauptbeschäftigung sein."
Änderung baulich nicht machbar
Auch das Wohnpflegezentrum Donauresidenz hat noch etwas mehr Zeit eingeräumt bekommen: "Bis 2023. Bei uns ist das Baufenster allerdings ausgeschöpft, da können wir nichts unternehmen", erklärt Einrichtungsleiter Reiner Krummradt. Man habe auch schon einen Architekten mit einem Gutachten beauftragt. Herausgekommen ist ein notwendiges Investitionsvolumen von 900 000 Euro. "Die Frage ist, wie es weiter geht. Bei uns ist es so, dass wir nicht der Eigentümer sind. Nach der neuen Verordnung müssten wir von 32 auf 22 Plätze runter. Das würde Probleme mit der Wirtschaftlichkeit nach sich ziehen", so Krummradt weiter. Eine Idee gibt es bereits: Die Einrichtung zweier stationäre Wohngruppen mit jeweils acht bis zwölf Bewohnern. "Von der Aufteilung würde das optimal passen", sagt Krummradt. Pro Wohngruppe genüge jeweils eine Betreuungsperson. Die Einbuße an Plätzen könnte man über einen mobilen Pflegedienst gewährleisten, den man ins Leben rufen müsste. Dort könnten dann auch die Mitarbeiter unterkommen. "Das wäre eine optimale Konstellation", so der Einrichtungsleiter. Jetzt sei die Heimaufsicht gefragt, alles entsprechend zu prüfen. Alles sei ausschließlich von den baulichen Begebenheiten abhängig.
Befreiung von der Verordnung
In der Awo-Seniorenresidenz in Bräunlingen stehen derzeit 30 Plätze zur Verfügung. Die Einrichtung besitzt allerdings lediglich vier Doppelzimmer: "Wir hatten dazu bereits ein Gespräch mit der Heimaufsicht, ob für uns hier nicht eine Befreiung von der Regelung möglich ist", erklärt Bianca Braunersreuther, Leiterin des Seniorenzentrums. Man wolle daher aufgrund der Größe der Einrichtung einen Antrag auf Befreiung stellen: "Ob dem dann auch stattgegeben wird, das liegt im Ermessen der Heimaufsicht", so Braunersreuther. Die Alternative wäre es, von den 30 verfügbaren Plätzen zu reduzieren und schließlich auf 25 Plätze runter zu gehen.
Was es mit der Landesheimbauverordnung auf sich hat
- Für wen gilt sie? Die Landesheimbauverordnung regelt die Qualität des Wohnens nur für stationäre Einrichtungen (Heime). Die Vorgaben gelten nicht für die sich am häuslichen Umfeld orientierenden ambulant betreuten Wohngemeinschaften, so das Landessozialministerium.
- Ist die Frist zu kurz gesetzt? Die Anforderungen an die Heime steigen und moderen Qualitätskriterien sollen schnellstmöglich umgesetzt werden. Dennoch sei eine Übergangsfrist, in diesem Fall zehn Jahre, notwendig. Laut Sozialministerium könne diese in besonderen Fällen sogar auf bis zu 25 Jahre ab Betriebsbeginn verlänget werden.
- Werden Bewohner gezwungen, in Einzelzimmern zu leben? Nein, die Verordnung lässt Wohneinheiten zu, dann aber über entsprechende Raumkonzepte, wie etwa durch einen flexibel gestaltbaren Durchgang zwischen den Zimmern.
- Warum überhaupt Einzelzimmer? Damit soll verhindert werden, dass Betroffene gegen ihren Willen mit Unbekannten in einem Zimmer zusammenleben müssen, weil kein Einzelzimmer da ist. So werde auch in Heimen eine geschützte Privat- und Intimsphäre gewährleistet. Laut Sozialministerium zeige die Praxis, dass es in Heimen regelmäßig Wartelisten für einen Umzug vom Doppelzimmer in ein Einzelzimmer gebe, während dies umgekehrt nicht der Fall sei. Eine Nachfrage nach Doppelzimmern bestehe längst nicht mehr. Ausgehend von den gesellschaftlichen Entwicklungen werde die Nachfrage nach Einzelzimmern auch in Zukunft noch weiter zunehmen. (guy)