Jeder kann zu jeder Zeit ein Pflegefall werden. In Deutschland sind es derzeit fast drei Millionen Menschen, die im Alltag mehr oder weniger auf Hilfe angewiesen sind. Die Ursache dafür liegt oftmals im zunehmenden Alter begründet. Man kann aber auch in jüngeren Jahren durch Krankheit oder Unfall pflegebedürftig werden. Tritt der Fall ein, sehen sich Betroffene und deren Angehörige mit vielen Fragen konfrontiert. Man möchte alles so organisieren, dass der Pflegebedürftige so lange wie möglich zu Hause bleiben kann. Dafür gilt es Bedingungen zu schaffen, die das ermöglichen.
Frau Wetzel, Sie haben Ihr Büro in der Landratsamtsaußenstelle an der Humboldtstraße 11 in Donaueschingen. Wer darf zu Ihnen kommen?
Unsere Beratung zu den Themen Pflege, Versorgung und Vorsorge dürfen alle Bürger des Schwarzwald-Baar-Kreises kostenlos und neutral in Anspruch nehmen. Das können sowohl Angehörige, als auch Betroffene selbst sein oder auch Personen, die sich präventiv informieren möchten. Für den nördlichen Bereich des Schwarzwald-Baar-Kreises ist der Pflegestützpunkt im Landratsamt in VS-Villingen zuständig, für den südlichen Bereich der Pflegestützpunkt im Landratsamt Donaueschingen. Bei Bedarf bieten wir in Einzelfällen auch kostenlose Hausbesuche an.
Haben Sie eine Broschüre, eine Zusammenstellung über die Angebote, die Sie Nachfragenden mitgeben können?
In regelmäßigen Abständen wird unsere Broschüre „Alterszeit“ herausgegeben. Anfang Juni ist sie nun in der 9. Auflage erschienen. In der Broschüre werden verschiedene Themen, die im Alter wichtig sein können, wie zum Beispiel die Leistungen der Pflegeversicherung, Hilfsmittel und Barrierefreiheit oder Sicherheit im Alter aufgegriffen und übersichtlich erklärt. Besonders hilfreich ist auch die darin enthaltene aktualisierte Übersicht über die kreisweiten Dienstleister. Hier finden Ratsuchende Pflegedienste, Tagespflegen, ehrenamtliche Angebote, Pflegeheime und vieles mehr auf einen Blick. Die Alterszeit ist kostenlos in den Pflegestützpunkten sowie im Landratsamt erhältlich und bei Ärzten, den Gemeinden, Apotheken sowie online unter https://alters-zeit.de/epaper-Alterszeit_2019/#12 zu finden.
Wer bei der Pflege Unterstützung braucht, geht mitunter erst einmal im Papierkram unter. Helfen Sie?
Viele Ratsuchende sind ganz plötzlich, beispielsweise durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung mit diesen Themen konfrontiert. Durch die komplexe Gesetzeslage kann es hierbei oft zur Überforderung der Betroffenen oder deren Angehörigen kommen. Wir können in unserer Beratung dabei helfen, sich in diesem „Pflege-Dschungel“ zurechtzufinden, erklären Sachverhalte, zeigen verschiedene Versorgungsmöglichkeiten auf oder unterstützen gegebenenfalls auch beim Ausfüllen von Anträgen.
Die meisten Betroffenen beziehungsweise deren Angehörige werden wohl in einer akuten Notlage zu Ihnen kommen?
Ja, der Großteil der Beratungsanfragen bezieht sich auf konkrete Notlagen. Für diese Situationen haben wir großes Verständnis und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Hier ist oft schnelles Handeln gefragt, weswegen wir versuchen, Termine möglichst zeitnah anzubieten. Bei bestimmten Themen, wie beispielsweise Vorsorgevollmacht, Betreuung oder Wohnformen im Alter ist es allerdings sinnvoll, sich bereits im Vorfeld vor Eintreten einer Hilfebedürftigkeit Gedanken zu machen.
80 Prozent der Pflege wird in Deutschland immer noch in der Familie geleistet, ein Bedarf besteht ganz sicher auch nach Unterstützung für pflegende Angehörige, die oft genug ans Ende ihrer Kraft kommen.
Die häusliche Pflege kann manchmal über mehrere Jahre andauern. Das stellt für viele pflegende Angehörige eine große Herausforderung dar und kann mitunter dazu führen, dass die eigenen Bedürfnisse lange Zeit hinten angestellt werden. Es gibt jedoch einige Möglichkeiten, um pflegende Angehörige zu entlasten. Beispielsweise kann die Inanspruchnahme von Pflegediensten, Tagespflegen oder einer Kurzzeitpflege sinnvoll sein. Außerdem gibt es Pflegekurse für Angehörige und die Möglichkeit, eine Reha in Anspruch zu nehmen, die speziell für pflegende Angehörige ausgerichtet ist. Hilfe anzunehmen fällt den Betroffenen und auch den Angehörigen oft nicht leicht. Bevor pflegende Angehörige jedoch ans Ende ihrer Kräfte kommen, sollte die Pflege auf möglichst viele helfende Schultern verteilt werden.
In großen Städten gibt es Demenzcafés, in die Ehepaare zusammen gehen können. Dort gibt es ein eigenes Angebot für die Demenzkranken, während der Angehörige aufgepäppelt wird.
Die Pflege demenzkranker Personen geht oft mit einem hohen Betreuungsaufwand einher. Hierfür gibt es spezielle Angebote bei uns im Schwarzwald-Baar-Kreis. Dazu zählen unter anderem Demenzbetreuungsgruppen, die an einzelnen Nachmittagen die Betreuung der demenzkranken Person übernehmen oder häusliche Betreuungsdienste, die zuhause eine stundenweise Betreuung leisten. In dieser Zeit hat der pflegende Angehörige Zeit für sich. Eine Übersicht der anerkannten Dienstleister (nach Usta-VO) ist auf unserer Homepage www.Lrasbk.de unter dem Suchbegriff Usta-VO zu finden. Außerdem gibt es die Schulungsreihe „Hilfe beim Helfen“ für Angehörige von demenzkranken Personen. Hier erhalten Angehörige verschiedene Tipps zum Umgang mit der Krankheit und können sich mit anderen Betroffenen austauschen. Informationen über die genannten Angebote, über die Starttermine der Schulungsreihen sowie über Gesprächskreise können gerne bei uns im Pflegestützpunkt oder bei der Selbsthilfekontaktstelle des Kreises erfragt werden.
Was können Kinder tun, damit ihre Eltern gut altern?
Genau hinschauen – Oft geben die eigenen Eltern es nicht gerne zu, wenn Unterstützung benötigt wird oder wenn der Alltag einfach nicht mehr selbständig bewältigt werden kann. Um Hilfe zu bitten, fällt vielen schwer. Besonders, wenn ein Ehepartner den anderen pflegt, bringt das die pflegende Person häufig an ihre Grenzen.
Es ist außerdem sinnvoll, bereits im Vorfeld ein gutes soziales Netzwerk zu pflegen, sodass bei Bedarf auch Nachbarn, Freunde und Verwandte in die Pflege miteinbezogen werden können. Die barrierefreie Gestaltung der eigenen Häuslichkeit kann ebenfalls frühzeitig überdacht werden, um solange wie möglich zuhause leben zu können. Für Letzteres gibt es sogar eine eigene Beratungsstelle im Landratsamt, die Beratungsstelle Alter & Technik. Um frühzeitig über diese Themen zu informieren, bieten wir regelmäßig kostenlose Vorträge und Veranstaltungen an. Die Termine sind auf der Homepage www.Lrasbk.de mit dem Suchbegriff Pflegestützpunkt zu finden. Anfragen für kostenlose Vorträge können direkt an die Pflegestützpunktmitarbeiter gerichtet werden.
Wie sieht für Sie das Seniorenheim der Zukunft aus?
Es ist vorstellbar, dass in den Pflegeheimen der Zukunft offenere Strukturen zu finden sind, die eine stärkere Öffnung nach außen ins Quartier ermöglichen und die alltägliche Teilhabe der Bewohner am gesellschaftlichen Leben sowie die Selbständigkeit fördern. Auch Pflegeheime, die dem Grundgedanken der Mehrgenerationenhäuser entsprechen, wären für die Zukunft denkbar. Durch die Bildung von Solidargemeinschaften können unterschiedliche Generationen in kleinteiligen, familienähnlichen Gemeinschaften zusammenwohnen und voneinander profitieren.
Fragen: Holger Niederberger
Zur Person
Johanna Wetzel ist 27 Jahre alt und wohnt in Donaueschingen. Sie hat Angewandten Gesundheitswissenschaften studiert. Seit 2015 arbeitet sie für den Pflegestützpunkt des Schwarzwald-Baar-Kreises. Seit 2017 hat sie ihren Arbeitsplatz in der Donaueschinger Außenstelle des Landratsamts an der Humboldtstraße 11, Raum Nr. 111. (hon)